Das mit der 100 im Titel ist ernst gemeint. Die Sozial- und Spielpädagogin Gabriele Meisner schreibt tatsächlich für alle Generationen und hat sich auch Spiele für Menschen jenseits der Kindheit ausgedacht. Und sie hört auch nicht bei 99 auf, wo die meisten Spiele ja bekanntlich ihren Schnitt machen. Eltern freilich werden sich eher über die ersten 55 Seiten im Buch freuen.

Denn hier gibt es die Anregungen, wie man Kindergeburtstage bis zur Nr. 10 unter ein großes Thema stellen und dann richtig durchplanen kann. Denn bekanntlich neigen solche Kinderfeste ja dazu, gewaltig aus dem Ruder zu laufen, wenn die Knirpse nicht ständig animiert werden, aufregende Sachen zu machen. Es wird sich gelangweilt, gestritten, bekleckert, gelärmt. Kennt man alles. Da hilft eine pfiffige Idee, die nicht nur den Geburtstag des Lieblingskindes zum Abenteuer macht (Gruselparty, Urwald-Fete, Bärchenparty …), sondern auch dafür sorgt, dass die Kleinen wirklich das Gefühl haben, was richtig Dolles erlebt zu haben.

Das geht ja nicht nur Kindern so, dass sie eigentlich immer jemanden brauchen, der eine Sache so organisiert, dass man die ganze Zeit beschäftigt ist und trotzdem seinen Spaß hat. Das geht auch Erwachsenen so, erst recht, wenn sie sich immer nur zu den Geburtstagen oder Jubiläen treffen und dann erst merken, dass sie sich zwischendurch regelrecht fremd geworden sind und vor allem im Arbeitsalltag steif geworden sind wie Pappkameraden. Wie taut man da wieder auf? Wie werden die Leute locker, erst recht, wenn sie merken, dass neue Lebens(abschnitts)gefährten mit am Tisch sitzen?

Dazu gibt es schon ein ganzes Repertoire von Spielchen und Übungen, die Gabriele Meisner hübsch über alle Jahrgänge verteilt. Je älter die Geburtstagskinder werden, umso mehr dominieren Erinnerungs- und Retro-Spiele. Das ist dann ein bisschen wie im Fernsehen, das ja in Deutschland bekanntlich auch für Leute gemacht wird, die in der Wirtschaftswunderzeit groß geworden sind und am liebsten die „Capri-Fischer“ hören.

Das ist jetzt ein bisschen zugespitzt, aber spätestens, wenn es in die 20er- und die 30er-Partys geht, merkt man, wie fremd einem nicht nur andere Leute, sondern auch ihre Partys geworden sind. Gut möglich, dass sich viele Leute freuen werden, dass sie in diesem Buch Tipps finden, wie sie ihre Geburtstagsparty endlich retten können. Denn tatsächlich spricht die Autorin ja etwas an, was vielen Menschen verloren gegangen zu scheint: Phantasie zu entwickeln und Feste zu organisieren, die für alle Eingeladenen stimmig sind, trotzdem die besondere Note haben und zum eigenen Lebensalter passen.

Das richtige Lebensalter gibt es sowieso nicht mehr. Ein kleiner Nebeneffekt unserer Zeit: Selbst Gleichaltrige befinden sich meist in völlig unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Was ganz bestimmt auch die 20-Jährigen schon merken. Manche ihrer Altersgenossen sind schon fix und fertig, verbissen und so ausgebacken, dass man sich gar nicht vorstellen mag, wie die mit 40 oder 50 sind. Und andere bewahren sich ihre Verspieltheit, sind regelrecht kindisch und närrisch, als wollten sie nie erwachsen werden.

Und irgendwie scheint sich das mit steigendem Lebensalter nicht zu verwachsen, sondern immer schlimmer zu werden. Immer befremdlicher.

Das muss in diesem Fall nichts ganz und gar Schlimmes sein, denn Gabriele Meisner hat hier augenscheinlich jene Menschen im Blick, die sich das Kind in sich bewahrt haben und zu Geburtstagen auch mit der Einstellung gehen, dass man an so einem Tag wirklich mal wieder ausgelassen und närrisch sein darf – samt Rate- und Maskenspiel. Mal wieder raus aus dem strengen Erwachsenendasein und rein in die Rolle des fröhlichen Mitspielers in diversen Lebens-Rate-und-Veralberungs-Spielen. So mancher wird hier Anregungen finden, das Fest zumindest mit einigen Bausteinen zu versehen, die helfen, die Fremdheit aufzulösen und die Stimmung in den helleren Bereich zu bekommen.

Erstaunlicherweise lässt die Spielmeisterin dann bei den Erwachsenen die Idee der Motto-Feste fallen und lässt schon die 40-Jährigen beginnen, in Erinnerungen zu schwelgen. Klar. Kennt man alles. Es gibt Tage, da schwelgen sämtliche Medien im Vergangenheitsrausch: „Früher!“

Das ist der Teil des Buches, an dem man so als Zeitgenosse einfach aussteigt und für sich bestätigt sieht: Es leben tatsächlich andere Menschen auch in anderen Zeiten. Da wird ein Geburtstagsbesuch dort wie die Landung auf einem fremden Planeten. Aber man kommt natürlich auch auf Ideen. Denn langweilig und immer gleichgeartet müssen ja solche Feste nicht sein. Diese hier eignen sich gut für Leute, die erst mal wieder im Schnellkurs lernen müssen, wie das geht, aus der steifen Haut zu kommen.

Aber so beiläufig ist es natürlich auch ein Plädoyer dafür, sich für seine eigenen Feste doch wieder ein bisschen Mühe zu geben und auch mal was auszuprobieren, zum Beispiel die Fete doch mal mit Phantasie aufzuziehen, Themen zu setzen (es muss ja kein Schlagertreffen der 1950er Jahre sein) und die Feier so zu gestalten, dass sie nicht wieder irgendwas wird, sondern ein Ereignis, mit dem sich alle wohl fühlen, an das sich alle gern erinnern und das wieder zum Nachahmen anregt. Aber das braucht dann freilich die eigene Gestaltungslust. Wenn man erst mal Memory-Kärtchen braucht, um sich ans eigene Leben zu erinnern, ist es dafür wahrscheinlich zu spät.

Gabriele Meisner Zum Spielen ist man nie zu alt, St. Benno Verlag, Leipzig 2016, 16,95 Euro.

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