Einer hängt im Alten Rathaus, einer im Bach-Archiv, einer in einer Privatsammlung in Princeton, einer wurde im November in Philadelphia versteigert, nachdem er noch 2010 kurz für 500.000 und 400.000 Dollar bei ebay angeboten wurde ... Jedes Mal scheint es derselbe Bach aus der Werkstatt von Elias Gottlob Haussmann zu sein. Aber Bach ist nicht gleich Bach. Auch wenn es immer wieder derselbe Hofkompositeur und Thomaskantor ist.

Oder zu sein scheint. Denn wenn es um die bekannten Bildnisse des Leipziger Komponisten geht, dann ist die Forschung irgendwo auf dem Stand des Jahres 1914 stecken geblieben, kann Peter Wollny, Leiter des Referats Forschung I im Bach-Archiv, zum Presse-Lunch am Mittwoch, 19. Dezember, erzählen. Seine wichtigste Botschaft: Bach kommt.

Jener Bach, den das Bach-Archiv im November in Philadelphia ersteigern konnte für 100.000 Dollar. Hans-Joachim Schulze kannte das Bild schon. Mehrmals hatte es der in den USA lebende Niederländer Baron van Tuyll van Seroskerken dem Bach-Archiv zum Kauf angeboten. “Damals für 100.000 Dollar”, erinnert sich Schulze, der von 1992 bis 2000 Direktor des Bach-Archivs war und 1996 bei einem Abstecher in den USA Gelegenheit hatte, das angebotene Bach-Porträt kurz zu sehen. Ein Foto zeigt diese Begegnung im Keller einer Bank. “Aber damals hätte Leipzig allein die 100.000 Dollar aufbringen müssen. Daran war gar nicht zu denken”, sagt Schulze.

2010 tauchte das Porträt noch zwei Mal kurzzeitig in der Wahrnehmung des Bach-Archivs auf – beide Male bei ebay eingestellt. Doch 500.000 und 400.000 Dollar waren augenscheinlich deutlich zu hoch angesetzt. Das Angebot verschwand wieder. Und im November 2012 wurde es dann auf einmal knapp. “Eine Woche vor der Auktion entdeckten wir das Bild im Aktionskatalog”, erzählt Wollny. “Ich glaube, in der Woche liefen alle Leitungen heiß. Wir taten wirklich alles, um finanzielle Unterstützer für die Auktion zu gewinnen.”

Dass die Auktion so spät entdeckt wurde, liegt daran, dass das Bach-Archiv zwar alle Versteigerungen von Musikalien aufmerksam beobachtet. Aber in diesem Fall war es eine Kunstauktion. Und möglicherweise versprach sich Baron van Tuyll van Seroskerken dabei einen Betrag weit über den 100.000. Immerhin war es doch ein Bach, möglicherweise sogar ein echter Haussmann.

Wahrscheinlich letzteres aber nicht. Denn bekannt sind nur zwei originale Porträts des 61jährigen Johann Sebastian Bach aus der Werkstatt von Elias Gottlob Haussmann, der zu seiner Zeit auch kein Unbekannter war. Seit 1720 galt er offiziell als Porträtmaler der Stadt Leipzig, obwohl er mit der ansässigen Malerinnung im Clinch lag. Haussmann malte berühmte Professoren, Theologen, Kaufleute und Ratsherren. Berühmt wurden seine Porträts des Trompetenvirtuosen Gottfried Reiche, der Dichterin Luise Adelgunde Victorie Gottsched und eben das Bachs, das 1746 in einer ersten Version entstand.

Diese Version hängt heute in der Ratsstube des Alten Rathauses. Das Bach-Archiv verwendet sie nicht in seinen Marketingaktionen.Der Grund ist simpel: Das gute Stück hing zu lange öffentlich in der Thomasschule und war über Jahrzehnte den Streichen der Thomaner ausgesetzt. Bei diversen Restaurierungen und Übermalungen hat das Gesicht wesentliche Feinheiten eingebüßt. Das Gesicht wirkt geglättet. Anders als auf dem dann 1748 gemalten zweiten Bild Haussmanns, das Bach in der selben Pose zeigt. Das ist jenes Exemplar, das heute in Princeton hängt. Nach einem oder beiden Originalen entstanden aber in den Folgejahrzehnten auch diverse Kopien durch andere Maler – insbesondere für Bachschüler und Bachbewunderer. Oder eben jenes, das im Bach-Archiv so schön beleuchtet zu sehen ist und 1950 als Kopie in Auftrag gegeben worden war.

Das nun in Philadelphia ersteigerte Bild ist ebenfalls eine Kopie – entstanden möglicherweise Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts nach einem der beiden Originale. Es hat selbst gegenüber dem Original im Alten Rathaus einen Vorteil: Es ist wesentlich detailreicher, weil es eben all die Zeit immer in Privatbesitz war und deshalb auch von öffentlichem Verschleiß verschont blieb. Was Wollny wieder ganz kribbelig macht, denn nun kann auch die Geschichte der Bach-Porträts wieder neu angepackt werden. Im Januar soll das ersteigerte Bild in Leipzig eintreffen.

Und ein Plätzchen dafür ist auch schon vorgesehen: in der Schatzkammer des Bach-Archivs, wo eine richtige Bach-Ahnengalerie entstehen soll.

Was man über das Bild zumindest weiß, weil das Bach-Archiv dessen Weg in den vergangenen Jahrzehnten stets aufmerksam verfolgte, ist: Das Bildnis befand sich ursprünglich im Besitz der Leipzigerin Wilhelmine Burkhardt und wurde aufgrund seines Detailreichtums und seines guten Erhaltungszustands im Jahr 1913 als Vorlage für die Restaurierung des Bach-Gemäldes in der Thomasschule benutzt. Nachdem sich die Spuren des Gemäldes in den 1930er Jahren verloren, tauchte es im Jahr 1955/56 im Bestand des Antiquars Hans Schneider in Tutzing auf, der es nach Utrecht (Niederlande) an Baron van Tuyll van Serooskerken verkaufte. Dieser brachte es schließlich nach Birmingham (Alabama/USA).

Besagte Wilhelmine Burkhardt hieß mit Taufnamen Bach, so fand Hans-Joachim Schulze anhand eines Leipziger Adressbuches aus den 1860er Jahren heraus. “Ob sie tatsächlich selbst zur großen Bach-Familie gehörte, weiß ich natürlich nicht”, sagt er. “Das müsste noch gesondert erforscht werden.

Genug neue Fragen für die Leipziger Bach-Forschung.

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