Die Gottschallstraße durchschneidet in Eutritzsch den Bretschneider-Park in zwei Teile. Hohe Bordsteine sorgen zusätzlich dafür, dass das Passieren von einem Teil in den anderen eher unbequem ist. Warum diesen Zustand nicht ändern, fragten sich die Grünen und stellten im August einen Antrag, die Gottschallstraße in diesem Bereich einzuziehen. Sie konnten sich dabei auf einen Vorschlag aus dem Beteiligungsprozess "Mach's leiser" beziehen. Aber wie das so ist: Es gibt auch immer Bürger, die das alles anders sehen.

Die riefen dann freilich nicht bei den Grünen an, sondern bei der CDU-Fraktion. Die dann einen eigenen Beschlussvorschlag formulierte: “Die Stadtverwaltung leitet ein ergebnisoffenes Bürgerbeteiligungsverfahren zum Vorhaben Umgestaltung und Einziehung der Gottschallstraße im Bretschneiderpark ein, in dessen Ergebnis eine möglichst konsensfähige Entscheidung gefällt wird.”

Denn während Parkbesuche dieses Straßenstück tatsächlich nicht brauchen, halten es Autobesitzer für zwingend notwendig. Und so lautet die Begründung der CDU-Fraktion:

“In der Tat ist der Vorschlag zur Einziehung und Umgestaltung der Gottschallstraße im Bereich des Bretschneiderparks ein Ergebnis des Bürgerbeteiligungsprojektes ‘Mach’s leiser’. Wie groß die Unterstützung für diese Idee, insbesondere unter den Anwohnern, tatsächlich ist, lässt sich derzeit nicht feststellen. Von Anwohnern wurden wir darauf hingewiesen, dass zum einen diese Straße als direkte Zufahrt zur Adam-Friedrich-Oeser-Schule aus westlicher Richtung dient und dass sie vor allem in großem Maße für den ruhenden Verkehr genutzt wird. Ein bloßes Abpollern ohne flankierende Maßnahmen würde den Parkplatzdruck im westlich an den Park angrenzenden Wohnviertel deutlich erhöhen.”

Tatsächlich sieht man bei einem Parkbesuch gerade das beantragte Teilstück zwar als Parkplatz genutzt – aber vor allem im westlichen Teil. Auch Pkw-Besitzer parken lieber so nah wie möglich von ihrer Wohnung. Der Ostteil des Straßenabschnitts wird kaum einmal zum Parken genutzt. Insofern hat die CDU-Fraktion zumindest in Teilen recht: “Objekt(iv) betrachtet stehen sich sehr unterschiedliche Interessenlagen in der Bürgerschaft gegenüber.”

Man braucht also eine komplexere Lösung, wenn man das Parkplatzproblem (auch in Eutritzsch und Gohlis-Mitte steigt der Pkw-Bestand jedes Jahr) nicht einfach in andere Straßen verlagern will. Die CDU-Fraktion versucht die Ansprüche verschiedener Nutzergruppen so zu definieren:

-Anwohner mit Stellplatzbedarf im öffentlichen Raum
-Anwohner ohne solchen Stellplatzbedarf
-Grundschüler bzw. deren Eltern, die diesen Straßenabschnitt als Schulweg per Pkw nutzen
-Grundschüler, die diesen Straßenabschnitt zu Fuß oder per Fahrrad nutzen
-Nutzer des Parks aus dem weiteren Umfeld
-das Geyserhaus als Betreiber der Parkbühne.
Ihr Fazit: “Vor diesem Hintergrund ist das Vorhaben der klassische Fall für eine ausgewogene und ergebnisoffene Bürgerbeteiligung, in der Folgen, Chancen und Risiken benannt und die unterschiedlichen Interessenlagen miteinander abgewogen werden, bevor eine endgültige Entscheidung fällt. Ein solches Beteiligungsverfahren wollen wir mit diesem Änderungsvorschlag auf den Weg bringen, ohne das Ergebnis schon jetzt vorweg zu nehmen.”

Das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport hat den Antrag der CDU-Fraktion nun aufgegriffen und präsentiert jetzt einen eigenen Alternativvorschlag zum Grünen-Vorschlag: “Die Stadtverwaltung leitet ein Bürgerbeteiligungsverfahren zum Vorhaben Umgestaltung und Einziehung der Gottschallstraße im Arthur-Bretschneider-Park ein, in dessen Ergebnis dem Stadtrat ein Entscheidungsvorschlag unterbreitet wird.”

Was dann eher dem CDU-Antrag entspricht, aber den Vorschlag von 2012 nun tatsächlich auf die politische Entscheidungsebene hebt: “Im Ergebnis der 2012 vom Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. durchgeführten Bürgerbeteiligung zum Modellprojekt ‘Mach’s Leiser’, wurde die Umgestaltung des Straßenabschnittes der Gottschallstraße zwischen den Parkteilen des Bretschneiderparkes als wichtige Maßnahme im Gebiet dokumentiert. Als konkrete Umsetzungsschritte wurden die Herausnahme des Kfz-Verkehrs aus dem Straßenabschnitt, die Abpollerung und Umgestaltung zu einer Spielfläche als Teil des Parkes aufgelistet. In dem am 17.09.2013 bestätigten Lärmaktionsplan der Stadt Leipzig wurde die Maßnahme als Prüfauftrag in der Kategorie Schutz ruhiger Gebiete aufgenommen (RG 15).”

Womit dann auch wieder Aspekte auftauchen, die der CDU-Vorschlag nicht enthielt. Denn der Bretschneider-Park gehört eben auch zu den wichtigen Ruheinseln in einer sonst sehr stark lärmbelasteten Stadt. Was auch die Wohngebiete am Bretschneider-Park deutlich aufwertet. Für den Verkehr selbst wird dieses Stück Gottschallstraße nicht gebraucht.

Das Umweltdezernat dazu: “Aus verkehrlicher Sicht ist dies nach Auffassung der Stadtverwaltung möglich, allerdings gibt es eine ebenfalls aus der Bürgerschaft kommende Petition, die den Erhalt des gegenwärtigen Zustandes an dieser Stelle fordert. – Die Stadtverwaltung empfiehlt daher, ein Bürgerbeteiligungsverfahren – entsprechend dem Vorschlag des ÄA 1 (der Änderungsantrag der CDU, d.Red.) – durchzuführen, um das beiderseitige Engagement und die unterschiedlichen Vorstellungen aus den bürgerschaftlichen Initiativen auf- und diese mitzunehmen, allen Beteiligten eine Chance zur vertieften Diskussion der Optionen zu eröffnen und letztlich die Akzeptanz einer nachfolgend zu treffenden Entscheidung zu erhöhen. Das Bürgerbeteiligungsverfahren würde gemeinsam von den Dezernaten VI und III, unter Mitwirkung der Ämter VTA, AfU und ASG, durchgeführt. Das SPA berät in Fragen der Verfahrensorganisation und -durchführung.”

Dass der Änderungsantrag der CDU auch einen Grundkonflikt aufgemacht hat, dessen ist man sich im Umweltdezernat durchaus bewusst und sieht sogar die Möglichkeit, dass man in einem Bürgerbeteiligungsverfahren keinen Konsens findet: “Die Abweichungen in der Formulierung des Beschlussvorschlags der Verwaltung gegenüber dem Vorschlag des ÄA1 begründen sich darin, dass es letztlich eine Entscheidung des Stadtrates sein wird, mit welcher Lösung die Stadtverwaltung beauftragt wird. Dies kann ggf. keine Konsenslösung sein, da hier zwei diametral entgegenstehende Wünsche geäußert wurden. Insofern sollte nach Auffassung der Verwaltung bereits im Beschlusstext deutlich werden, dass am Ende eine Entscheidung des Stadtrates steht – die er in die eine oder andere Richtung auch fällen muss, wenn sich keine von allen Bürgern getragene Lösung erreichen lässt.”

Da gibt es dann also zwei Möglichkeiten: Ein qualitativ wirklich gutes Bürgerbeteiligungsverfahren, bei dem auch kluge Lösungen zu einem möglichen Konsens gefunden werden. Oder am Ende ein Showdown im Stadtrat, in dem dann die Stadtratsmehrheit entscheidet, ob der Straßenabschnitt entwidmet wird oder alles so bleibt, wie es war und ist.

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