Da hat er nun gerade seinen 70. Geburtstag gefeiert am 14. Juni, und schon zeigen sich die ersten Risse in der Fassade des Donald Trump, bislang Sieger in den Vorwahlen der Republikaner. Aber es sieht ganz so aus, als würde den Egomanen nun auch im Wahlkampf einholen, was sein ganzes Leben ausgemacht hat: Ein Großteil von dem, was er behauptet, ist Übertreibung und heiße Luft. Michael D’Antonio hat den Mann unter die Lupe genommen.

D’Antonio ist Pulitzer-Preisträger und hat – wie der Verlag verrät – schon mehrere Bücher geschrieben, die von der amerikanischen Presse zum „besten Buch des Jahres gekürt wurden“. Aber davon hat bislang augenscheinlich keins so richtig den Weg in deutsche Buchhandlungen gefunden. Mit dem hier ist es jetzt anders. Natürlich weil es um Trump geht, den Mann, der die Vorwahlen der Republikaner mit Großmäuligkeit und Rücksichtslosigkeit aufgerollt hat und selbst gestandene Hardliner der Konservativen hat blass aussehen lassen. Er beherrscht den öffentlichen Auftritt. Da fühlt er sich wie der Fisch im Wasser. Und sein großes Plus war: Er musste auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen. Er bekleidet kein politisches Amt, braucht die Unterstützung der Partei nicht, muss auch keine Flügel vereinen und den Spagat zwischen Radikalen, gemäßigten Konservativen und Liberalen hinkriegen.

Natürlich erzählt D’Antonios Buch, warum dieser Mann so einen Erfolg hat. Und so modern wirkt, obwohl er gleichzeitig wie ein Wiedergänger einer längst vergangenen Zeit wirkt. Dabei hat D’Antonio keine Berührungsängste gezeigt, sondern sich in die Höhle des Löwen, in Trumps Büro im Trump-Tower in New York gewagt und mit dem Mann eine ganze Serie von Interviews verabredet. Gut die Hälfte haben sie geschafft, dann lud Trump den Journalisten erzürnt aus, weil der mit einem „falschen“ Interviewpartner geredet hatte. Da merkte dann auch D’Antonio, wie Trump die Welt sieht: Die Guten sind all jene, die ihn bewundern, ihm zustimmen und sein Lied singen. Wer es sich aber verscherzt mit dem New Yorker Immobilien-Mogul und Selbstdarsteller, dem entzieht er nicht nur Freundschaft und Vertrauen, der muss mit heftigen Beleidigungen und womöglich auch dem Weg vor Gericht rechnen.

In dutzenden Prozessen zitierte Trump all jene vor Gericht, von denen er glaubt, dass sie ihn beleidigt haben oder seinen Ruf geschädigt haben – zum Beispiel, indem sie bezweifelten, dass er tatsächlich so stinkreich ist, wie er immer gern behauptet. Dabei steht Trump für einen Typus, der bis in die 1970er Jahre nur denkbar war als Filmgestalt in einer Satire auf das große Geld. Bis in die Carter-Zeit war es auch für die Millionäre in den USA nicht üblich, mit ihrem Reichtum zu protzen und es der Öffentlichkeit gar via TV unter die Nase zu reiben, wie viel Geld sie haben, was für protzigen Kram sie sich dafür kaufen und vor allem, wie eitel sie sind. Auf das Thema kommt D’Antonio immer wieder zu sprechen. Nicht nur Journalisten, auch Psychologen rätseln, warum dieser Mann derart viel Aufmerksamkeit bekommt für eine Haltung, die eigentlich aus sozialer Perspektive krankhaft ist. Trumps Spiel mit der Presse, sein Buhlen um Aufmerksamkeit, sein fast plumpes Unterfangen, auf alle Gebäude und Produkte, die er besitzt (manchmal besitzt er auch nur einen kleinen Teil davon), seinen Namen zu setzen, gern in fetten goldenen Lettern, zeigt einen Mann, der mit aller Macht im Fokus der Aufmerksamkeit stehen will. Unübersehbar ist er ein Narzisst, der es nicht nur genießt, im Rampenlicht zu stehen, sondern der sich auch hineindrängelt, wenn ihn keiner eingeladen hat.

Aber woher kommt das? Hatte der Mann nur die falsche Erziehung? Ist irgendetwas in seiner Kindheit falsch gelaufen? Er spricht auch zu D’Antonio mehrfach darüber, dass er mit seinem Verhalten die Lehre aus Erfahrungen in seinem Leben gezogen habe. Doch konkret wird das nie. Er redet und erklärt, kommt vom Hundertsten ins Tausendste. Frei von der Leber weg. Das kommt einem, je länger man liest, immer vertrauter vor, weil solche Typen mittlerweile auch in Deutschland und Europa Furore machen – nicht unbedingt mit soviel Geld in den Fingern, aber mit derselben Unverfrorenheit, die über Tatsachen und Fakten einfach hinwegwalzen, Zusammenhänge verdrehen und für Alles und Jedes eine einfache Erklärung und eine noch einfachere Lösung parat haben.

Nicht ganz zu Unrecht stellt D’Antonio am Ende fest, dass sich im Narzissmuss des Donald Trump der Narzissmus unserer heutigen Gesellschaft spiegelt.

Was natürlich auf eine Diagnose führt, die Neil Postman schon 1985 in seinem Buch „Amusing Ourselves to Death“ („Wir amüsieren uns zu Tode“) publik gemacht hat. Denn nichts wird von den modernen Medien so forciert, wie der Narzissmus einer Gesellschaft, in der nichts so erstrebenswert ist, als im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Dass das augenscheinlich mit einem Fehlen echter Aufmerksamkeit und Geborgenheit zu tun hat, das hat zum Beispiel der Hallenser Psychiater Hans-Joachim Maaz mehrfach in seinen Büchern beschrieben – 2012 zum Beispiel in „Die narzisstische Gesellschaft: Ein Psychogramm“. Den zitiert D’Antonio natürlich nicht. Aber das Phänomen ist natürlich dasselbe. Und es nimmt seine Anfänge nicht ganz zufällig in der Zeit des aufkommenden Privatfernsehens. Und es feierte seine ersten Triumphe auch nicht zufällig in der Hochzeit der Pop-Kultur und der Reagan-Ära. Es ist genau die Zeit, in der Donald Trump begann, berühmt zu werden und eine zutiefst narzisstische Beziehung zu den Medien aufbaute. Einerseits natürlich im Wissen darum, dass die Dauerpräsenz in Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehen seinen Namen bekannter machte und deshalb irgendwie auch gut fürs Geschäft war. Andererseits war es auch die Zeit, in der sich Medien (nicht nur in den USA) drastisch veränderten.

Denn mit der Privatisierung insbesondere des Fernsehens wuchs der Bedarf an unterhaltsamen Storys für ein breites Publikum, das vor allem eines wollte: rund um die Uhr (gut) unterhalten werden. Nichts anderes steckt hinter der Jagd nach Quoten. Und wer auch nur einigermaßen aufmerksam war in den letzten drei Jahrzehnten, der hat gemerkt, wie diese Quotenhatz dazu geführt hat, dass auch einst seriöse Medien immer mehr ihr Anspruchslevel gesenkt haben und immer mehr Geschichten aus dem Boulevard produziert haben. Und Donald Trump war einer der wenigen Reichen in den USA, die diesen Hunger der Medien nach Geschichten der Prominenz von Anfang an bedient haben.

Was natürlich einen seltsamen Effekt ergibt, der dem Bewohner des heutigen Sachsen verdächtig vertraut ist: Er spielt so virtuos mit dem Hunger der Klatschpresse nach sensationellen Geschichten wie kein anderer. Aber wenn Journalisten anfangen, etwas kritischere Fragen zu stellen, flippt er aus. Dann hat er den Sermon von der „Lügenpresse“ genauso drauf wie seine politischen Geschwister in Deutschland.

Denn das sind sie: Politiker, die überhaupt kein Interesse an der Lösung oder auch nur der Wahrnehmung gesellschaftlicher Probleme haben. Sie bedienen ein von den Boulevard-Medien erzogenes Publikum mit einer Politik als Unterhaltung. Was auch immer heißt: Als eine Dauerbestätigung der Ressentiments ihrer Wählergruppe.

Aber wohin kann das führen? Mehr dazu in Teil 2 der Buchbesprechung hier auf L-IZ.de.

Michael D’Antonio Die Wahrheit über Donald Trump, Econ Verlag, Berlin, 2016, 24 Euro.

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