Der agra-Park führt ein recht diffuses Leben am Rande Leipzigs. Der größere und schönere Teil gehört zu Markkleeberg, aber auch der ist nicht heile, die B 2 zerschneidet ihn auf Stelzen mittendurch. Man braucht schon ein bisschen Phantasie, um sich die Schönheit dieses Parks vorzustellen, als ihn die Herfurths ab den 1890er Jahren als Landschaftspark gestalteten.

Mit Dirk Seelemann kann man sich jetzt in diesem kleinen 52-seitigen Buch auf die Spurensuche begeben. Vielleicht auch in die anstehenden Streits um die künftige Gestaltung der Parklandschaft, die 1945 ihren alten Namen verlor, weil die Herfurths enteignet wurden. Wenig später schon wurde vor allem der östliche Parkteil zum Schauplatz der Landwirtschaftsausstellungen, die unter dem Kürzel AGRA zu einem Begriff wurden und das Gelände bis 1990 jedes Jahr belebten. Hier wurden die neuesten Züchtungen von Nutzpflanze und Nutztier gezeigt, neueste Anbau- und Zuchtmethoden vorgestellt, und die neuesten Landwirtschaftsmaschinen wurden präsentiert. Die Besucher dieser Messen kamen aus dem ganzen Ostblock.

Nach 1990 funktionierten sie nicht mehr so, entstanden kleinere Tochtermessen, die agra selbst wanderte auf die Neue Messe ab. Etliche der alten Ausstellungshallen wurden mittlerweile abgerissen. Die Diskussion um die Wiederherstellung eines geschlossenen Landschaftsparks sind also hochaktuell. Markkleeberg führt sie im Zusammenhang mit der möglichen Tunnelung der B2 und einer Bewerbung um die Landesgartenschau 2019. Leipzig führt sie nicht und lässt sich dafür von seinen Ämtern mit immer neuen Bebauungsvorlagen für den Dölitzer Geländeteil beglücken, die sich immer wieder in Details und Einzelprojekten verlieren, ohne eine Gesamtvision zu zeigen, schon gar nicht auf den ganzen agra-Park hin gedacht.Was natürlich recht deutlich macht, wie fern der heutigen Stadtverwaltung das Entwickeln neuer, nachhaltiger Wohn- und Landschaftsvisionen tatsächlich ist. Einen Großteil des Büchleins verwendet Seelemann natürlich darauf, um die Geschichte des Parks zu erzählen, die in ihren Ursprüngen schon bei Walter Kees beginnt, dem als Rittergutsbesitzer auch große Flächen bei Gautzsch gehörten, die er zur Parklandschaft umformte.

Die Herfurths kauften ihm das Gelände dann ab, entwickelten es weiter. Wichtige Bauten aus dieser Zeit existieren noch heute, wurden – wie das “Weiße Haus” – mit denkmalpflegerischer Akribie wieder hergerichtet. Wieviel aber die diversen Eingriffe am Park verändert haben, merkt man erst, wenn man – mit dem Büchlein in der Hand – Vergangenheit und Gegenwart vergleicht.

Seeleman hat einen Parkrundgang mit 18 Stationen entwickelt, der auch auf den Leipziger Teil eingeht, die Mühlpleiße aber nicht überschreitet. Man erfährt, wie die Gestalt des Teiches verändert wurde, wo die Pleiße einst floss und warum der Antentempel heute irgendwie beziehungslos in der Landschaft steht. Nicht alles, was schön ist, stammt aus Herfurths Zeiten.

Parkgaststätte und Sommerblumenwiese sind Zeugen der einst blühenden agra. In den Rosenpflanzungen stehen – erklärungsbedürftig – die Bronzeplastiken “Der Weg der Bauern” und “Klasse der Genossenschaftsbauern” von Otto Thielicke. Unter der Bundesstraße erinnern Skulpturen an einen Bildhauer-Workshop in den 1980er Jahren. Und viele Wege weisen natürlich aus dem Park hinaus.

Einige davon will ja Markkleeberg in seinem Konzept zur Landesgartenschau aufwerten – etwa zum Schloss und Torhaus Markkleeberg. Auf Leipziger Seite kommt man bequem zum Kinderreich, zum Torhaus und zur Wassermühle Dölitz. Tatsächlich ist der Park exzellent eingebettet in ein großes Beziehungssystem, hat direkten Anschluss zum Elsterradweg, und man ahnt, dass hier eine Menge draus zu machen wäre, wenn die beiden Städte, die sich hier ins Ganze teilen, auch mal was Gemeinsames auf die Reihe bekämen.

Aber das wird noch dauern. So lange hat man mit diesem kleinen Druckwerk einen Parkführer in der Hand, mit dem man das Wichtigste vor Ort erkunden kann. Eine Karte im Mittelteil macht den Rundkurs leicht nachvollziehbar.

Dirk Seelemann “Agra-Park”, Pro Leipzig, Leipzig 2014, 5 Euro

www.proleipzig.eu

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