Es kommt genau so, wie es zu erwarten war: Nachdem Leipzig beim Bau von Kindertagesstätten erst viel zu spät den Turbo zündete, holt das Thema die Stadt nun auch bei den Schulen ein. Auch hier hängt Leipzig fünf Jahre hinterher. Und selbst der SPD-Fraktion im Leipziger Stadtrat wird es langsam richtig mulmig bei dem Thema.

Auch wenn es die Fraktion noch sehr zurückhaltend formulierte am Dienstag, 28. April: “Die SPD-Fraktion sorgt sich auch um die Schaffung der benötigten Schulplätze.”

Denn seit Jahren steigen die Geburtenzahlen kontinuierlich an. Das ist eigentlich eine Größe, mit der man prima rechnen kann. Spätestens nach einem Jahr tauchen die meisten Knirpse in der Kinderkrippe auf, zwei Jahre später im Kindergarten. Weitere drei Jahre später werden sie von den Eltern in der nächst liegenden Grundschule angemeldet. In den letzten Jahren wurden die Schulen mit ständig steigenden Schülerzahlen und größeren Klassen belastet, konstatiert nun Ute Köhler-Siegel, schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Leipziger Stadtrat.

Aber zum Schuljahresbeginn 2015 kracht das ganze System im Gebälk. In den Ortsteilen, in denen der Ansturm seit sechs Jahren zu erwarten war, tritt er jetzt auch ein. Mit Rekordzahlen, die die Schulen vor Ort so nicht mehr aufnehmen können.

„Allein zum Schuljahresbeginn 2015/16 wechseln zirka 3.300 Schülerinnen und Schüler von den Grundschulen an die Oberschulen und Gymnasien der Stadt, gleichzeitig liegen für die 1. Klasse über 5.000 Anmeldungen von Schulanfängern vor”, benennt Ute Köhler-Siegel den gewaltigen Quantensprung, der eigentlich durch ein ganzes Bündel neuer Schulbauten hätte aufgefangen werden müssen. “Spitzenreiter bei den 1. Klassen sind die Schule Connewitz mit 221, die Schule am Auwald mit 148 und die Erich-Kästner-Schule mit 143 Anmeldungen. Dies entspricht mindestens acht beziehungsweise sechs Eingangsklassen an diesen Schulen.”

Oder eben mindestens zwei neuen Grundschulen, die es aber nicht gibt. Die Leipzig aber längst hätte bauen müssen. Oder sanieren, wie den alten Plattenbau der 3. Grundschule in der Südvorstadt, nach dem sich die SPD-Fraktion ja in der nächsten Stadtratssitzung ganz gezielt erkundigt.

Die Verdichtung an einigen Schulen zeige schon jetzt deutliche Auswirkungen, berichtet Ute Köhler-Siegel, die die ganzen Leipziger Schuldramen als Lehrerin im Alltag selbst erlebt. Immer mehr Hortzimmer werden zu Klassenzimmern, die Turnhallen werden oft von zwei Klassen gleichzeitig genutzt oder die Schüler müssen weite Wege zurücklegen und der Unterricht muss um die Essenzeiten herum geplant werden.

„Die Stadt muss Schulen bauen, das ist nicht neu”, sagt die Stadträtin. Und benennt das nächste Thema, bei dem Leipzigs Verwaltung schon seit Jahren auf Zeit spielt, obwohl sie gar keine Zeit hat, sondern handeln muss: Das ist die Liegenschaftspolitik. “Aber der Ankauf von Grundstücken gestaltet sich schwierig. In den dicht bebauten Gebieten sind Grundstücke rar, die sich für den Neubau von Schulen eignen. Die Liegenschaftspolitik der Stadt gehört hier für uns schnellstens überarbeitet. Es kann nicht sein, dass die Stadt immer noch Liegenschaften in wachsenden Stadtteilen meistbietend verkauft. Andere wachsende Städte in Deutschland sind hier schon viel weiter. Auch haben wir einen Antrag zur sozialgerechten Bodennutzung gestellt, der noch umgesetzt werden muss.“

Und während jetzt die großen Löcher bei den Grundschulen aufreißen, beginnt das Thema nun auch bei den Oberschulen und Gymnasien zu kochen. Die Anmeldezahlen an den Oberschulen und Gymnasien zeigen, dass sich die Eltern wohnortnahe Schulen für ihre Kinder wünschen, stellt die SPD-Stadträtin fest. Durch die Umlenkungen an weit entfernte Schulstandorte entstehen häufig aber lange Schulwege. Wenn denn auch dort noch genügend Kapazitäten bestehen, um die steigenden Schülerzahlen aufzufangen.

Für Köhler-Siegel ist die Entwicklung absehbar, auf die die Stadt jetzt wirklich reagieren muss: „Die Stadt Leipzig muss sich in den nächsten Jahren auf den Neubau von Schulen konzentrieren, aber die Bestandsgebäude dürfen nicht weiter verfallen. In den jetzt abgeschlossenen Haushaltsverhandlungen hat sich die SPD-Fraktion vor allem für mehr Mittel für bestehende Schulen eingesetzt. Zusätzliche Mittel in Höhe von 11,5 Millionen Euro für Fenster, Toiletten und Speiseräume wurden zum baulichen Unterhalt von Schulen und Kitas in den Doppelhaushalt letztlich auch eingestellt“.

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