In der Montagsausgabe der Sächsischen Zeitung ("Klug, befristet, unterbezahlt", S. 18) ließ sich die sächsische Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer mit Blick auf die Situation der Beschäftigten im Mittelbau unter anderem mit der Aussage zitieren, "der Wettbewerb um Erkenntnisse und Drittmittel stachele den Leistungswillen an und beuge Verkrustungen in den Hochschulen vor". Sachsens Staatsregierung singt gern das Lied vom Wettbewerb.

Doch es ist ein seltsamer Wettbewerb, in dem die sächsische Staatsregierung eine Art Jury bildet, die geradezu eine schelmische Freude daran hat, die “Wettbewerbsbedingungen” im Land immer weiter zu verschärfen, indem sie dem Staatsgefüge immer mehr Geld entzieht. Damit füttert sie dann recht üppig diverse Fonds. Bei den Hochschulen liegt Sachsen seit Jahren schon auf dem vorletzten Platz im Ranking der Bundesländer, was die Finanzierung der Studienplätze betrifft. Forschung im großem Umfang kann im Freistaat schon lange nur noch betrieben werden, weil Hochschulen und Universitäten einen enormen Aufwand zur Einwerbung von so genannten Drittmitteln betreiben.

Und der Lehrbetrieb wird schon lange nur noch aufrecht erhalten, weil man beim Personal spart. Prekäre und zeitlich befristete Beschäftigungsverhältnisse sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Und die von Sabine von Schorlemer verordnete Streichung von 1.042 Dozentenstellen dünnt die eh schon dünne Decke der unbefristet eingestellten Professoren weiter aus.

“Ich bezweifle, dass der Leistungswillen der an den sächsischen Hochschulen unter meist prekären Bedingungen Beschäftigten einer Anstachelung bedarf”, kommentiert der wissenschafts- und hochschulpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, Prof. Dr. Gerhard Besier, die Unverfrorenheit der Ministerin. “Nicht nur im Interesse der eigenen Qualifikation, sondern auch zur Sicherung des Lehr- und Forschungsbetriebes gehen die Mittelbaubeschäftigten oft an und über ihre Grenzen, erledigen – unfreiwillig – Tätigkeiten, zu denen sie im rechtlichen Sinne nicht verpflichtet wären. Wenn Drittmittelbeschäftigte Lehraufgaben übernehmen, werden auch die Rechte von Drittmittelgebern verletzt. Würde hier ein Riegel vorgeschoben, bräche der Lehrbetrieb vielerorts völlig zusammen. Gerade der Wettbewerb um Drittmittel, der immer engagierter geführt werden muss, um die Arbeitsfähigkeit der Wissenschaftseinrichtungen zu erhalten, verursacht administrative Aufwände, die der originären Aufgabenerledigung immer häufiger im Wege stehen.”

Der “angestachelte Leistungswillen” erinnert da schon sehr an das Denken in neo-liberalen Kategorien, das die Beschäftigten als Gnadenbrotempfänger begreift, die sich schon allein für die Gnade aufopfern sollen, überhaupt noch beschäftigt zu werden. Während diese Art Denken kein Problem damit hat, die Manager in Führungspositionen mit immer höheren Bonifikationen zu belohnen, auch wenn ihr Leistungsergebnis miserabel ist, werden jene, die im täglichen Betrieb tatsächlich Leistung erbringen, eher wie Bettler behandelt, die sich “erst mal beweisen” sollen.Das ist Elite-Denken pur. Das sehr an jenen vergangenen Bundesaußenminister erinnert, der in der Bundesrepublik “spätrömische Dekadenz” ausmachte. Natürlich bei denen “da unten”, die sich “nicht genug anstrengen”. Doch all die Tausende, die an Sachsens Hochschulen mittlerweile für Peanuts arbeiten und sich von Projekt zu Projekt hangeln, die können mit der Haltung der Freifrau Ministerin nicht mehr viel anfangen.

“Nicht mangelnde Flexibilität oder fehlender Leistungswille der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bedrohen die Zukunft der sächsischen Hochschulen, sondern vor allem die im wissenschaftlichen Nachwuchs grassierende Perspektivlosigkeit, die Arbeitsüberlastung und die nicht qualifikationsgerechte Entlohnung”, spricht Gerhard Besier ihnen wohl aus dem Herzen. “Diese Missstände als Teile eines ‘Fördersystems’ zu bezeichnen, ist zynisch. Wissenschaftliche Karrierewege büßen so immer stärker an Attraktivität ein. Wenn die von der Staatsregierung nach eigener Aussage vorangetriebene ‘Erneuerung unsere Hochschulen’ weiter in konzeptlosem Stellenabbau und weitgehender Ignoranz gegenüber der Situation der Betroffenen besteht, dann besteht Grund zur Sorge im Blick auf die sächsische Wissenschaftslandschaft.”

Aber nicht nur Besier setzt diese “Erneuerung” in Gänsefüßchen. Denn was ist am Abbau regulärer Beschäftigungsverhältnisse und die Schaffung prekärer und befristeter Stellen Erneuerung? Außer dass damit die permanente Unsicherheit eingebaut wird in den Lehrbetrieb. Die Studierenden werden von Anfang an mit der Angst konfrontiert, dass Bildung und Forschung in Sachsen mit einem Federstrich abgeschafft werden können. Perspektiven und Visionen? – Fehlanzeige.

“Ich erwarte von der Staatsregierung gedankliche Flexibilität dahingehend, dass sie endlich die Schlussposition des Freistaates bei der Grundfinanzierung der Hochschulen – Platz 14 im Bundesvergleich bei den Grundmitteln pro Studierenden und Platz 15 bei den Grundmitteln je Professur – anerkennen und gegensteuern möge”, fordert Besier.

Und bekommt Schützenhilfe vom hochschulpolitischen Sprecher der Grünen im Landtag, Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, der sich von Schorlemer die neuesten Zahlen zu den Einstellungen an Sachsens Hochschulen hat geben lassen. Und unbefristete Einstellungen gehören mittlerweile zur aussterbenden Gattung. An den sächsischen Universitäten gibt es bei Einstellungen von wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeitern kaum noch unbefristete Arbeitsverträge, stellt er fest.

Durchschnittlich wurden an Sachsens Universitäten im vergangenen Jahr gerade einmal 6,5 Prozent der Neueinstellungen im wissenschaftlichen und künstlerischen Mittelbau (ohne Drittmittelstellen) unbefristet vorgenommen. Besonders auffällig ist die Situation an der TU Dresden: Von 442 Neueinstellungen in den Jahren von 2009 bis 2013 waren sage und schreibe nur 6 unbefristet (1,4 Prozent).

“Die Staatsministerin Prof. Sabine von Schorlemer trifft den Nagel auf den Kopf, wenn sie sagt, dass es bei den Neueinstellungen keine ‘auffällige Entwicklung’ gibt”, spottet Gerstenberg. “Denn genau das ist das Problem: Es fehlt ein spürbarer Fortschritt. 2009 sah die Situation an den Universitäten mit 4,5 Prozent unbefristeten Neueinstellungen nur unwesentlich düsterer aus. Dass die Staatsministerin nach fünf Jahren Amtszeit die Problematik des ausgeuferten Befristungsunwesens endlich erkannt hat, ist selbstverständlich zu begrüßen. Ob sie mit ihren Appellen an eine freiwillige Selbstverpflichtung der Hochschulen zur Eindämmung von Kurzzeitbefristungen großen Erfolg haben wird, muss bezweifelt werden. Aufgrund der viel zu niedrigen Grundfinanzierung der sächsischen Hochschulen wird auch künftig die Versuchung groß sein, selbst Daueraufgaben mit Kurzzeitmitarbeitern zu erledigen.”

Womit er dann wieder beim leidigen “Hochschulfreiheitsgesetz” ist, das die sächsische Staatsregierung den Hochschulen erst im letzten Jahr aufgezwungen hat und das im Grunde Freiheit ganz im Sinne neoliberalen Denkens ist: “Wenn ihr es schafft, mit zu wenig Geld über die Runden bekommen, streichen wir euch auch keins weiter.”

Die Kleine Anfrage von Dr. Karl-Heinz Gerstenberg mit den Zahlen aus dem Wissenschaftsministerium als PDF zum download.

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