Die heutigen ökologischen Systeme sind sensibel, höchst sensibel, denn sie sind an ein sehr schmales Fenster von klimatischen Bedingungen angepasst. Wenn sich das Klima verändert, reagieren Lebewesen darauf höchst unterschiedlich. Und die meisten sind nicht schnell genug, zu reagieren, wie nun eine Studie zu Hummeln bestätigt, an der auch wieder Forscher des in Leipzig ansässigen Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) beteiligt waren.

Wenn sich Klimazonen verschieben, verschieben sich auch Lebensräume. Aber für die Hummel geht das augenscheinlich viel zu schnell. So ein Tempo der Klimaveränderung ist auch für jüngere Klimaperioden ungewöhnlich.

Die Forscher können das nur registrieren. Dabei beobachten sie unterschiedliche Tier- und Pflanzenarten, wie sie sich an die Veränderungen anpassen. Aber manche sind nicht so schnell in der Anpassung. Und so verringert der Klimawandel auch die Lebensräume von Hummeln, die zu den wichtigsten Bestäubern gehören.

Das schlussfolgert ein internationales Forscherteam nach der Auswertung von Langzeitdaten aus Europa und Nordamerika. Die Südgrenze der Verbreitung der meisten Hummelarten habe sich auf beiden Kontinenten innerhalb eines Jahrhunderts bis zu 300 Kilometer nach Norden verschoben, sich also gerade in den subtropischen Breiten deutlich verringert. Doch was die Hummeln im Süden verlieren, gewinnen sie im Norden nicht dazu – die Nordgrenze hat sich nicht verschoben, schreibt das Forscherteam in der aktuellen Ausgabe des Fachblattes “Science”.

Forschungsdaten seit 1901 ausgewertet

Eigenen Angaben zufolge wurden die Auswirkungen des Klimawandels auf die Verbreitungsgrenzen bisher noch nie in diesem Umfang auf zwei Kontinenten untersucht. An der Studie, die von der Universität Ottawa in Kanada geleitet wurde, war auch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) maßgeblich beteiligt.

Einen weiteren Beleg, dass der Klimawandel zu einer deutlichen Verschiebung der Lebensräume führt und Lebensgemeinschaften aus verschiedenen Tiergruppen auseinander reißen kann, liefert jetzt ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Kanada, den USA, UK, Belgien und Deutschland.

Für ihre Studie werteten sie rund 423.000 Beobachtungen von insgesamt 67 europäischen und nordamerikanischen Hummelarten aus, die seit dem Jahr 1901 gemacht wurden. Dabei wurden die Unterschiede in den nördlichen und südlichen Ausbreitungsgrenzen der einzelnen Arten, die höchste und kälteste Temperatur des Verbreitungsgebietes sowie die durchschnittliche Höhe über dem Meeresspiegel bestimmt. Anschließend verglich das Team die Daten von 1901 bis 1974 mit drei Zeiträumen in den elf Jahren danach und bestimmte die Trends der Hummelarten. Zusätzlich wurde die Wirkung von Landnutzungs-Faktoren (z.B. Pestizideinsatz) einbezogen.

Trotz deutlicher Unterschiede in der Landnutzung zwischen Nordamerika und Nordeuropa wurden hier im Binnensiedlungsraum der Hummeln keine Unterschiede im Hinblick auf die Verschiebung der Arealgrenzen beobachtet.

Hummeln wandern in die Berge hinauf – aber nicht in den Norden

Deutliche Unterschiede gab es dagegen bei der Ausbreitung der Hummeln in vertikaler Richtung. Während sie seit 1974 vor allem im südlichen Europa im Schnitt 300 Meter höher in die Gebirge gewandert sind, taten die Hummeln dies im südlichen Nordamerika nur zirka 200 Meter, was an der unterschiedlichen geografischen Ausrichtung der Gebirgsketten liegen könnte, so vermuten die Forscher.

Aber an anderer Stelle stoßen die kleinen Brummer an ihre Grenzen. Auch wenn sich der Norden Amerikas und Europas zusehends erwärmt, scheinen die Bedingungen trotzdem nicht so zu sein, dass Hummeln nun ebenfalls gen Norden wandern.

„Im Gegensatz zu anderen Tiergruppen hat es keine Veränderungen bei den nördlichen Verbreitungsgrenzen von Hummeln in Europa oder Nordamerika gegeben. Obwohl sich deren Lebensräume mit rund +2,5 Grad Celsius deutlich erwärmt haben, haben es die Hummeln nicht geschafft, mit der Erwärmung mitzuziehen”, erklärt Dr. Oliver Schweiger vom UFZ, der die Studie mit verfasst hat.

Damit werde nun klar, dass auch Hummeln nicht mit dem Tempo des Klimawandels mithalten können. Da sie zu den wichtigsten Bestäubern gehören, könnte das gravierende Auswirkungen auf den Ertrag von Agrargütern haben. Oliver Schweiger war gemeinsam mit Prof. Pierre Rasmont von der Universität Mons in Belgien für die Koordination der Datensammlung der zirka 240.000 Beobachtungen in Europa verantwortlich.

2012 war Schweiger bereits an einer Studie beteiligt, die zeigte, dass in Europa Schmetterlinge im Durchschnitt 135 Kilometer und Vögel sogar 212 Kilometer gegenüber der Temperaturerhöhung und der Verschiebung ihrer Lebensräume zurücklegen.

“Wir haben bereits rund 300 Kilometer der Verbreitungsgebiete von Hummeln im Süden Europas und Nordamerikas verloren. Umfang und Tempo dieser Verluste sind beispiellos. Wir brauchen deshalb neue Strategien, diesen Arten zu helfen, mit den Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels zurechtzukommen. Vielleicht, in dem wir sie aktiv unterstützen, in nördliche Gebiete wandern zu können”, fordert Prof. Jeremy T. Kerr von der Universität Ottawa, der die nun im Magazin Science publizierte Studie geleitet hat.

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