Sie werden dringend gebraucht: Schulsozialarbeiter an Leipzigs Schulen. Sie sind die Ansprechpartner, wenn Kinder mit ihren Konflikt- und Problembündeln nicht mehr allein zu rande komme. Seit zwei Jahren hat Leipzig das Bundesprogramm dafür genutzt. Doch das soll auslaufen, als ginge es nur mal um einen hübschen kleinen Feldversuch. Es soll weitergehen, fordert deshalb Sozialbürgermeister Thomas Fabian.

Er hat in der vergangenen Woche mit einem Schreiben die Leipziger Bundestagsabgeordneten und die Vorsitzenden der beratenden Bundestagsausschüsse um ihre Unterstützung für ein Gesetzesvorhaben zur Weiterfinanzierung von Schulsozialarbeit gebeten. Mit dem Gesetzesvorhaben sollen die seit 2011 im Rahmen der Einführung des Bildungs- und Teilhabepaketes zur Verfügung gestellten Mittel für Schulsozialarbeit entfristet werden.

“Schulsozialarbeit leistet einen ganz wichtigen Beitrag zur Förderung von Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit. Dies gilt besonders für Schulen in Stadtgebieten mit einer Häufung von sozialen Problemlagen”, erläutert Thomas Fabian. “Nur etwa 60 Prozent der durch die Bundesregierung für Bildung und Teilhabe bereitgestellten Mittel wurden bisher in Anspruch genommen. Insofern müssten Mittel beim Bund für die dauerhafte Weiterfinanzierung von Schulsozialarbeit vorhanden sein.”

Andererseits ist auch nicht wirklich verständlich, warum ein als notwendig erachtetes Projekt einfach beendet wird.

Seit 2011 werden im Zusammenhang mit der Einführung des Bildungs- und Teilhabepaketes durch den Bund deutschlandweit zusätzliche Mittel in Höhe von 400 Millionen Euro für Schulsozialarbeit bereit gestellt. Diese Finanzierung läuft allerdings zum 31. Dezember 2013 aus. Dies bedeutet für die Stadt Leipzig, dass ab kommendem Jahr die Finanzierung der Schulsozialarbeit an 16 Schulen nicht gesichert ist.

Dem Deutschen Bundestag liegt derzeit ein Antrag des Bundesrates zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Weiterfinanzierung von Schulsozialarbeit und Mittagessen in Horteinrichtungen – vor. Darin wird die Entfristung der Bundesfinanzierung für Schulsozialarbeit gefordert. Der Antrag wird auch vom Deutschen Städtetag ausdrücklich unterstützt. Dieser hat mit Beschluss vom 23. April 2013 eine Fortsetzung der erfolgreichen Förderung der Schulsozialarbeit gefordert.
Seit Mai läuten im Rathaus die Alarmglocken

Am 27. Mai stellte die Stadtverwaltung den Jugendhilfeausschuss vor vollendete Tatsachen und teilte mit, dass es keine Anschlussfinanzierung für diese über das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung geschaffenen Stellen geben wird. Ergebnislos hatte sich die Stadt beim Sächsischen Städte- und Gemeindetag und beim bundesweiten Deutschen Städte- und Gemeindebund für eine Fortführung der Finanzierung in Höhe von 1,28 Millionen Euro eingesetzt.

Linke-Stadtrat Rüdiger Ulrich damals: “Das Auslaufen von über 16 SchulsozialarbeiterInnen-Stellen ist nicht tragbar. Es kann einerseits nicht sein, dass der Bund sich aus der Finanzierung zurückzieht. Die Möglichkeit der Einrichtung dieser Stellen ist bei aller berechtigter Kritik am bürokratischen Bildungs- und Teilhabepaket, die Maßnahme, die Kommunen am zielgerichtetsten einsetzen können. Diese Maßnahme hilft den unterfinanzierten Kommunen und Kreisen bei der Bewältigung gesamtgesellschaftlicher Problemlagen. Andererseits finden wir es unverantwortlich, dass die Stadtverwaltung, und hier insbesondere das Finanzdezernat, diese wichtige Leistung finanziell nicht abfedern will, die Verantwortung einseitig an die Politik zurückgibt und fachliche Schwerpunktsetzungen missachtet.”

Erst 2012 war vom Stadtrat mit großer Mehrheit der Teilfachplan Kinder- und Jugendförderung beschlossen worden. Dieser definiert Schulsozialarbeit als einen fachlichen Schwerpunkt der Jugendhilfe und stellt den Ausbau dieser Leistung vor allem an Grundschulen in Aussicht.

“Der bestehende Jugendhilfeetat kann so schwere Einschnitte wie den Wegfall der 16 Schulsozialarbeitsstandorte nicht auffangen. Zahlreiche freie Träger verschiedenster Bereiche müssen in diesem Jahr Einschränkungen vornehmen, die zu Lasten von Kindern und Jugendlichen gehen. Auch durch den Wegfall von ESF-Mitteln ab 2014 kommen auf die kommunale Jugendhilfe immense finanzielle Belastungen zu”, so Ulrich.

Und auf den existierenden Stadtratsbeschluss verweisen nun auch die Grünen und begrüßen den neuen Vorstoß des Sozialbürgermeisters. “Der Leipziger Stadtrat hat erklärt und beschlossen, dass es eine flächendeckende Implementierung von Schulsozialarbeit an Leipzigs Grundschulen geben soll. Dieser Beschluss war eine Handlungsaufforderung an die Stadtverwaltung. Insofern ist es erfreulich, wenn sich der Bürgermeister für Jugend, Soziales und Schule gegenüber der Bundesregierung für eine dauerhafte und unbefristete Finanzierung einsetzt”, sagt Grünen-Stadtrat Michael Schmidt. “Falls dies nicht erfolgreich ist, stehen wir dafür ein, dass übergangsweise Schulsozialarbeit aus unseren kommunalen Haushaltsmitteln abgesichert wird, weil sie tatsächlich unverzichtbar ist. Ein entsprechender Antrag ‘Schulsozialarbeit’ ist im Verfahren, die Stadtverwaltung hat sich noch nicht dazu positioniert.”

“In unseren vielen Gesprächen, die wir mit Schulsozialarbeitern, Lehrern und Kindern führen, bestätigt sich unsere Haltung immer wieder aufs Neue: Schulsozialarbeit spielt für alle Beteiligten im Schulbetrieb, zuerst natürlich für Schülerinnen und Schüler, aber eben auch für die Lehrerschaft und die Eltern eine unersetzbare entlastende Rolle”, erläutert Michael Schmidt, der familienpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ist. “Zur Zeit beantworten wir über Hundert Karten von Kindern, die für ihre Schulsozialarbeiterin kämpfen. Unterschriftenlisten und viele Anschreiben an die Fraktionen, Landtags- und an Bundestagsabgeordnete machen die Bedeutung der anstehenden Entscheidung für oder gegen Schulsozialarbeit überdeutlich. Wir halten Schulsozialarbeit für unverzichtbar.”

43 Sozialarbeiter und -arbeiterinnen hätten sich mittlerweile ein Standing erarbeitet, das ihnen eine unabhängige und akzeptierte Arbeit ermöglicht. Ihr Ziel sei es, Benachteiligung auszugleichen. Dazu werden unter anderem niedrigschwellige Kontaktangebote, Einzelfallhilfe inklusive Krisenintervention und Vermittlung an spezialisierte Stellen, soziales Lernen und Verbesserung des Sozialverhaltens an der Schule und schulorientierte Gemeinwesenarbeit im Zusammenspiel mit den Partnern aus Schülerrat und Streitschlichtern genutzt. Auch Elternarbeit ist ein sehr wichtiges Element der sozialen Arbeit von Schulsozialarbeitern und -arbeiterinnen.

Schmidt: “Schulsozialarbeit ist unverzichtbar. Dies belegen auch wissenschaftliche Studien. Schulsozialarbeit sei das meist beforschte Gebiet der Jugendhilfe. Dass Schulsozialarbeit wirkt, ist demnach unstrittig. Als relativ kostengünstiges Instrument ist es überaus effizient. Tatsächlich konnte in Karlsruhe dadurch ein signifikanter Rückgang von Hilfen zur Erziehung mit der Einführung der Schulsozialarbeit belegt werden.

Auch Lehrerinnen fürchten eine Zukunft ohne Schulsozialarbeit. “In der Stundenbemessung einer Beratungslehrerin seien zwei Stunden pro Woche vorgesehen – bei 500 Schülerinnen vollkommen illusionär, wirksam helfen zu können”, resümiert Schmidt. Darüber hinaus habe Schulsozialarbeit einen ganz anderen Zugang zu einem Schüler als eine Lehrerin, die formal das Leistungsprinzip vertrete.

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