Mit jungen Augen sieht die politische Welt anders aus. Da wird auch die Distanz zum Abwiegeln und Schönreden der politischen Schwergewichte immer größer. Ihr ganzes schönes „effizientes“ Bildungswesen hat sich als eine ungerechte Auslesemaschine herausgestellt. Am 21. Juni wollen die jungen Leute auf die Straße gehen und gegen diese neoliberalen „Lernmaschinen“ demonstrieren. Auch in Leipzig.

Das Bündnis agiert bundesweit. Denn überall ist derselbe technokratische Gobseck-Geist eingezogen, werden keine allseits gebildeten Menschen mehr herangebildet, wie es sich einst Leute wie Wilhelm von Humboldt vorstellten, sondern optimal funktionierende Futterverwerter. Dass es in Schulen heutzutage oft anmutet wie in großen Mastanlagen, ist kein Zufall. Da haben ein paar Leute ihren Profit über das Anliegen gestellt, junge Leute die Vielfalt ihrer Fähigkeiten entwickeln zu lassen.

Am 21. Juni wird es deshalb auch in Leipzig eine Demonstration gegen die aktuelle Bildungspolitik geben. Veranstalter ist der lokale Ableger des bundesweit vernetzten Bündnisses „Lernfabriken… meutern!“. Zum Protest sind alle Schüler*innen, Lehrer*innen, Studierende und Dozierende aufgerufen.

Die Veranstaltung soll um 11 Uhr auf dem Augustusplatz beginnen. Enden wird sie am gleichen Ort mit einer Abschlusskundgebung um 14 Uhr. Die für die Zwischenzeit geplante Demonstrationsroute führt über den Markt in Richtung Süden bis zur Karl-Liebknecht-Straße, Ecke Kurt-Eisner-Straße. Anschließend läuft sie über die Arthur-Hoffmann-Straße zurück.

Im Herbst 2016 hat sich „Lernfabriken… meutern!“ gegründet. Die Initiative ging von studentischen Vertreter*innen verschiedener Universitäten aus. Ziel ist es, dass am 21. Juni in mehreren Städten Deutschlands gleichzeitig Demonstrationen gegen die Missstände im aktuellen Bildungssystem stattfinden.

Die örtlichen Ableger agieren jedoch weitestgehend unabhängig.

In Leipzig besteht die Gruppe hauptsächlich aus Mitgliedern des SSR (Stadtschülerrat Leipzig) und des StuRa (Studierendenrat der Uni Leipzig). Es existieren aber auch Kontakte zu Dozierenden der Universität Leipzig und zu Jugendverbänden von Gewerkschaften des DGB. Hauptanliegen ist es, einen Austausch zwischen allen Statusgruppen im Bildungssystem anzustoßen, die über die Demonstration im Sommer hinausreicht.

Knauserland Sachsen

Der Protest richtet sich in Leipzig gegen die jahrelange Unterfinanzierung des Bildungssystems in Sachsen. Dieses strukturelle Problem wird jetzt an vielen Stellen deutlich. Es herrscht ein Lehrer*innenmangel und die Löhne im Öffentlichen Dienst sind im bundesweiten Vergleich die schlechtesten. Auf die Schüler*innen überträgt sich dies durch Unterrichtsausfall und Schulschließungen im ländlichen Raum. Dozierende an Universitäten werden nur noch befristet eingestellt und arbeiten unter miserablen Bedingungen. Die Studierendenschaft leidet spätestens seit den Bologna-Reformen an Zeitdruck und Finanzierungsschwierigkeiten. Die Universitäten selbst müssen sich immer stärker über sogenannte Drittmittel finanzieren, die staatliche Unterstützung ist nicht ausreichend.

Zudem hält Sachsen am dreigliedrigen Schulsystem fest. Das bedeutet zwangsläufig: Auslese. Und zwar nicht der „schwächeren“ Schüler, sondern derer aus armen Familien und aus Familien mit Migrationshintergrund.

Im Alter von zehn Jahren wird über die berufliche Zukunft von Kindern entschieden. Nicht bedacht sind dabei die Förderschulen. Ein Großteil der Absolventen erhält hier gar keinen Schulabschluss. Eine dauerhafte Chancenlosigkeit im Erwachsenenalter ist programmiert, kritisieren die Leipziger Initiatoren dieses elitäre Schuldenken.

Lehrer nur noch als Erfüllungsgehilfen

Hinzu kommt der strukturelle Druck, welchem sich alle Akteur*innen des Bildungssystems ausgesetzt sehen. Die Lehrpersonen müssen Noten vergeben, die Schüler*innen müssen lernen, was ihnen vorgesetzt wird. Eine Mitbestimmung der Lernenden findet in den Schulen nur begrenzt statt. An den Universitäten ist dies ähnlich – auf Bildungsinhalte haben die Studierenden keinen Einfluss. Auch für die Auszubildenden in den Fachhochschulen und Betrieben ist die Situation nicht anders.

Auf der zentralen Homepage werden die Protestierenden noch deutlicher. Denn das auf Auslese getrimmte Bildungssystem sorgt auch dafür, dass kaum noch über eine bessere Gesellschaft nachgedacht wird/werden darf.

„Schüler*innen, Auszubildende und Studierende sollen nur das lernen, was der Arbeitsmarkt verlangt. Demokratische Partizipation sowie das kritische Hinterfragen der Gesellschaft werden dabei zugunsten braver Angepasstheit an die Erfordernisse der Wirtschaft verdrängt. Die Devise lautet: nützliches Humankapital statt mündiger Menschen. Dabei werden im Kampf um die besten Plätze in dieser Gesellschaft weite Personenkreise ausgegrenzt. Sinnlose Konkurrenz und unnötige Ausschlüsse fangen schon im Bildungswesen an. Schon in Kindertagesstätten ist nicht Platz für alle. Nach der Grundschule werden junge Menschen in verschiedene Schulformen sortiert. Die Auslese richtet sich nach dem Bildungsgrad und dem Einkommen der Eltern, für viele ist die Hochschule dann gar nicht mehr erreichbar. Hohe Gebühren und Kosten der Lernmaterialien, eine unzureichende Ausbildungsförderung und hohe Mieten tun ihr übriges.“

Das ist deutlich und mündet in die Forderung nach einer Gesellschaft, die richtige Bildung wieder ermöglicht: „Nehmen wir unsere Bildung selbst in die Hand – meutern wir die Lernfabriken! Lasst uns für eine Gesellschaft kämpfen in der echte Bildung möglich ist!“

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