Woher nehmen, wenn nicht stehlen? - Das fragen sich Bürgermeister und Oberbürgermeister in ganz Sachsen. Ein ganzes Land wird auf Sparflamme gefahren, selbst dringend benötigte Lehrer werden nicht eingestellt, weil der Finanzminister den Daumen drauf hat. Ein wenig sollten diese Lücke ja die Schulsozialarbeiter füllen, die für die Kinder als Ansprechpartner eingestellt wurden.

Doch die Mittel der Kommune, die 2014 erstmals vollständig die Finanzierung dieser Stellen übernommen hat, nachdem der Bund sein Programm eingestellt hat, sind begrenzt. Wovon soll man das bezahlen, wenn das Geld für Kita- und Schulbauten genauso fehlt?

Die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag hatte mit einem Antrag versucht, den Freistaat zum Handeln zu bewegen, der ja durch seine Sparpolitik bei den Lehrkräften den Bedarf erst so richtig geschaffen hat.

Doch der SPD-Antrag wurde am 12. März von CDU und FDP im Landtag abgelehnt.

“Kinder stärken – Landesprogramm Schulsozialarbeit auflegen” hieß der Antrag, der im Landtag zur Abstimmung kam. Die Sozialdemokraten verfolgten damit das Ziel, die Schulsozialarbeit flächendeckend an allen sächsischen Schulen auszubauen, um allen Schülerinnen und Schülern bessere Bildungschancen zu ermöglichen. Doch das Vorhaben scheiterte am Mittwochabend an CDU und FDP.

“Ein Landesprogramm Schulsozialarbeit wäre die notwendige Antwort auf wachsende Herausforderungen in den Schulen”, erklärt dazu der SPD-Landtagsabgeordnete Holger Mann. “Zunehmende Nachteile, vor allem von Schülern aus sozial schwachen Familien und traurige 15 Prozent der Leipziger Hauptschüler ohne Schulabschluss, erfordern dringend das Handeln des Freistaates.”

Doch diese 15 Prozent werden dann wohl wieder allerlei Parteien rund um die anstehenden Wahlkämpfe gegen die Stadt Leipzig verwenden – und nicht gegen das eigentlich verantwortliche Land und dessen Regierung, die sich so gern mit PISA-Federn schmückt, aber nicht bereit ist, den flächendeckenden Lehrermangel zu beheben.Der SPD-Abgeordnete Dirk Panter kommentiert die Abstimmung im Landtag so: “Wir sind enttäuscht und ärgerlich über die Ablehnung unseres Antrags durch die Regierungsfraktionen CDU und FDP. Mit dem Landesprogramm Schulsozialarbeit hätten wir ein hochwertiges und kontinuierliches Angebot der Kinder- und Jugendhilfe aufbauen können. Damit hätten wir allen Kindern und Jugendlichen sowie ihren Eltern in schwierigen Lebenslagen die Hilfe zuteil werden lassen können, die sie dringend bräuchten. Schwarz-Gelb lässt die sächsischen Kommunen mit dieser Aufgabe allein. Einmal mehr hat Parteiräson über Sacharbeit obsiegt.”

Lediglich 176 Schulsozialarbeiter gab es 2010 in Sachsen. Neuere Zahlen existieren bislang nicht. In Anbetracht von 300.000 Schülerinnen und Schülern im Freistaat sei das eine ungenügende Anzahl, so die beiden SPD-Politiker. Diese wenigen Schulsozialarbeiter werden zudem nicht über ein Landesprogramm, sondern im Wesentlichen über die Förderrichtlinie Jugendpauschale sowie mit in diesem Jahr auslaufenden Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert. Um zukünftig an allen sächsischen Schulen – einschließlich der Grundschulen und berufsbildenden Schulen – mindestens eine Schulsozialarbeiterstelle zu schaffen, ist aus Sicht der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag ein eigenes Landesprogramm nötig. Nur somit könnte auch abgesichert werden, dass alle Sozialarbeiter nach Tarif bezahlt werden, ihre Einstellung nicht zu Kürzungen an anderer Stelle führt und ihre Finanzierung dauerhaft festgeschrieben wird.

Dass auch die Finanzierung der Stellen aus kommunalen Haushaltstiteln zu einem Problem werden kann, belegt jetzt eine Gerichtsentscheidung des Arbeitsgerichtes Leipzig. Das stellte nun sehr deutlich fest, dass man Schularbeiter nicht mit befristeten Ein-Jahres-Verträgen abspeisen darf, sondern sie unbefristet einstellen muss.

“Die Arbeitsverträge der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter in Leipzig werden in der Regel jährlich immer wieder neu befristet, weil auch die Finanzierung der Schulsozialarbeit generell mit dem städtischen Haushalt nur von Jahr zu Jahr bestätigt bzw. geklärt wird. Eine Gerichtsentscheidung sorgt nun für Aufsehen: In Leipzig wurde im Dezember 2013 durch das Arbeitsgericht der Klage auf Entfristung des Arbeitsvertrages eines Schulsozialarbeiters an einem Beruflichen Schulzentrum Recht gegeben, bei anhängigen Verfahren der Anspruch ebenso anerkannt”, kommentiert das Annette Körner, Stadträtin der Leipziger Grünen. “Da sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schon seit Jahren für den dauerhaften Fortbestand und den Ausbau der Schulsozialarbeit in Leipzig einsetzt, haben wir vor diesem Hintergrund eine Anfrage zur Ratsversammlung am 19. März 2014 an den Oberbürgermeister gerichtet.”

Es sind alles Fragen, die sich logischerweise auch ums Geld drehen. Denn wenn die Stellen entfristet werden müssen, tauchen sie langfristig im Leipziger Haushalt auf. Auf einmal steht die Stadt dann in einer Pflicht, die eigentlich vom Land als Schulträger erfüllt werden müsste. Klammheimlich sind dann die Unterlassungen des Freistaats wieder einmal in den kommunalen Haushalt abgewandert.

Und so fragen die Grünen:

1. Wie viele Schulsozialarbeiterstellen wurden im Zuge dieses Urteils bzw. der damit einhergehenden gütlichen Einigung in der Stadt Leipzig entfristet?

2. Auf welcher konkreten Grundlage wurde die gütliche Einigung mit den anhängigen Klagen der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter geschlossen?

3. Welche Folgen hat dies für die über Freie Träger beschäftigten Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter?

4. Wie wird mit den Arbeitsverhältnissen der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, die (teilweise) über ESF-Mittel finanziert werden, umgegangen?

5. Wie viele Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter in Leipzig haben noch aus welchen Gründen befristete Arbeitsverhältnisse?

6. Welchen Einfluss haben das Gerichtsurteil und die gütlichen Einigungen auf die weitere Finanzierung des Leistungsbereiches der Schulsozialarbeit in Leipzig?

Der abgelehnte SPD-Antrag als PDF zum Download.

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