Im Jahr 2015 ist es nun passiert: Das Internet hat die klassischen gedruckten Tageszeitungen im „Meinungsdbildungsgewicht“ überholt. Dieses Gewicht wird regelmäßig im Rahmen des Medienkonvergenzmonitors von TNS Infratest für die Landesmedienanstalten ermittelt. Die freuen sich immer, dass das deutsche Fernsehen immer noch als dicker Klops die Meinungsmacht Nr. 1 ist. Nicht bei allen.

Das haben schon vorhergehende Untersuchungen im Medienkonvergenzmonitor ergeben. Denn die Mediennutzung differenziert sich extrem – zwischen den beiden Geschlechtern, zwischen den Altersgruppen und vor allem zwischen den Bildungsgraden.

„Obwohl Bedeutung und Reichweite des Internets von Jahr zu Jahr steigen, bestimmen TV-Unternehmen nach wie vor den Meinungsmarkt in Deutschland“, heißt es in der Mitteilung der Landesmedienanstalten zur am 12. Mai vorgelegten Gesamtbetrachtung für das Jahr 2015. “Das Fernsehen ist mit einem Anteil von 36,3 Prozent weiter das Medium mit dem höchsten Meinungsbildungsgewicht. Mit deutlichem Abstand folgt das Internet mit einem Anteil von 21,6 Prozent – erstmals auf Platz zwei vor den Tageszeitungen mit 20,7 Prozent, dem Radio mit 19,2 Prozent und den Zeitschriften mit 2,2 Prozent.“

Meinungsbildung ist ja nicht gleich Informiertheit. Danach differenziert die Studie denn auch nur in einem speziellen Feld: dem Internet, da, wo sich eigentlich alle begegnen. Denn der Ausspielkanal Fernsehen spielt gerade bei jüngeren Nutzern immer seltener eine Rolle. Sie holen sich die Informationen dort, wo sie gebündelt vorliegen: auf ihrem PC, ihrem Laptop, ihrem Smartphone.

Und da wird es interessant.

Zum Beispiel auch in dem, was die Landesmedienanstalten dazu für wichtig befinden zu erwähnen: „Bei der informierenden Mediennutzung im Internet kommen Zeitungen und Zeitschriften auf die vorderen Plätze. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung liegen Web-Angebote von Zeitungen auf Platz eins (13,2 Prozent), E-Mail-Portale auf Platz zwei (12,8 Prozent) und Web-Angebote von Zeitschriften auf Platz drei (11,8 Prozent) – noch vor der Vermittlungsplattform Facebook (10,8 Prozent).“ Was schon ins Gewicht fällt, denn die gedruckten Zeitschriften schaffen nur noch 2,2 Prozent bei der Meinungsmacht.

Da hätte man eigentlich gedacht, dass die Landesmedienanstalten hier auch auf die Webangebote der Fernsehsender eingehen. Tun sie aber nicht. Die landen in diesem Direktvergleich der informierenden Mediennutzung im Internet mit 31,9 nämlich nur auf Rang 6 – hinter Wikipedia. Mit Betonung auf „informierende Web-Nutzer“. Denn Fernsehen sorgt zwar mit seiner Dauerberieselung vorrangig in den Abendstunden dafür, die Meinungen im Land zu prägen (und ist damit nicht ganz unschuldig an den verqueren Diskussionen der Gegenwart), aber das Internet ist mittlerweile zum Nr. 1-Medium für alle geworden, die sich wirklich informieren wollen, mehr als nur Schnipsel, oberflächliche Fakten und inhaltlose Kommentare wollen.

Das ist etwas anstrengender. Deswegen steigt die Nutzungsfrequenz des Internets vor allem mit dem Bildungsgrad. Bei den jungen Nutzern ist sie schon seit Jahren die Nr. 1. Aber da natürlich alle Menschen, die mit jungen Jahren in die digitale Welt eingestiegen sind, älter werden, steigt Jahr um Jahr auch das „Meinungsgewicht“ des Internets. 2015 hat es mit 21,6 Prozent erstmals die Tageszeitungen überholt. Das Fernsehen scheint seit 2014 relativ stabil zu sein, nachdem es vorher schon mehrere Prozente abgeben musste.

Aber mit 42,1 Prozent ist das Fernsehen besonders bei den über 50-Jährigen noch das gewichtigste Medium. Dort schafft es auch die Tageszeitung noch auf 27,1 Prozent, während das Internet dort erst für 8,8 Prozent meinungsbildend ist. Völlig anders ist es bei den 14- bis 29-Jährigen. Da ist das Internet mit 44,8 Prozent die Nummer 1, das Fernsehen folgt erst bei 25,4 Prozent, die Tageszeitungen bei 10,9 Prozent.

Wobei eben der Hinweis durchaus berechtigt ist: Die Tageszeitungen verlieren zwar Käufer und Auflage, haben aber nach wie vor die höchste Reputation. Ganz abgesehen davon, dass im Internet unterschiedlichste Angebote quasi parallel genutzt werden. Man bleibt nicht vor einem „Sender“ kleben, sondern nutzt unterschiedlichste Web-Angebote, zu denen auch die Angebote von Zeitschriften gehören, die hier sogar auf 39,7 Prozent kommen.

Natürlich tauchen hier auch die diversen „Social Media“ auf, allen voran Facebook.

Aber die Studienersteller haben auch mal nachgefragt, was die Nutzer denn eigentlich bei diesen „Social Media“-Anbietern tatsächlich als informativen Content nutzen. Da haben wir jetzt mal in die Vorgänger-Studie aus dem Herbst geschaut. Und siehe da: Selbst auf Facebook wird zu 44 Prozent professionell erstellter Inhalt zur Informationsaufnahme genutzt. Wenn man die Sowohl-als-auch-Aussagen dazu nimmt, sind es 62 Prozent. (Das „als auch“ bezieht sich auf den nutzergenerierten Inhalt). Bei Twitter ist es noch deutlicher, dort wird zu 58 Prozent professionell erstellter Inhalt wahrgenommen plus 21 Prozent von Nutzern, die „sowohl-als-auch“ gesagt haben.)

Das heißt, auch die Social-Media-Kanäle werden von den meisten informationsbewussten Nutzern vor allem als genau das betrachtet: Als einer von vielen möglichen Kanälen, um im Internet an relevante Informationen zu kommen.

Wir betonen das „informationsbewusste“ einfach mal. Denn hinter den Gesamtzahlen der Umfrage steckt natürlich nicht nur das reine Informationsbedürfnis. Das ist in der Regel ein aktiver und lernender Vorgang, während gerade Fernsehen und Radio zum passiven Konsum verleiten. Weswegen übrigens das Fernsehen den größten Teil des Tages als Informationsmedium gar keine Rolle spielt. Erst ab 17 Uhr schnellt die Nutzungskurve auf 60 Prozent hoch, im Lauf des Abends auf rund 68. Prozent. Da in den Umfragen immer wieder alle Zahlen zusammengehauen werden, die auch „seltene“ TV-Nutzung einschließen, kommen die bräsigen deutschen TV-Anstalten auf die 95 Prozent, mit denen sie gern ihre Allgegenwärtigkeit behaupten.

In der Zeit von 13 bis 17 Uhr ist übrigens das Internet das meistgenutzte Medium landesweit mit Werten um die 40 Prozent. Das klingt nach falsch verbrachter Arbeitszeit, stimmt so aber auch nicht ganz, denn die meisten Nutzer geben an, dass sie zur Internetnutzung das eigene Gerät verwenden – immer häufiger natürlich das Smartphone.

Aber das Ergebnis ist schon erhellend, denn die einzelnen Ausspielkanäle haben in den unterschiedlichen Nutzergruppen alle ein unterschiedliches „Meinungsbildungsgewicht“. Wer die jungen Leute ereichen will, sendet online, wer die alten erreichen will, macht Fernsehprogramm.

Die jüngste Auswertung der Landesmedienanstalten.

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