In Sachsens Schulen geht so Manches vor sich, was nicht nur Eltern verblüfft. Nicht nur elektronische Geräte aller Art tauchen auf, weil irgendjemand überzeugt ist, dass zum Lernen auch moderne Geräte gehören. Auch gesponserte Lehr- und Lernmaterialien schlüpfen in den Unterricht, wo das Geld der Kommunen knapp ist. Und dann? Dann beginnen die Grenzen zwischen PR und Bildung zu verschwimmen.

Des Themas hat sich jetzt die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, Petra Zais, mal angenommen. Aus Elterngesprächen erfuhr sie von recht seltsamen Lernmaterialien, die augenscheinlich ihren Weg in den Unterricht fanden, weil das Geld zur Beschaffung behördlich zugelassener Materialien fehlte. Sind ja immer wieder die Kommunen, die für die zum Teil sehr teuren Anschaffungen zuständig sind. Wenn dann aber ein privater Konzern gleich mal mit kostenlosen Broschüren um die Ecke kommt, warum nicht zugreifen?

Das Ergebnis ist fatal, stellt Petra Zais fest.

„Lehr- und Lernmittel dürfen nicht zu einem Einfallstor für private Interessen werden. Eltern berichteten mir vom Einsatz tendenziöser Materialien im Unterricht. Etwa wenn, gesponsert von einem Energieunternehmen, Atomenergie als erneuerbare und sichere Energiequelle gepriesen wird“, kritisiert Petra Zais, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion.

Die Abgeordnete hat dann unter dem Titel „Nutzung von Lehr- und Lernmitteln privater Unternehmen an sächsischen Schulen“ eine Kleine Anfrage an die Staatsregierung gerichtet.

Kultusministerin Brunhild Kurth hat auch geantwortet und recht deutlich darauf verwiesen, dass es für Lernmaterialien in Sachsen eigentlich klare Regeln gibt. Die Schulen können zwar Lernmaterialien bei Unternehmen ihrer Wahl bestellen.

Aber tatsächlich müssen sie sich zumindest bei Schulbüchern an eine vom Kultusministerium erstellte Liste halten.

Brunhild Kurth: „Im Schulbuchverzeichnis ist die Liste der zugelassenen Lehrbücher aufgeführt. Das Sächsische Staatsministerium für Kultus verfügt jedoch nicht über Listen, in denen private Anbieter aufgezählt werden, die diese Lehrbücher anbieten.“

Gewisse Freiheiten bei der Beschaffung zusätzlicher Lernmaterialen haben die Schulträger. Brunhild Kurth: „Der Staatsregierung ist nicht bekannt, welche privaten Unternehmen kostenfreie Lehr- und Lernmittel zur Verfügung stellen, da über die Beschaffung von Lehr- und Lernmitteln ausschließlich die Schulträger entscheiden.“

Aber auch da gelten Regeln – zum Beispiel die zum Werbeverbot in sächsischen Schulen. Wobei der von Zais erwähnte Fall die Grauzone betritt, denn so wird zwar vielleicht nicht direkt geworben, aber es wird ein Wissen in die Schulen gedrückt, das im Interesse eines Unternehmens oder einer Branche eingefärbt und verfälscht ist, aber nicht objektiv und unabhängig, wie man das von Lernmaterialien erwarten kann.

„Die den Schulträgern und Lehrkräften eingeräumten Freiheiten bei der Beschaffung und beim Einsatz von Lehr- und Lernmitteln sind grundsätzlich richtig“, meint Petra Zais, spricht dann aber ein grundsätzliches Problem an: „Doch durch den Kostendruck, der auf den Kommunen lastet, wird dem Einsatz von gesponserten Lehr- und Lernmitteln Tür und Tor geöffnet. Den Schulträgern und Lehrkräften ist es kaum zu verdenken, wenn sie auf kostenlose Angebote zurückgreifen – Not macht erfinderisch! Hier erwarte ich seitens der Staatsregierung etwas mehr Problembewusstsein und Engagement und nicht nur einen Hinweis auf die Auflagen beim Sponsoring und das Verbot von Werbung an Schulen.“

Der beste Weg wäre natürlich, das wild wuchernde Angebot von Lernmaterialien und technischen Spielzeugen in den Schulen auszumisten, wozu auch die von Petra Zais befürwortete Lernsoftware gehört. Schule wird auch deshalb immer zum Problem, weil die eigentliche pädagogische Vermittlung immer öfter durch Hilfsmittel und Zusatzmaterialien ersetzt wird, für die die Kommunen aufkommen müssen. Es ist dieser oberflächliche Konsumismus, der erst alle Tore öffnet für die Spezialinteressen von Unternehmen, die natürlich jeden Weg suchen, um ihre Käufer frühzeitig anzufixen. Dass andererseits überfrachtete Lehrpläne und überlastete Lehrer nicht gerade Bollwerke sind, diese stille Okkupation zu verhindern, hat auch Petra Zais nicht erwähnt.

Entsprechend zaghaft ist dann auch die Aufforderung der Grünen, Kultusministerin Brunhild Kurth möge „bei den gesponserten Lehr- und Lernmittel an Sachsens Schulen genauer hinschauen“.

Antwort von Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Zais (Grüne) „Nutzung von Lehr- und Lernmitteln privater Unternehmen an sächsischen Schulen“ (Drs 6/5253).

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