Statt sich montäglich auf der Straße zu verlaufen, ist Legida nun endgültig zur Agitation via selbstgebastelter Medienpräsenz übergegangen. Man säße im Keller eines bekannten Senders in Leipzig, so Markus Johnke, ein mutiger Mensch hätte ihnen den Schlüssel gegeben. Zum Start eines bemerkenswerten Gesprächsformates, welches Legida am heutigen Montag via Livestream auf Youtube etwa 130 Interessierten anbot, hatte maßgeblich Johnke gerufen. Man sprach quasi mit sich selbst, nachdem andere in Leipzig den Disput auf großer Bühne ausgeschlagen hatten.

Eines muss man Johnke über die Jahre lassen. Er will reden. Wenn auch nicht mit jedem. Und dass der nicht näher selbstdefinierte „Internetunternehmer“ immerhin seit 2014 am Ball bleibt. Vielleicht auch, weil man manchmal glaubt, nicht mehr zurück zu können. Und nun am 25. Januar 2016 in einer merkwürdigen Leipziger Kellerumgebung vor einem dunklen Vorhang hockt und die wenigen Zuschauerfragen beantwortet.

Drei Fragen werden es letztlich eigentlich sein, die irgendwie greifbar sind. Minutenlang fabuliert Johnke zu seiner Definition eines Nazis, seinem Nicht-Kennen der Leipziger Ahmadiyya-Gemeinde und wer alles mit ihm reden möchte. Und wer nicht. Und warum man doch eigentlich mal miteinander reden müsste, denn die Gewalt könnte ja auch eskalieren. Natürlich hauptsächlich durch die anderen.

Man ist geneigt, ihm diese Angst und die nach den Ereignissen vom 12. Dezember und 11. Januar 2016 auch allgemein gewachsenen Befürchtungen abzunehmen. Seinen eigenen Anteil beschreibt er durchaus, wenn auch nur indirekt. Es seien ja auch bei ihnen Leute, wie auf der Gegenseite, die Gewalt nicht ablehnten – oder so. Alles halb irgendwie, alles unsicher trotz eines versuchten Auftritts der Gelassenheit vor der Kamera.

Markus Johnke und Lars Mährholz vor der Oper 2014. Die Montagsmahnwachen spalten sich an diesem Tag in Leipzig auf. Foto: L-IZ.de
Markus Johnke und Lars Mährholz vor der Oper 2014. Die Montagsmahnwachen spalten sich an diesem Tag in Leipzig auf. Foto: L-IZ.de

Mit der Presse reden geht trotzdem nicht

Einst politisierte sich Markus Johnke über die Montagsmahnwachen im Jahr 2014, trat da für Frieden, gegen die Nato und das Geldsystem ein und organisierte anschließend maßgeblich die erste Absplitterung, den „Sonntagsausflug“, mit. Dieser fand am 15. Juni 2014 unter Beteiligung des späteren Dresdner Pegida-Redners Stephane Simon („Juliane Nagel, diese Fotze“) und dem Berliner Mahnwachenveranstalter Lars Mährholz unter spärlicher Beteiligung auf dem Leipziger Augustusplatz statt. Und gilt bis heute als der Tag der Trennung der einzelnen Montagsmahnwachenmacher, welche zeitweise bis zu 1.000 Menschen durchaus friedlich vor der Leipziger Oper zu versammeln wussten. Rückblickend betrachtet auch ein Ort, an welchem sich Markus Johnke radikalisierte und auf Widerstände traf, die er vorher nicht kannte.

Schon damals eifrig live dabei, der Leipziger Verschwörungskanal „Nuoviso“ rings um Gründer und Haupttalker Frank Höfer. Heute lauten die aktuellen Themen hier „UFOs: Kompletter Perspektivwechsel für globale Politik?“ oder „Nicht Flüchtlingskrise: Arglistige Umsiedlung“. Johnkes ehemaliger Weggefährte Hagen Grell hat ebenfalls bei den Filmern als Moderator angeheuert und in seiner Freizeit rettet er gerade Deutschland auf seinem Youtube-Channel. Allein die heute eingenommenen Positionen mancher zeigt, es war ein diffuses Unterfangen.

Doch vor allem die eher linksgerichteten Friedenswachen-Teilnehmer vom Beginn rannten damals davon, Markus Johnke blieb, verschwand nur kurz von der medialen Bildfläche, um bei Legida wieder aufzutauchen. Schon damals das Thema des heutigen Legida-Vormannes: der ganz große Frieden, das mangelnde Interesse anderer und die Ablehnung seiner mitorganisierten Bewegung durch die Medien. Und die Suche nach denen, die Schuld daran sind, dass sich die Menschen einfach nicht vertragen wollen.

Vielleicht ist es das, was ihn nun vor der Kamera hocken und einen wenig ergiebigen Zuschauertalk veranstalten lässt. Niemand rede mit ihm, so Johnke am 25. Januar vor laufender Kamera, dabei hätten er und die anderen von Legida doch öffentlich zum Gespräch eingeladen. Burkhard Jung, NoLegida und all die anderen, die ihn und seine Bewegung nicht leiden können. Alle haben abgesagt, so gehe das nicht. Doch einem Interview mit der L-IZ entzieht sich Johnke selbst auch.

Am gleichen Tag, als man auf dem "Sonntagsspaziergang" Vorträge hält: Stephane Simon, welcher später bei Pegida seinem Hass gegen Juliane Nagel (Die Linke) freien Lauf lässt. Foto: L-IZ.de
Am gleichen Tag, als man auf dem “Sonntagsspaziergang” Vorträge hielt: Stephane Simon, welcher später bei Pegida seinem Hass gegen Juliane Nagel (Die Linke) freien Lauf lässt. Foto: L-IZ.de

Die Bühne ist entscheidend – und der fehlende Widerspruch

Es ist das alte Spiel von Politik und Hobbyrevolutionären. Geredet wird nur, wenn man die Regularien selbst festlegen, die Bühne bestimmen kann. Einem Interview mit der L-IZ.de weicht der Legida-Frontmann seit Monaten aus. Er habe keine Zeit, so die offizielle Begründung. Vielleicht auch ein Problem Johnkes dabei – beide Seiten sollten das Gespräch mitschneiden können, eine Opferrolle seinerseits ist in der direkten Konfrontation unter Nachfragen nicht mehr möglich. Ein widerspruchsloses Verkünden kruder Theorien, wie im Livestream gegenüber weitgehend ambitionslosen, vorgefilterten Fragen ebenfalls nicht mehr.

Auch ein Strafgericht, wie von Legida und Pegida im gesamten Jahr 2015 Woche um Woche auf der Bühne aufgeführt, müsste entfallen. Ebenso wäre der vergifteten Einladung, jeder könne sich doch dem versammelten Legida-Volk auf der Bühne präsentieren, der Boden so entzogen. Und den üblichen Parolen vermutlich auch.

Die NSDAP war auch am 25. Januar mal wieder, laut Ausführungen des neben ihm hockenden, weitgehend unbekannten Buchautors Holger Fröhner (der in öffentlich zugänglichen Informationen „recherchiert“ hat, dass das Conne Island Geld von der Stadt erhalte, 228.000 Euro im Jahr, Skandal), eine linke Partei. Johnke nickt eifrig. Will man auch hier im „Conne Island“ die Wurzel der finsteren Antifa entdeckt haben, eine bei der Leipziger CDU in gleichlautender Schlichtheit vorgebrachte These eindimensionalster Lesart, ist die Erklärung zur Nazidiktatur die noch bekanntere Schablone.

Herzlich Willkommen bei der echten Querfront

Dass die NSDAP links gewesen sei, ist eine der unter echten Querfrontaktivisten beliebtesten Erörterungen zum dritten Reich und der Selbstreinigung. Als ob es eine logische Schlussfolgerung sei, dass es sich ja dem Namen nach um eine sozialistische Arbeiterpartei handele und demnach links sein müsse. Eine These, angesichts durch Nazis ermordeter Kommunisten, Intellektueller, Juden und dem Rassenwahn des Führers aller Führer, in etwa so plausibel wie der Deutschen Demokratischen Republik zu unterstellen, die letzten beiden Worte in der Bezeichnung einer selbst so bezeichneten “Diktatur des Proletariats” wären wahr gewesen.

Solche “Wahrheiten” spiegeln vielmehr ein wenig der Welt, die man von Johnke nicht mitbekommt wenn er von der Bühne herunter gegen „Schreikinder“ und andere Gegner wettert. Es ist der leise Johnke, der zu begründen sucht, warum mit Hannes Ostendorf der Bandleader der bei rechten Fußballhooligans hoch angesehen Hassband „Kategorie C“ (heute „Hungrige Wölfe“) am 11. Januar 2016 auf der Bühne Legidas stand, während in Connewitz rund 250 organisierte Schläger im Stile der SA Ladengeschäfte in der Wolfgang-Heinze-Straße demolierten.

Markus Johnke bei Legida am 11. Januar 2016. Foto: L-IZ.de
Markus Johnke bei Legida am 11. Januar 2016. Foto: L-IZ.de

Am Ende ist alles ein einziger Brei mit brauner Soße

Ostendorf sei ja in der öffentlichen Wahrnehmung längst weniger rechts als Legida, so die Idee Johnkes zu einem Auftritt eines Sängers, von welchem rechtsseitig nur noch wenig Platz bleibt. Hannes Ostendorf war 1991 an einem Brandanschlag auf ein Bremer Flüchtlingsheim beteiligt und wurde dafür zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Logisch also, dass für Johnke eben auch keine „Nazis“ bei Legida mitlaufen, so irgendwie live geäußert. Er muss über Monate NPD-Stadtrat und Dauerstraftäter Enrico Böhm trotz der Medienberichte genauso übersehen haben, wie Alexander Kurth und so manchen, der ihm in der Organisation seiner Legida-Veranstaltung zur Hand geht. Auch in der nach 2 Stunden beendeten Live-Talk-Adaption aus dem Keller nennt Johnke zudem „unseren Anwalt“ nicht beim Namen. Dieser war in seiner steilen Karriere bereits Gutachter für die sächsische NPD und vertritt zur Dauerüberraschung aller Beobachter bereits seit Jahren maßgeblich Mandanten aus dem rechtsextremen Schlägermilieu bis hin zu ehemaligen, vorgeblich heute geläuterten Rechtsextremisten.

Vielleicht muss man es angesichts der seltsamen Kellerfunknummer am Abend des 25. Januar einfach mal so sagen: Nein, Legida ist nicht Teil des öffentlichen Diskurses über die Zukunft einer demokratischen Gesellschaft. Dafür sind die Vordenker des Bündnisses zu einfach gestrickt und keine Hilfe für irgendwen. Nicht einmal für soziale Fragen unserer Zeit oder für sich selbst. Es ist verstehbar, warum sich ihre derzeitige Führungsfigur keinem L-IZ-Interview stellen möchte und lieber DDR-Fernsehen versucht. Da musste man zwar noch Postkarten statt Mails schreiben, aber es war nicht viel anders als der erste Livestream-Talk von Legida.

Am 1. Februar möchte Legida wieder das tun, was die Macher am besten können. Auf einer Bühne in Leipzig so laut reden, dass wirklich niemand die Fragen verstehen kann.

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