Eigentlich ist der seit 1992 verliehene LeadAward keine Nachricht wert. Er reiht sich ein in die Flut völlig sinnloser Medienpreise, mit denen sich die Großen der Branche regelmäßig gegenseitig auszeichnen. Doch diesmal wollte die LeadAcademy, die das Ganze veranstaltet, selbst ein bisschen Aufmerksamkeit erzeugen für die Preisverleihung am 14. November. Und schickte ein paar Zitate rum, direkt aus der Festrede von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.

Auf die Lead-Preise ging er zum Glück gar nicht erst ein. Das wäre wohl für einige der Bepreisten und der Juryteilnehmer ein bisschen peinlich geworden. Denn man feiert sich zwar gern, redet eine Menge über Innovation und lobt die eigene Wichtigkeit und Qualität. Aber irgendwie fehlt der Maßstab.

“Die Qualität der Arbeiten bewegt sich grundsätzlich auf sehr hohem Niveau”, so Markus Peichl, Vorsitzender der LeadAcademy, “dies gilt für die großen Verlage wie auch für die Newcomer. Sie glauben in einem rückläufigen Markt an die Kraft von Print, auch wenn die Verkaufszahlen nicht immer ermutigend sind.”

Und man glaubt an Print. Mit aller Entschlossenheit. Es ist schon symptomatisch, dass gerade das “Süddeutsche Zeitung Magazin” mit dem herrlichen Titelcover mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück beim LeadAward abräumt, wie der “Spiegel” schreibt. Derselbe Peer Steinbrück, den die Hälfte der an diesem Abend ausgezeichneten Medien doch lieber zur lahmen Ente erklärte und sich im Bundestagswahlkampf spaltenweise über Peers Stinkefinger ausließ.

Wikipedia zitiert einen Satz, der das LeadAward-Dilemma eigentlich auf den Punkt bringt, 2006 so in “die tageszeitung” erschienen: “Die Lead-Lösung des Promi-Dilemmas ist es, möglichst viele hochkarätige Medienmacher in die Jurys einzuladen und ihnen möglichst viele Möglichkeiten zu geben, ihre eigenen Medien auszuzeichnen.”

Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen. Ein Haufen Leute haben jetzt neuen Schmuck für ihr Büro. So lange sie das Büro noch haben. Denn das ist schon längst nicht mehr so sicher. Und das war das Thema in Steinmeiers Rede, die gespickt war mit klugen und verständnisvollen Analysen. Am Ende hat sich der Außenminister auch noch über den Ruf der Chefjournalisten nach einer “staatlichen Stiftung zur Förderung des Qualitätsjournalismus” lustig gemacht. Nur ein bisschen. Tatsächlich hat er das Thema sehr klug einfach umgekrempelt und gefragt, was passiert, wenn Politiker dann über die Verteilung der Stiftungsgelder entscheiden. Er kennt ja seine Politiker.

Aber es gab noch mehr schöne Stellen in seiner Rede. Das hier sind die Stellen, die die LeadAcademy für empfehlenswert hielt:

“Wenn Medien in die Krise geraten, kann das die demokratische Gesellschaft nicht kalt lassen.”

“Vielleicht waren sich die Journalisten einfach ihres Deutungsmonopols zu sicher. Vielleicht haben sie ihr Herrschaftswissen zu lange vor sich hergetragen und nicht gemerkt, welche neue Form von Öffentlichkeit das Internet entstehen ließ.[…] Das wäre fatal, auch für die Demokratie. Wir brauchen sie, die kritischen, fundierten, relevanten Berichte.”

“Was könnten und sollten Sie tun, um aus dieser Krise zu kommen, und zwar stärker und klüger als zuvor? Mit Sparen allein wird das nicht gehen, auch wenn Sie in den nächsten Jahren gefordert sind, Ihre unternehmerischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.”

“Wichtiger ist vielleicht noch, sich auf das Fundament Ihres Erfolgs zu besinnen: Qualität, Relevanz und Vielfalt. Setzen Sie die richtigen Prioritäten. Das heißt: Journalismus zuerst!”

“Es gibt eine erstaunliche Homogenität in deutschen Redaktionen, wenn sie Informationen gewichten und einordnen. Der Konformitätsdruck in den Köpfen der Journalisten scheint mir ziemlich hoch.[…] Ein eigenes Urteil erfordert eigene Erkenntnisse. Wir brauchen Journalisten, die sich Zeit nehmen und in eine Materie tief einsteigen. Dazu gehört auch ein Korrespondentennetz.[…] Schicken Sie nicht erst Reporter aus Hamburg oder Berlin in ein Land, wenn das Auswärtige Amt einen Krisenstab eingerichtet hat.”

“Tun Sie alles, damit Journalisten weiterhin gute Arbeit leisten können. Die Medienwirtschaft ist keine Branche wie jede andere.”

Cut.So weit die Auswahl. Aber tatsächlich nahm Steinmeier sich die großen Medienvertreter, die da im Publikum saßen, noch etwas herzhafter zur Brust. Und die Namen der Blätter und Medienhäuser, die er damit meinte, fallen einem sofort ein. Nebst der kleinen, stillen Erkenntnis, dass die Krise der Medienbranche in Wirklichkeit eine Krise der großen Häuser ist, die vor 20 Jahren auf Kurs gegangen sind, um das große Geld zu machen und bis heute nur einen Maßstab kennen für Journalismus: Rendite. Aber wie kann ein Journalist diese Fehlentwicklung analysieren, wenn er just bei so einem auf Maximalgewinn getrimmten Schlachtschiff seine Brötchen verdient?

Frank-Walter Steinmeier: “Für manches Krisenmanagement hätte sich die Branche die eine oder andere kritische Schlagzeile und Kommentierung sicherlich verdient. Wenn wir als Bundesregierung agieren würden wie so manches Verlagshaus, könnten wir uns jedenfalls auf einiges gefasst machen. Ein Verlag stößt Zeitungen ab, die eigentlich profitabel sind, der andere kauft wahllos dazu, wohl in der Hoffnung, ihm werde schon noch was Kluges dazu einfallen. Die eine Zeitung stärkt das Lokale, um Leser zu binden, die andere schließt Redaktionen in der Fläche, um Kosten zu sparen. Andere haben anscheinend den Kampf um die besten Lösungen vorübergehend eingestellt und konzentrieren ihre Kräfte auf interne Machtkämpfe. Chefredakteure werden fast so häufig gefeuert wie Trainer in der Bundesliga, wenn der Abstieg droht.”

Da braucht man keine Zeitungstitel zu nennen. Sie fallen einem ganz von allein ein.

Aber Steinmeier lässt es nicht dabei. Er versucht das zunehmende Misstrauen in “die Medien” zu erklären – und zwar nicht nur eindimensional, wie das mancher Kommentator gern tut (das schreckliche Internet oder der dumme Leser …). Er nennt auch einen dritten Grund. Das ist das Zitat mit dem Deutungsmonopol, das auch die LeadAcademy herumgeschickt hat.

Aber in dem Zitat tauchen die drei Auslassungspünktchen – ganz fatal – genau an der Stelle auf, an der es interessant wird.

Hier der Absatz in Gänze:

“Es gibt aber auch eine dritte mögliche Ursache für das Misstrauen: Vielleicht waren sich die Journalisten einfach ihres Deutungsmonopols zu sicher. Vielleicht haben sie ihr Herrschaftswissen zu lange vor sich hergetragen und nicht gemerkt, welche neue Form von Öffentlichkeit das Internet entstehen ließ. Vielleicht aber auch haben die täglichen Abrechnungen mit dummen, ignoranten Politikern in den Zeitungen das Interesse der Leser an Politik sinken lassen – und am politischen Journalismus gleich mit.”

Das war ja nicht nur bei Peer Steinbrück so, von dem am Ende kaum etwas die meisten Medien so beschäftigte wie sein Stinkefinger. Wer Politiker fast nur noch so darstellt, muss sich nicht wirklich darüber wundern, dass das Interesse vor allem der interessierten Leser erlahmt. Die anderen kommen eh nur kurz vorbei, lachen sich eins und gehen zum nächsten Comic-Strip über. Dass auch die großen, maßgeblichen Medien diesen Trend zur Nivellierung, zur Reduktion von Politik auf eklatante Vorfälle mitgemacht haben und selbst immer weiter treiben, hat ihnen ihre schöne Reputation längst gründlich zerschossen. Manche glauben nur noch, eine zu haben.

Ihre einst sehr interessierten Leser haben sie verprellt. Durch pure Oberflächlichkeit, die einige der Chefredakteure heute immer noch für den frischen, erfrischenden neuen Geist der Medienwelt halten.

Und so findet man in Steinmeiers Rede auch diesen Satz, der einmal aus der Perspektive des Außenministers schildert, wie es viele, viele Leser mittlerweile empfinden: Die Chefautoren ihrer einst geliebten Leitmedien leben und verorten sich in einer anderen Welt.

Frank-Walter Steinmeier: “Das Meinungsspektrum draußen im Lande ist oft erheblich breiter. Wie viele Redakteure wollen Steuersenkungen, Auslandseinsätze, Sanktionen? Und wie viele Leser? Sie müssen nicht dem Leser nach dem Munde schreiben, genauso wenig wie wir Politiker nur auf Umfragen starren sollten. Aber Politiker und Journalisten gleichermaßen sollten die Bedürfnisse ihrer Leser und Wähler nicht dauerhaft außer acht lassen.”

Damit ist wohl alles gesagt.

Die komplette Rede von Frank-Walter Steinmeier: www.auswaertiges-amt.de

Zum LeadAward: www.leadacademy.de

Der “Spiegel” zur Preisverleihung: “Medienpreis Lead Awards: Sieg mit Steinbrücks Stinkefinger” www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/lead-awards-2014-preistraeger-sueddeutsche-magazin-a-1002907.html

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