Das Problem des frühen 21. Jahrhunderts ist nicht, dass die Menschen nicht wissen können, was sie tun. Auch die Informationsfluten sind keine Ausrede, denn wer wirklich wissenschaftliche Fragen stellt, weiß, was Fakten sind. Und in Mitteldeutschland ist mit dem iDiV ein Forschungsschwerpunkt entstanden, an dem für ein wichtiges Themenfeld die richtigen Antworten gesucht werden. Auch mit Computermodellen, wie Ulrich Brose es vormacht.

Worum die Politiker aus aller Welt seit Jahren ringen, Lösungen für den Umgang mit dem weltweiten Klimawandel zu finden, ist Forschungsthema von Prof. Dr. Ulrich Brose von der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU): Der 45-Jährige untersucht die Folgen des Klimawandels für globale Ökosysteme und wechselte dazu jüngst von der Uni Göttingen an die FSU. Sein Lehrstuhl “Theorie der Biodiversitätswissenschaften” ist im Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiV) der drei mitteldeutschen Universitäten Leipzig, Halle-Wittenberg und Jena angesiedelt.

Ulrich Brose hat in Frankfurt und Hamburg Biologie studiert und wechselte für seine Doktorarbeit an die Uni Potsdam, wo er 2001 promoviert wurde. Ein Leopoldina-Stipendium ermöglichte ihm anschließend einen dreijährigen Forschungsaufenthalt an der San Francisco State University. 2004 kehrte er nach Deutschland zurück und leitete bis 2009 eine Emmy-Noether-Gruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu komplexen ökologischen Netzwerken an der Uni Darmstadt, wo er sich 2008 auch habilitierte. Gefördert mit einem Heisenberg-Stipendium der DFG wechselte Brose 2010 an die Uni Göttingen, bevor er nun dem Ruf an die FSU folgte.

Er weiß, dass Klimawandel eben nicht nur heißt: Heizung an, überall wird’s wärmer und es wird jede Menge Biomasse produziert. Wer so denkt, der macht es sich zu leicht.

Ulrich Brose entwickelt Computermodelle, mit denen sich untersuchen lässt, wie sich veränderte Umweltbedingungen oder menschliche Landnutzung auf die Artenvielfalt und die Funktionen von Ökosystemen auswirken. “Was passiert beispielsweise in komplexen Nahrungsnetzen, wenn sich die Durchschnittstemperatur weiterhin deutlich erhöht?”, nennt der Biologe eine aktuelle Fragestellung.

Höhere Temperaturen beschleunigen auch Zerfallsprozesse

“Bislang ging man immer davon aus, dass höhere Temperaturen die Geschwindigkeit von Wachstumsprozessen in Ökosystemen deutlich erhöhen”, erläutert Brose. “Das müsste zur Folge haben, dass mehr Biomasse produziert wird, die die Nahrungsgrundlage für viele andere Organismen bildet.”

Mehr Wärme also gleich mehr Nahrung für alle?

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Ergebnisse mahnen zu mehr Bedachtsamkeit. – Wie Brose und sein Team anhand von mathematischen Modellen und Simulationen zeigen konnten, führen deutlich steigende Temperaturen eher in eine Hungersnot: Denn nicht nur das Wachstum von Pflanzen wird durch höhere Temperaturen angekurbelt. Auch Respirations- und Abbauprozesse verstärken sich und machen das zusätzliche Wachstum mehr als wett, sagt der Biologe.

In seiner Forschungsarbeit bleibt Ulrich Brose jedoch nicht allein in der Theorie. Immer wieder überprüft er seine theoretischen Analysen und Vorhersagen zum Zusammenspiel von Artenvielfalt, Umweltbedingungen und Ökosystemfunktionen auch in Experimenten. “Jede Theorie muss auf gesicherten, experimentellen Daten basieren und jedes Experiment theoretisch fundiert sein”, so seine Devise.

Der Umgang mit landwirtschaftlichen Flächen muss sich ändern – aber wie?

Neben dem Einfluss von Umweltfaktoren auf die Stabilität und Funktionalität ökologischer Netzwerke möchte er in seiner Forschungsarbeit unter anderem herausfinden, wie die Landnutzung verändert werden kann, um die Biodiversität und Funktionalität natürlicher Ökosysteme langfristig zu erhalten. Mit seinem Forschungsumfeld fühlt sich der gebürtige Frankfurter am iDiV pudelwohl.

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