Was für ein Eiertanz: Via LVZ hauen CDU-Stadträte den Lukas, versuchen den für Schulen zuständigen SPD-Bürgermeister Thomas Fabian für alles verantwortlich zu machen, was im Leipziger Schulbauprogramm derzeit klemmt. Dabei müsste auch der CDU-Fraktion klar sein, dass man mit 20 Millionen Euro im Jahr keine 30 Millionen ersetzt. Denn 30 Millionen Euro müsste Leipzig jedes Jahr eigentlich für seine Schulen ausgeben.

Und zwar aufgestockt um die Fördermittel des Freistaates Sachsen. Doch wenn der Freistaat wieder nur 40 Millionen Euro für das gesamte Bundesland zur Verfügung stellt, kann Leipzig nicht um 30 Millionen Euro aufstocken. Auch nicht um 20 Millionen Euro. Die Stadt steht genau wieder da, wo sie 2012 stand, als die simplen von Holger Mann und Dirk Panter damals abgefragten Zahlen gezeigt haben, dass Leipzig gar keine Chance hatte, ein anständiges Schulbauprogramm auf die Beine zu stellen. Von 2006 bis 2011 bekam die Stadt ganze 31 Millionen Euro Schulbauförderung vom Land, etwas mehr als 5 Millionen Euro im Jahr.

Nicht nur die Leipziger SPD-Fraktion fragte sich damals: Warum kommt Leipzigs Schulbauprogramm nicht in die Pötte? Warum bekommt die Stadt ihre Förderanträge nicht durch? Regelmäßig bekam Leipzig die Mitteilung, die Fördertöpfe seien leer. Das waren sie unter anderem auch. Der Löwenanteil der Fördergelder von 125 Millionen Euro im Jahr ging an Leipzig vorbei.

2013/2014 änderte sich das kurzfristig durch das Sonderinvestitionsprogramm für die drei Großstädte. Aber das existiert im Doppelhaushalt 2015/2016 nicht mehr.

Investitionsstau: 500 Millionen

Ergebnis: In Leipzig hat sich über volle sechs Jahre ein Stau von überfälligen Schulinvestitionen in einer Größenordnung von über 300 Millionen Euro aufgebaut, wahrscheinlich sogar deutlich über 500 Millionen Euro. Denn parallel fehlten ja auch die Gelder zur Instandsetzung bestehender Gebäude. Was die Leipziger erst merkten, als pünktlich zum Landtagswahlkampf auf einmal von drohenden Schulschließungen gemunkelt wurde, weil Brandschutz, Elektrik, Toiletten nicht mehr länger zu tolerieren waren. Gleichzeitig wurde für ein Dutzend Sporthallen die Schließung aktuell, weil die Böden verschlissen waren.

Man kann sich Haushalte über Jahre schön rechnen. Aber jede unterlassene Reparatur, jede zu spät begonnene Instandsetzung rächen sich. Sie führen dazu, dass Leipzig in seinem Schulinvestitionsprogramm um Jahre hinterher hinkt. Einige Instandsetzungsmaßnahmen haben sich noch während des Baus verzögert und heftig verteuert, weil man erst während der Baumaßnahme das volle Ausmaß der Schäden feststellte. Was jüngst das Heisenberg-Gymnasium ereilte, wo man “schnell mal” Toiletten und Brandschutz in Ordnung bringen wollte und sich beim Dachstuhl dann eine Decke auf einmal als vom Schwamm befallen erwies. Die Brandschutzmaßnahme musste gestoppt werden.

Bei vielen Schulen – auch solchen, die in Nutzung sind – wissen Leipzigs Planer nicht wirklich, wie kaputt die Bausubstanz ist. Die Gebäude wurden nach den Schäden aus dem Krieg oft nur notdürftig repariert, die Schäden wurden kaschiert. Erst beim Öffnen der Mauern und Verblendungen kommen dann die Provisorien, Brandschäden oder – wie auch an der 56. Schule in Großzschocher – Schwammbefall zum Vorschein.

17 Millionen Euro mehr als geplant

Dass Karsten Albrecht und Michael Weickert aus der CDU-Fraktion nun via LVZ schon die Schule in Zelten heraufbeschwören, hat natürlich damit zu tun, dass sich am 21. Mai der Fachausschuss Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule mit einer entsprechenden Vorlage der Dezernate Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule und Stadtentwicklung und Bau beschäftigte. Die enthält nämlich einen saftigen Nachschlag für die 2013 beschlossenen Programme “Kreisfreie Städte 2013-2014” und EFRE. Mit dem Programm “Kreisfreie Städte 2013-2014” war den drei Großstädten Dresden, Leipzig und Chemnitz (nachdem der Skandal mit den miserablen Förderquoten für Leipzig publik geworden war) eine Sonderförderung von 40 Millionen Euro in jedem der beiden Jahre gewährt worden.

Die schlichte Wahrheit lautet: Selbst das war zu wenig.

Nichts anderes besagt die jetzt vorgelegte Analyse. Statt der veranschlagten 69,8 Millionen Euro für die 70 aufgeführten Maßnahmen rechnen die beiden Dezernate am Ende mit 87,5 Millionen Euro Kosten – über 17 Millionen Euro mehr. Es hat sich genau das bewahrheitet, was das Planungsdezernat damals schon befürchtet hat: Baumaßnahmen der Stadt werden immer teurer. Was neben den nicht einkalkulierten Schäden auch die gestiegenen Rohstoffkosten betrifft.

Manche Vorhaben haben sich auch noch in der Projektplanung verändert und verteuert, was dann für einen guten Teil zusätzlicher Kosten die Ursache ist.

So verteuerte sich das Bauprojekt des Gymnasiums in Schönefeld von ursprünglich kalkulierten 13,2 auf 16,5 Millionen Euro.

Die Käthe-Kollwitz-Schule, die künftig das sanierte Schulgebäude in der Karl-Vogel-Straße nutzen soll, verteuerte sich von 11,8 auf 12,9 Millionen Euro.

Durch die Änderung der ursprünglichen Pläne wurde auch das Projekt der Weißeschule in Stötteritz teurer – die Kostenkalkulation stieg von 3 auf 5,9 Millionen Euro (dafür ist jetzt auch die Erweiterung der Turnhalle mit drin).

Sechs Maßnahmen wurden vorerst gestrichen

Viele der überfälligen brandschutztechnischen Ertüchtigungen, die 2013 endlich angeschoben wurden, waren für die ursprünglich kalkulierten Gelder nicht zu haben. Das summiert sich, wenn es fast alle Brandschutzinvestitionen betrifft. Aktuell gibt es die Kostensteigerungsvorlage für die Neue Nikolaischule in Stötteritz, wo sich die Brandschutztechnik von 1,3 auf 1,5 Millionen Euro verteuert.

Um mit den Mehrkosten von 17 Millionen Euro nicht den Haushalt zusätzlich zu belasten, hat die Stadt für sechs geplante Baumaßnahmen die Förderbescheide zurückgegeben. Das betrifft fünf brandschutztechnische Maßnahmen. Und es betrifft die energetische Sanierung mit Nutzungserweiterung für die 120. Grundschule in der Martin-Herrmann-Straße in Großzschocher.

Die Maßnahmen werden später neu beantragt werden müssen, da kommt die Stadt gar nicht umhin. Aber auch viele der anderen Maßnahmen werden verschoben. Man kann es auch so formulieren: Sie haben sich oft genug auch schon von ganz allein zeitlich gestreckt und wurden und werden erst weit nach Ende des Bewilligungszeitraumes fertig. So heißt es in der Vorlage zum Beispiel: “An 14 Schulen wurden die Brandschutzmaßnahmen im Dezember 2014 beendet. Bis zum 31.03.2015 wurden 7 weitere Brandschutzmaßnahmen beendet. In einigen Schulen werden sehr umfangreiche Brandschutzmaßnahmen noch bis Sommer 2015 andauern.”

Für einige der verspäteten Baumaßnahmen konnte mit den Fördermittelgebern eine Verlängerung der Auszahlungsfrist vereinbart werden. Ganz sicher ist sich das Baudezernat noch nicht, ob es die durch die verzögerte Fertigstellung möglicherweise eintretenden Verluste von Fördergeldern wird verhindern können. Im schlechtesten Fall steht der Verlust von 270.000 Euro EFRE-Mitteln zur Diskussion.

21 Millionen Euro im Jahr reichen hinten und vorne nicht

Ziemlich deutlich zeigt die Vorlage, dass 21 Millionen Euro an Eigenmitteln, die die Stadt in den Jahren 2013 bis 2016 im Schnitt zur Verfügung hat für den Schulhausbau, um Welten zu wenig sind. Die 30 Millionen Euro, die die Leipziger SPD-Fraktion 2012 als Mindestbedarf kalkuliert hat, kommen der Wirklichkeit wesentlich näher. Aber auch das funktioniert nur, wenn die Stadt im Gegenzug rund 30 Millionen Euro Förderung vom Land bekommt. Jedes Jahr.

Man versteht nach dieser Vorlage recht genau, warum Sozialbürgermeister Thomas Fabian seinen Brandbrief an die sächsische Regierung geschrieben hat. Man kann nicht schon wieder bremsen, nachdem man von 2006 bis 2011 erst so richtig in das Schulbaudilemma hineingerauscht ist.

Das, was jetzt an fertiggestellten Schulgebäuden vorhanden ist, ist mehr als überschaubar.

Dazu kommen wir gleich an dieser Stelle.

Die Vorlage der Verwaltung zum Schulbauprogramm 2013/2014.

Die Übersicht über die Kostensteigerungen 2013-2015.

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