Wer ist schuld? Das ist nun seit Jahren Thema in der Bildungsdiskussion in Leipzig. Jedes Jahr verlassen 12 bis 15 Prozent der Schulabgänger die Schule ohne Abschluss. Und der jüngste, im Februar vorgelegte Bildungsreport der Stadt formulierte drastische Warnungen. Schön und gut, fanden jetzt die Grünen. Aber warum gibt es dann keinen jährlich abzurechnenden Maßnahmenkatalog?

Seit Jahren benennt der Leipziger Bildungsreport nun Defizite in Chancengerechtigkeit und Schulerfolg – jetzt müssen die Maßnahmen intensiviert werden. Schon in der Gesamteinschätzung kommt der “Bildungsreport 2014” zu einem deutlichen Ergebnis. Man weiß zumindest lokal, wo es klemmt und dass vor allem zwei Schultypen völlig überfordert sind – oder sollte man sagen: Sie sind schlicht nicht so ausgestattet, dass die jungen Menschen in sozialen Brennpunkten eine reelle Chance haben, an diesen Schulen überhaupt erfolgreich einen Abschluss zu machen?

Das Jahr 2013 hat auch das Leipziger Sozialdezernat zutiefst erschreckt:

“Große Handlungsbedarfe zeigen sich nach wie vor an dem hohen Anteil von Schulabgänger/-innen ohne mindestens einen Hauptschulabschluss. 2013 verließen mehr als 400 Schüler/-innen die allgemeinbildenden Schulen ohne mindestens diesen; der entsprechende Anteil von 15,3 % markierte einen neuen Höchststand. Diese Thematik fokussiert sich vor allem auf die Förderschulen und die Mittel-/Oberschulen. An vielen Förderschulen können die Jugendlichen keinen qualifizierten Schulabschluss ablegen, sodass in den vergangenen Jahren stets zwischen 75 % und 85 % der Förderschulabgänger/-innen ohne mindestens einen Hauptschulabschluss verblieben. Neben der gesondert gelagerten Problematik der Förderschulen konzentriert sich die Situation in Leipzig auf Abgänger/-innen von Mittel-/Oberschulen in kommunaler Trägerschaft. Hier verließ jedes Jahr mehr als jede/-r Zehnte die Schule ohne mindestens einen Hauptschulabschluss. Die entsprechende Quote lag konstant mindestens doppelt so hoch wie der Wert auf Landesebene. Diese Abgänger/-innen wiesen zudem eine hohe räumliche Konzentration auf. Vor allem die Schulen in den Schwerpunktgebieten der integrierten Stadtentwicklung (SEKo 2020; Stadt Leipzig 2009: 80f.) zeigten deutlich überdurchschnittliche Werte auf.”

Heißt im Klartext: Gerade in den Ortsteilen mit hohen Anteilen an sozial schwachen Familien, hoher Arbeitslosigkeit und hohem Migrantenanteil konzentrieren sich die schulischen Misserfolge. Es heißt zwar “Schulen in kommunaler Trägerschaft”. Aber für die ausreichende Ausstattung mit Lehrern ist nun einmal der Freistaat verantwortlich. Wenn an solchen Schulen, an denen auch der Förderbedarf besonders hoch ist, trotzdem mit viel zu knappem Lehrpersonal gearbeitet wird, fallen natürlich zuallererst die Jugendlichen aus bildungsfernen Familien durchs Raster.

Was tun, ist die Frage

Und genau die stellt jetzt die Fraktion Bündsnis 90/Die Grünen dem zuständigen Sozialbürgermeister. Wenn das Land sich nicht in der Lage zeigt, gegenzusteuern, muss die Stadt Leipzig selbst versuchen, Maßnahmen zu bündeln, mit denen man den betroffenen Jugendlichen wenigstens begleitend helfen kann.

Der Antrag der Grünen zur Ratsversammlung am 8. Juli mit dem Titel „Maßnahmen aus dem Bildungsreport“ liest sich zwar kurz und knapp. Aber er fordert im Grunde etwas, was es so bislang noch nicht gibt: die Definition eines Maßnahmenkataloges, der das umfasst, was die Stadt Leipzig tun kann, um den benachteiligten Jugendlichen zum Bildungserfolg zu helfen – und ein jährliches Berichtswesen über die Umsetzung.

Die Bildungsreporte selbst waren ja auch mal eine Neuerung. Eine wichtige, wie man inzwischen weiß. Denn diese jährlichen Reports zeigen recht deutlich, wo es in der Leipziger Bildungskulisse klemmt. Sie machen die Entwicklungen klar erkennbar. Aber jetzt müsse nun zu den größten Defiziten mehr geschehen, finden die Grünen. Denn wenn jedes Jahr über 10 Prozent der Schüler keinen Abschluss schaffen, dann bleibt Leipzig so odes so auf den Problemen und den Kosten sitzen, obwohl die jungen Leute auch im Arbeitsmarkt dringend gebraucht werden.

Dabei müssten die  Themen Chancengerechtigkeit und Schulerfolg unbedingt vertieft und mit Maßnahmen untersetzt werden, fordert die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katharina Krefft. Der Fachausschuss Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule sei das geeignete Gremium, sich mit dem Thema schwerpunktmäßig auseinanderzusetzen und zielgerichtet und aktuell jährlich Maßnahmen daraus abzuleiten.

„Den Skandal ‘Schulabgang ohne Abschluss’ thematisieren wir seit Jahren im Rat, zuletzt wurden in der bildungspolitischen Stunde auch deutliche Worte gefunden. Es reicht aber nicht, nur zuzugucken, es muss mehr passieren”, findet Katharina Krefft,  die für ihre Fraktion auch schulpolitische Sprecherin ist. Nach wie vor sei die hohe Spreizung des Bildungserfolgs angelehnt an  die sozioökonomische Herkunft der Kinder, formulieren die Grünen in schönstem Neusprech. Was in etwas einfacherer Sprache ja schlicht heißt: Kinder aus armen Familien haben im sächsischen Bildungssystem die schlechteren Karten. Bildungserfolg ist längst schon wieder eine Frage des Geldbeutels.

Der Stadtrat in  Leipzig hat bereits die Schulsozialarbeit abgesichert, auch konnte ein Patenprogramm für Schüler der Oberschulen eingerichtet werden, betonen die Grünen. Es ist ja nicht so, dass die Komune nicht jene Möglichkeiten nutzt, die sie hat, ohne dabei der Sächsischen Bildungsagentur ins Gehege zu kommen. Auch die Jugendhilfe, Kinder- und Familienzentren und qualitativ gute Ganztagsangebote seien Erfolge aus dem politischen Handeln des Stadtrates.

“Wir erwarten vom Oberbürgermeister ein Maßnahmebündel”, fordert Krefft jetzt, “und wollen daraus jährlich einen Schwerpunkt im Rat festlegen – untersetzt mit Mitteln, zielgenau und messbar.”

Der Antrag der Grünen-Fraktion.

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