Eigentlich hat U. S. Levin Zeitungen und Zeitschriften in den vergangenen Jahren immer nur den Stoff geliefert, den sie haben wollten: Satirisches für ganz einfache Leute, nicht zu abgehoben, frisch aus ihrer eigenen Welt, in der man nun einmal verheirat ist, Auto hat, Häuschen hat, Fernseher besitzt und die größte Angst hat, beim Seitensprung erwischt zu werden.

Das hat er seither dann auch ab und zu gesammelt in verschiedenen Verlagen veröffentlicht, die Bände sind zumeist vergriffen, so dass der Markkleeberger ganz froh ist, dass er beim Mitteldeutschen Verlag andocken konnte und jetzt auch einen Band mit seinen besten Geschichten aus den früheren Bänden vorlegen konnte. Ein Band, der seltsam aus der Zeit gefallen scheint, es aber nicht ist. Denn natürlich leben Leute so – in Markkleeberg genauso wie in Leipzig. Sie verhalten sich auch so, verzetteln sich in seltsamen Ehekriegen, die an die Fernsehkomödien der 1960er, 1970er Jahre erinnern, machen Hauslatschen zu Geschenkedramen und stehen mit ihren Nachbarn in einem verbissenen Wettbewerb um das teuerere Auto.

Wenn man in dieser Welt nicht lebt – zum Beispiel weil man als Jugendlicher aber ganz eilig ausgezogen ist – kommt sie einem recht seltsam vor. Wenn man’s dann gebündelt liest, erst recht, auch wenn Autor und Ich-Figur nicht unbedingt deckungsgleich sein müssen. Aber Levin trifft mit seinen Satiren ein ganzes Milieu. Und nimmt es mit herrlicher Selbstironie von innen her auf die Schippe, zeichnet mit Mutterwitz die Freuden und Leiden als Herr im Haus, dessen Machtposition permanent gefährdet ist. Denn die Verfügung über das Familienauto gerät schon in dem Moment in Gefahr, in dem die Angetraute den Führerschein erwirbt und den bisherigen Herrn im Auto auf den Beifahrersitz verfrachtet.

Aber auch wenn es um Schuhekauf, Reparaturen in der Wohnung, vergessene Hochzeitstage geht, merkt der Held der Geschichten schnell, wie prekär seine Stellung eigentlich ist. Nicht nur mit Liebesentzug wird er bedroht. Tatsächlich sind seine Geschichten kleine, launige Analysen einer Lebensform, für die man schon richtig hartgesotten sein muss, um sie überhaupt auszuhalten. Die Ehe in dieser Form ist ein andauerndes Ringen um Macht. Es wird erpresst, genötigt, gedroht. Am allerliebsten mit Scheidung. Wer hält das aus? Der Held der Geschichte zumindest damit, dass er sich ein extremes Kurzzeitgedächtnis zulegt und lieber gar nicht mehr hinhört, wenn ihm seine Angetraute die Leviten liest. Möglich, dass sich viele Zeitungsleser hier ertappt, verstanden und porträtiert gefunden haben. Möglich auch, dass sie diese Geschichte zur Gaudi der ganzen Familie vorgelesen haben.

Aber so mancher heftige Seitenstreich auf das andere Geschlecht (der sehr burschikos daherkommt), wirkt so beim neuen Lesen der Geschichten doch etwas anders. Vielleicht macht es der zeitliche Abstand. Denn als die Bücher erstmals erschienen, war das auch in einer Zeit, als sich der “Ossi” selbst noch gern auf die Schippe nahm für seine zum Teil provinziellen Eigenheiten. Später hat sich ja bekanntlich wenigstens einer gewehrt, lautstark und pöbelnd.

Aber die Geschichten jetzt alle wieder zu lesen, wirkt ein bisschen so wie eine Wiederbegegnung mit “Go, Trabi, go”: Der Stoff entpuppt sich nicht als spezieller ostdeutscher Stoff, sondern als ein alter, einer, der einfach nicht mehr in die Zeit passen will. Und dennoch passt, weil es immer noch viele Menschen geben muss, die sich so einrichten im Leben – und sich dann heftig darüber wundern, dass aus einer schönen Beziehung eine Ehe-Tragödie wird. Da ist der Ernährer im Haus, der sich getrieben sieht, das Geld heranzuschaffen, und seinen Stand in der Partnerschaft nur dadurch zu behaupten weiß, dass er die Verfügungsgewalt über das Auto hat. In seinen Freunden findet er Gleichgesinnte – auch wenn er bald merken muss, dass die in genauso heillosen Ehen feststecken und ihre Ausflucht lieber in Seitensprüngen suchen – genauso wie der vom Schicksal getriebene Held der Geschichte, der auf die neue, atemberaubende Nachbarin fliegt und zum Sklaven wird, wenn sie nur mit ein bisschen Lust lockt.

Da und dort lässt der so geschundene (Ehe-)Mann dann doch mal den starken Bürger rausgucken und zeigt, was er kann, wenn er einmal losgelassen: bei der Parkplatzsuche oder beim Niederschimpfen einer Politesse. Letzteres mit beigefügtem Kostenzettel. Aber auch das ist eine Geschichte über Ohnmacht. Genauso wie die fast frivole Geschichte mit dem Titel “Scheidungsrichter küsst man nicht”. In “Schuld war der Computer” wird das Drama der modernen Ehe im Grunde auf den Punkt gebracht, denn wenn schon Zeitungsbeiträge, die davon erzählen, dass zwei Drittel aller Ehemänner fremdgehen, in einer Partnerschaft, zur Katastrophe werden, dann stimmt was nicht. Nicht an der Partnerschaft, auch wenn es augenscheinlich viele Menschen gibt, die nur in Kategorien von Hop oder topp, ganz oder gar nicht denken können und damit Zustände erst als ausweglos erscheinen lassen. Oder um die berühmteste Ehefrau des Landes zu zitieren: “Alternativlos.”

Wenn so ein Denken auch über das eigene Leben und Lieben das Dasein bestimmt, dann kann man nur ahnen, wie sich das in beständiger Frustration Bahn bricht und das im eigenen Leben erfahrene Manko als Panik an die gesellschaftliche Überfläche treibt.

Möglich, dass es Leute gibt, die das aushalten und sich schief und krumm lachen, wenn sie all diese Abenteuer, Unfälle und Niederlagen hören oder lesen. Viele werden aber die lustigen Geschichten aus dem Eheleben am Ende zuschlagen mit dem Gedanken, dass sie das wohl doch lieber nicht erleben möchten. Wissend, dass nebenan wohl doch genau diese Szenen ablaufen, die Levin so genau beschrieben hat. Szenen zum Schreien und Weglaufen.

Obwohl: Schreien darf man auch unterwegs. Es gibt genug Stellen, an denen es richtig weh tut.

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