Natürlich hat auch die seit 2007 gärende Finanzkrise mit politischen Weichenstellungen zu tun. Denn ohne eine massive Deregulierung des Bankensektors hätten auch die "systemrelevanten" Großbanken nie zu unkontrollierten Spielcasinos werden können. Auf Seite 79 nennen Matthias Weik und Marc Friedrich Ross und Reiter: Reagan, Clinton, Thatcher und Blair. Motto: "Profitmaximierung um jeden Preis".

Das ist das Kapitel, in dem sie erklären, was eigentlich ein ehrbarer Kaufmann ist und warum eine Bankenrettung ohne die Rückkehr des ehrbaren Kaufmanns undenkbar ist. Und sie erwähnen einen Zusammenhang, der heute, wenn es um Banken- oder Staatenrettung geht, nie vorkommt: “Nur wenn es einer Gesellschaft gut geht, kann auch eine Bank funktionieren.”

Und danach analysieren sie, wie es dem Möchtegernweltmeister Deutschland eigentlich geht. Die schlichte Wahrheit ist: nicht besser als den Rettungskandidaten im Süden. Nur hat die Bundesrepublik einen gewaltigen Bonus: Der billige Euro verschafft Deutschland Wettbewerbsvorteile, die es ohne Euro gar nicht hätte. Es kann seine Produkte günstiger auf den Märkten absetzen und produziert einen enormen Exportüberschuss, der normalerweise in einem normalen Währungssystem dazu führen würde, dass die eigene Währung aufgewertet wird. So wie früher die so oft beweinte D-Mark. Doch genau das passiert nicht. Und im Staatshaushalt kommt das zusätzlich erwirtschaftete Geld auch nicht wirklich an. Selbst der Exportweltmeister Deutschland ist nicht in der Lage, seinen riesigen Schuldenberg von 2,1 Billionen Euro abzubauen. Die letzten 500 Milliarden Euro, die da obendrauf kamen, waren übrigens die Rettungspakete für die eigenen Banken.

Gleichzeitig bröckeln in Deutschland die Fundamente. Da hilft aller Jubel über die Rekordexporte nichts. Im ganzen Land werden Infrastrukturen nach und nach marode, ohne dass genügend Geld da ist, sie instand zu halten. Und der Anteil der Bevölkerung, der richtig arm und auf Sozialtransfers angewiesen ist, wächst immer weiter. Dazu passt die Meldung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes vom 19. Februar: “Armut auf Höchststand: Studie belegt sprunghaften Armutsanstieg in Deutschland”.

Auch das eine Frage, die Weik und Friedrich bei ihrem großen Rundumschlag betrachten:

Wer bezahlt eigentlich den Rekordüberschuss Deutschlands?

Neben den Billig- und Niedriglöhnern sind es – mit realen Wohlstandsverlusten – die heutigen und künftigen Rentner, die Kinder, die im kaputtgesparten Bildungssystem scheitern, die Nutzer des ÖPNV, die einen Milliarden-Investitionsstau mit einem löcherigen Angebot bezahlen (Verspätungen mit eingeschlossen), aber auch die ganz normalen Konsumenten, denn sie haben seit dem Jahr 2000 auch reale Lohn- und Kaufkraftverluste hinnehmen müssen.

Was Weik und Friedrich auch zu dem kleinen Sahnestück der wirtschaftlichen Aufklärung anregt, ihren Lesern zu erklären, was Geld eigentlich ist. Und dass es mit dem, was sich der Brötchenkäufer beim Bäcker darunter vorstellt, eher wenig zu tun hat.

Zwischendurch gibt es auch da so eine eindeutige Grafik, die (auf Seite 110) zeigt, wie mit Einführung des Euro 1998 die deutschen Exporte in die Euro-Zone erst sachte zurückgingen und dann mit Ausbruch der Finanzkrise 2008 so richtig in den Keller gingen.

Haben wir eigentlich alle schon an unsere geliebten Bankenstars ein Dankschreiben geschickt, dass sie den innereuropäischen Handel so dermaßen ramponiert haben, dass sich die meisten Europäer keine Waren mehr aus Deutschland leisten können?

Erst durch diese vollkommen aus dem Ruder geratenen innereuropäischen Handelsbilanzen sind die sogenannten Target-Salden erst zu einem Problem und einem wachsenden Risiko geworden – ein Thema, mit dem ifo-Chef Hans-Werner Sinn ja bekanntlich mehrfach für Schlagzeilen sorgte und die meisten Wirtschaftsjournalisten überforderte. Weik und Friedrich erklären das schön anschaulich – unter anderem mit einem spanischen Fußballclub, der auf Kosten der deutschen Steuerzahler deutschen Fußballclubs die besten Leute weggekauft hat. Die spanischen Clubs sind heute die höchstverschuldeten weltweit und Fachleute überlegen schon, ob sie einfach die gesamte erste Liga in Spanien Pleite gehen lassen.

Im Grunde stecken in diesem nunmehr schon zweiten Buch von Weik und Friedrich mehrere Bücher, die jedes eine Einzelveröffentlichung rechtfertigen würden. Aber all die Dinge, die sie schildern, hängen natürlich miteinander zusammen. Niedriglohn und Rente. Natürlich. Das Verhältnis vom Bruttolohn zur ausgezahlten Rente ist heute in Deutschland das niedrigste in ganz Europa.

Und wie ist das mit der Bildung? – 19 Milliarden Euro beträgt der Posten im Bundeshaushalt. 19 Milliarden Euro hat der Bund für die Rettung allein der Pleitebank HRE ausgegeben. Die Autoren schildern auch, wie deutsche Erwerbstätige und Sparer die “Rekordexporte” der Bundesrepublik tatsächlich aus eigener Tasche bezahlen. Das eigentlich notwendige nachhaltige Wachstum wurde dem schnellen Profit geopfert.

Das Ergebnis so einer Politik, die schon allein aufgrund der Systemmechanismen fast ausschließlich den Aktienbesitzern, Investoren und Vermögenden zugute kommt, ist das, was die beiden Autoren in zwei Rundreisen beschreiben – eine durch Europa und eine durch die großen Industrienationen der Welt.

Das Ergebnis ist ernüchternd

Sie stecken allesamt bis zur Halskrause in Schuldenbergen, die kein einziges dieser Länder in irgendeiner überschaubaren Zeitspanne jemals zurückzahlen könnte. Und in etlichen dieser Schuldenberge steckt richtig Explosionspotenzial – etwa in Großbritannien, wo Weik und Friedrich gerade die nächste Immobilienblase heranreifen sehen, oder in Japan, dessen Wirtschaftspolitik die beiden nur noch als Kamikaze-Politik bezeichnen. In den USA sowieso, die ihre Handlungsfähigkeit nur noch durch die Ausweitung des eh schon gigantischen Schuldenrahmens bewahren konnte.

Wer die beiden Rundreisen hinter sich hat, bekommt noch ein paar Tipps, wie er vielleicht einen Teil seines Vermögens retten kann, wenn einer dieser Crash-Kandidaten tatsächlich das ganze aufgeblasene System zum Einsturz bringt.

Wer das Buch als landläufiger Normalverdiener liest, kommt zu dem recht ernüchternden Schluss: Vieles davon kann man sich eigentlich gar nicht leisten. So viele Goldbarren oder Waldstücke kann man sich von den eigenen Peanuts nicht kaufen.

Und dann dieses Finale in Kapitel 8:

“Der Crash ist die Lösung”

An der Stelle haben die beiden emsigen Schwaben schon mehrfach erklärt, wie sehr sie Recht haben. Haben sie auch. Aber am Ende empfehlen sie eben nicht den Crash, dessen Ausmaß sich die meisten Deutschen wohl gar nicht vorstellen können (und die Währungsreformen von 1998, 1990 oder 1948 sind harmlos gegen das, was dann an echter Vermögensvernichtung auch im ach so verschonten Deutschland passieren wird).

Zwischendurch hatten sie übrigens auch angedeutet, dass eine Rückkehr der Euro-Staaten zu eigenen Währungen keine dumme, sondern sogar eine sinnvolle Idee sein könnte. Man kann nicht zwei oder drei Dutzend Staaten mit völlig unterschiedlichen Wirtschaften in eine Währung zwingen. Das geht schief. Und im Fall des Euro kann es verdammt schief gehen. Ein gescheitertes Experiment, schreiben die beiden Autoren.

Dennoch schlagen sie im 8. Kapitel “Erste Schritte zu einem nachhaltigen Wirtschafts- und Finanzsystem vor”. Und eine echte Alternative zur aktuellen Gelddruck-Maschine der Großbanken haben sie wirklich im Angebot: das Vollgeld, mit dem sich auch Finanzwissenschaftler schon seit einiger Zeit intensiv beschäftigen. Und das vor allem ein Primat an den Staat zurückgibt: das Recht, Geld zu machen. Prof. Dr. Mark Joob hat diesen Beitrag zum letzten Kapitel geschrieben.

Und nachdem man die “Tour de Force” der beiden Schwaben hinter sich hat durch das Dickicht der heutigen Finanzverstrickungen, weiß man, dass ein kompletter Systemwechsel überfällig ist und wohl ungefähr auch so aussehen muss.

Die untröstliche Feststellung noch zum Schluss: “Den Wandel dürfen wir nicht von der Politik erwarten. (…) Der Wandel muss von uns selbst ausgehen.”

Buchlesung am 25. Februar

Am Mittwoch, 25. Februar, sind Matthias Weik und Marc Friedrich mit ihrem Bestseller um 19 Uhr zu Gast in der Bahnhofsbuchhandlung Ludwig im Hauptbahnhof Leipzig.

Bestellen Sie versandkostenfrei in Lehmanns Buchshop:  Matthias Weik & Marc Friedrich “Der Crash ist die Lösung“, Eichborn Verlag 2014, Köln, 19,99 Euro.

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Es gibt 2 Kommentare

Da ich mich entschlossen habe nicht zu dieser Buchvorstellung zu gehen, einige Bemerkungen zur Thematik. Ich habe schon genug graue Haare.

Als Ausgangspunkt nehme ich folgende zwei bedeutsame Sätze von Herrn Julke:
“Ein gescheitertes Experiment, schreiben die beiden Autoren. Dennoch schlagen sie im 8. Kapitel “Erste Schritte zu einem nachhaltigen Wirtschafts- und Finanzsystem vor”.”

Hier liegt der Hase im Pfeffer. Hier wollten beide Autoren nicht heran, weil sie sich damit gewaltig die Finger verbrannt hätten. Dieses Wirtschafts- und Finanzsystem kann letztlich nur durch eine neues Wirtschafts- und Finanzsystem ersetzt werden. Konkret durch eine andere Gesellschaftsordnung. Ich sehe keine andere Möglichkeit, zumindest was diese gesamte Banken- und Schuldenproblematik betrifft. Hätten die Autoren das auch geschrieben, dann kann mit 100,0 %-tiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es dieses Buch nie in irgendwelche Bestsellerlisten geschafft hätte, beim Spiegel gleich gar nicht. Ich gehe auch davon aus, dass es tatsächlich nie Ziel der Autoren war, dieses Übel an der Wurzel zu packen. Dazu hätte es einer ganz anderen Herangehensweise bedurft.

Wie wunderbar ist es, wenn man mit solchen ehrfurchtsvollen Begriffen wie “Ehrbare Kaufleute” spielt, welche ihren Ursprung im 12. Jahrhundert haben. Dahinter verbirgt sich u.a., dass derjenige ein ehrbarer Kaufmann ist, der langfristig wirtschaftlichen Erfolg hat und zugleich die Gesellschaft daran teilhaben lässt. Ein ehrbarer Kaufmann muss deshalb eine gute Ausbildung haben, moderne Technik im Unternehmen einsetzen um wettbewerbsfähig zu sein, hervorragend motivierte Mitarbeiter (durch angemessene Bezahlung, gute Arbeitsbedingungen, teamfähigen Leitungskräfte) haben, termingemäß und vollständig seine Steuern zahlen, über eine ausgezeichnete Buchhaltung verfügen und wirksame Mechanismen über den Nachweis und die Kontrolle seines Vermögens haben.

Nun anzuführen, dass die Banken wieder die Rolle des ehrbaren Kaufmannes einnehmen müssten, um ein Stoppzeichen für die Auswüchse zu setzten, halte ich für mehr als fragwürdig. Jeder ehrbare Kaufmann ist auf Banken und Sparkassen angewiesen, weil das sehr wichtige Instrumente für seine Tätigkeit sind.

Die Bankenkrise wurde vorwiegend durch kurzfristiges Gewinnstreben ohne jegliche Regeln und verantwortungsloses Handeln (vorwiegend) des Bankensektors ausgelöst.
Neben den Helfershelfer bei den Banken waren vorwiegend Spekulanten, Geldwäscher, Kriminelle und geldgierige vermögende Personen am Werk. Die Profitgier vieler Aktionäre hat ein übriges dazu getan. Nicht zu vergessen die grauen Eminenzen im Hintergrund, die beispielsweise nicht durchschau- und beherrschbare Finanzprodukte entwickelt haben und die vorher genannten Personenkreise mit Rat und Tat unterstützen. Dazu gehören beispielsweise die Steuerprüfungs- und Unternehmensberatungsgesellschaften der Big4 (= die 4 größten global tätigen Wirtschaftprüfungsgesellschaften) und nicht zu vergessen auch viele Wölfe im Schaftspelz, wie u,a, Vermögensberater. Welch ein Zufall, dass die Autoren des Buches Vermögensberater sind. Oder doch kein Zufall? Die Gedanken sind frei!

Wenn die Einführung des Euro bereits jetzt als gescheitertes Experiment von den Autoren angesehen wird, dann betrachte ich das als weltfremd und zugleich anmaßend. Es wird eine Hysterie geschürt und mit den Ängsten sehr vieler Bürgerinnen und Bürger vorwiegend in Deutschlands gespielt, Die Afd hat man dafür verteufelt und tut es noch!!! Da ich böse Vergleiche mag, um meine Bemerkungen zu solchen Themen zu bekräftigen, hier ein sehr böser Vergleich. Die Hexenverfolgung war nicht viel anders.

Auch wenn die Herren so tolle Ratschläge geben, sind beide nicht in der Lage, dafür lege ich meine beiden Hände ins Feuer, umfassend vorherzusagen, was bei einer Rückkehr aller Länder, welche den Euro eingeführt haben, zu den jeweiligen Landeswährungen in allen betroffenen Bereichen passieren würde.

Diese Buch beinhaltet eine hochkomplizierte und brisante Materie. Ich finde es verwerflich, wenn man damit womöglich deshalb so leichtfertig umgeht, um …….

Die untröstliche Feststellung noch zum Schluss: “Den Wandel dürfen wir nicht von der Politik erwarten. (…) Der Wandel muss von uns selbst ausgehen.”

Ein toller Satz. Ich bezweifle sehr stark, dass dazu eine Antwort im Buch enthalten ist. Oder täusche ich mich?

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