Im Februar ging es ja im Leipziger Stadtrat hoch her, wurde eifrig diskutiert, ob man den Gordischen Knoten beim Schulhausbau nun mit der stadteigenen Gesellschaft LESG endlich gelöst bekommt oder mit privaten Bauherren. Am Ende gab es ein Sowohl-als-auch. Und am Mittwoch, 9. März, hat Sozialbürgermeister Thomas Fabian nun mal erzählt, worum es eigentlich geht. Zum Beispiel um viel zu niedrige Prognosen.

Denn planen kann eine Stadt wie Leipzig nur auf der Grundlage von Bevölkerungsprognosen. Alle zwei Jahre gibt’s neue. Und alle zwei Jahre fallen Leipzigs Statistiker seit 2009 aus allen Wolken, denn jedes Mal haben sie selbst in der optimistischsten Prognose zu niedrig gelegen.

Da aber alle Schulplanungen auf der letzten Prognose von 2012 aufbauen, machen sich schon jetzt die nächsten Lücken im Schulbau bemerkbar. Heißt im Klartext: Leipzig muss sein Schulbauprogramm deutlich steigern. 44 Millionen Euro jährlich – wie noch in den letzten Jahren – reichen nicht. Das wurde auch im Stadtrat schon thematisiert und Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) stimmte zu, die Kreditaufnahme jährlich um 15 Millionen Euro zu steigern, so dass Leipzig 55 Millionen Euro an Eigenmitteln jedes Jahr in den Schulbau stecken kann – in Neubau und Erweiterung bestehender Gebäude übrigens genauso wie in (Total-)Sanierung. Denn alles, was an Schulgebäuden verfügbar ist, muss nun wieder in Betrieb genommen werden.

Zuversichtlich ist Thomas Fabian, dass es auch die Fördermittel in derselben Größenordnung geben wird, wie sie Freistaat, Bund und EU in den letzten beiden Jahren gegeben haben. Das waren jeweils 28,29 Millionen Euro. Wenn nur 40 Prozent gefördert werden sollten (nicht alle Rahmenrichtlinien stehen schon fest), wären es 22 Millionen Euro. Allein für den Schulbau würden also jedes Jahr zwischen 77 und 83 Millionen Euro fließen können. Weitere 12 Millionen Euro sind sowieso jährlich für die Bestandserhaltung eingeplant.

Natürlich nahm Fabian am Mittwoch auch zu der Frage Stellung, ob man nun auch mit Privaten bauen werde. „Wo es geht, werden wir es tun“, sagte er. „Wir können gar nicht anders.“

Denn das, was jetzt an – nicht geplantem – Mehrbedarf sichtbar wird, muss natürlich auch zusätzlich konzipiert und gebaut werden. Allein bis 2020 werden in Leipzig 1.000 Grundschüler mehr erwartet, als 2012 prognostiziert wurden. An Leipzigs Oberschulen fehlen dann Plätze für 1.100 Schüler. Nur bei Gymnasien hat man 2012 schon etwas mutiger geplant. Aber auch nur so, dass es gerade so bis 2020 reicht. Dann werden auch dort noch drei weitere Gymnasien gebraucht.

Tatsächlich sind fast alle Kapazitäten in Leipzigs Schulen mittlerweile ausgereizt. Allein im Schuljahr 2015/2016 ist die Schülerzahl in kommunalen Schulen um 1.900 gestiegen. Und weil der Bedarf höher ist als das Angebot, führt das zwangsläufig zu volleren Klassen. In einem Viertel der Eingangsklassen der Grundschulen liegt die Schülerzahl bei 25 und höher. Der Schnitt liegt bei 22,2 Schülern je Klasse.

An Oberschulen sind ein Drittel der Eingangsklassen mit 25 und mehr Schülern besetzt. Hier liegt auch der allgemeine Schnitt schon bei 23,9 Schülern. Und noch deutlicher ist das Bild an den Gymnasien – hier sind mehr als die Hälfte der Eingangsklassen mit 28 und mehr Schülern besetzt – teilweise bis zu 31. Die durchschnittliche Klassenstärke liegt bei 26,5 Schülern je Klasse.

Eigentlich Gründe genug, wie wild drauflos zu bauen. Aber Fabian weiß auch schon aus diversen Sitzungen zu berichten, wo ihn Verantwortliche vor dem Bau von Überkapazitäten warnten. Denn bei Projekten wie neuen Schulgebäuden gilt: Damit die Investition nicht verpulvert wird, muss das Gebäude mindestens 15 Jahre genutzt werden. Mit den 2012 beschlossenen Projekten läge Leipzig eigentlich im Plan, so Fabian.

Wo aber klemmt es?

Das eigentliche Problem, das sich mittlerweile deutschlandweit auswirkt, ist das starke Wachstum der Großstädte. Auch in Leipzig wird es immer schwerer, die nötigen Baukapazitäten zu binden. Denn nicht nur der Bedarf an Kindertagesstätten und Schulen wächst, sondern auch der an Wohngebäuden. Und ebenso macht sich der Bedarf beim Bau neuer Asylbewerberunterkünfte bemerkbar. Da kann man dann zwar die Vorplanungen alle in den Griff bekommen (der Stadtrat hat dafür 2015 allein 7 Millionen Euro extra bewilligt), aber was hilft das, wenn man die benötigten Baukapazitäten nicht binden kann?

Weil nichts mehr reinpasst in die bestehenden Schulen, wird es gleich an drei Oberschulen Erweiterungen mit Modulbauweise geben. Das betrifft vor allem Oberschulen, um den rasant steigenden Bedarf an DaZ-Klassen (Deutsch als Zweitsprache) aufzufangen.

Das ehemalige Gebäude der Kästnerschule wird ab 2017 wieder als Grundschule genutzt. Foto: Ralf Julke
Das ehemalige Gebäude der Kästnerschule wird ab 2017 wieder als Grundschule genutzt. Foto: Ralf Julke

Richtig happy ist Fabian, dass Leipzig drei alte Plattenschulen (Neruda, Kästner, 3. Grundschule) zum Glück nicht abgerissen hat, nachdem die geplanten Ersatzbauten fertig sind. Alle drei Schulen werden wieder gebraucht und zum weiteren Betrieb hergerichtet. Dasselbe auch an der Paul-Robeson-Schule, über deren Stilllegung noch vor zwei Jahren diskutiert wurde.

„Der Schulentwicklungsplan ist so eine Art Bestellzettel“, sagt Fabian. „Hier steht, was wir aufgrund der Prognosen tatsächlich an Schulkapazitäten brauchen.“ Wie es dann finanziell untersetzt wird, muss jetzt in der Haushaltsplanung für die Jahre 2017/2018 im Stadtrat entschieden werden.

Allein bei Grundschulen kommen zu neun Schulbauten, die schon seit 2012 geplant sind, weitere vier neue Projekte, die jetzt auch mit Geld untersetzt werden müssen. Dazu gehören eine neue Grundschule in der Tauchaer Straße (bis 2018), ein Ersatzneubau für die Wilhelm-Busch-Schule (bis 2023), der Grundschulneubau in der Rolf-Axen-Straße (bis 2020, dann zieht die Grundschule aus der Schule am Adler dort hin und in der Schule am Adler ist mehr Platz für die Oberschule), die Schule Wiederitzsch wird bis 2017 erweitert und auch der alte Plattenbau der Erich-Kästner-Schule soll 2017 wieder voll in Betrieb gehen.

Bei den Oberschulen kommen zu den sechs geplanten Bauprojekten weitere sieben Projekte, die zusätzlich kommen müssen. Wobei unter den als „sicher“ geplanten Projekten auch die Oberschule am Bayrischen Bahnhof zu finden ist, ein Vorhaben, das seit 2014 klemmt, weil die Grundstücksfrage ungeklärt ist.

So soll die Schule in der Uhlandstraße noch 2016 wieder ans Netz gehen, die ehemalige Neruda-Schule soll bis 2020 als Oberschule ihre Arbeit aufnehmen, die Oberschule in der Ihmelstraße bis 2019. 2023 soll es dann auch neue Oberschulen im Planbezirk Nord und in der Hainbuchenstraße geben.

Und bei Gymnasien sind ja vier Projekte gerade in Bau oder Planung. Weitere drei sollen jetzt noch dazukommen. Wobei ja eines der alten Projekte, ein neues Gymnasium im Zentrum Nord/Gohlis, das eigentlich 2020 fertig sein soll, noch immer mit Fragezeichen im Raum steht. Geplant war es ja auf der Westseite des Hauptbahnhofs. Und nun soll bis 2018 auch das Gymnasium am Bayrischen Bahnhof umgesetzt werden, bis 2022 das Gymnasium im Campus Ihmelstraße und bis 2025 ein weiteres Gymnasium im Leipziger Westen. Da denkt man ans Jahrtausendfeld – aber da klemmt es ja bekanntlich auch.

Es sind also nicht nur die fehlenden Planungskapazitäten, die alles aufhalten.

Und die Lage wird sich weiter zuspitzen, denn nicht nur die Bevölkerungszahl wird weiter steil ansteigen – die Zahl der Geburten wird mindestens so hoch bleiben wie 2015. Da gab es 6.600 Geburten, 400 mehr als prognostiziert. Was im Klartext heißt: Da fehlt sofort wieder eine komplette Schule. Und die langen Planungs- und Zustimmungsprozesse verzögern die Sache noch weiter. Von einem ambitionierten Schulentwicklungsplan spricht Fabian. Die finanzielle Dimension geht für Leipziger Verhältnisse bis an die Grenze. Und ambitioniert – im Vergleich mit den zähen Entscheidungsprozessen – ist auch das Ziel, die Planungen für die zusätzlichen Schulbaumaßnahmen 2018 im Stadtrat vorlegen zu können.

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Was macht die Stadtverwaltung eigentlich den ganzen Tag? Was machen die Statistiker den ganzen Tag?

Dass Leipzig wächst, ist wirklich schon seit mindestens 2009 bekannt gewesen und Dauerthema. Wenn die verwendete statistische Methodik aber anscheinend erst aufgrund eines mindestens fünf oder sieben Jahre stattgehabten Wachstums dann nur ganz vorsichtig einen kleinen positiven Trend in den nächsten zwei Jahren vorhersagt, dann taugt die Methodik nichts. Dann kann man auch seinen studierten Onkel nach seinem Bauchgefühl fragen.

Man kann Trends sehr wohl etwas kurzfristiger vorhersagen… Vielleicht sollte die Stadt andere Statistik-Institute beauftragen…

Gleich 14 Schulen!!!

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