LeserclubJetzt haben wir einen Namen: Aregelia. Aber passt der zu Leipzig? Wo ist dieses simple Lei oder *leih, das Leipzigs Namensforscher als Wurzel des Namens annehmen, an das dann irgendwann so eine schöne slawische Endung wie -ici, -icz, -iz drankam? Steckt das klebrige, fließende Leih vielleicht doch in Aregelia? - Kay Suchowa bringt uns auf die Spur.

Der Mann ist Archäologe in Hamburg und an einer der faszinierendsten Ausgrabungen beteiligt, die man in Hamburg machen kann: der Ausgrabung des alten Burgwalls, hinter dem vor 1.000 Jahren die Keimzelle Hamburgs gegründet wurde. Das ist eine eigene Geschichte. Wer mag, kann sie unterm unten angegebenen Link lesen.

Aber bei den Ausgrabungen stießen die Hamburger Archäologen auf eine Materie, die es in sich hat: schleimig, schlickig, glitschig. Damit hatten die alten Hamburger den Wall bestrichen und damit für Angreifer richtig eklig gemacht. “Die Schleimschicht ist feinster Kleiboden, gewonnen aus entwässertem Flussschlick”, beschreibt die Autorin Angelika Franz das Zeug. Und dann kommt die Stelle mit dem Aha-Effekt dahinter: “Wie unangenehm dieses Material sein kann, verrät schon sein Name: Klei komme vom mittelniederdeutschen Wort für kleben und bezeichne genau das, was dieser Boden an allem tue, mit dem er in Berührung komme, erklärt der Archäologe vom Helms Museum Hamburg.”

Als Bodenklasse heißt diese Zeug Gleye. Und es kommt nicht nur in den norddeutschen Marschen vor, sondern auch in Flussauen, wo das Grundwasser hoch ansteht.

Noch näher kann man diesem Ort, der direkt an einer kilometerbreiten Flussaue entstanden ist, nicht kommen. Nicht von der Beschreibung des vorherrschenden Bodentyps her (nass, glitschig im Winter, aber auch nährstoffreich und fruchtbar, idealtypisch für die Weichholzaue, ein Wort, das in der Diskussion um Leipzigs Auenwald immer wieder auftaucht), sondern auch vom Wort her.

Es steckt ja nicht nur gleiten und kleben drin, glitschig und fließend. Sondern auch das gesuchte *leih. Man kann es gar nicht übersehen.

Und dieses fehlende “g”, das dem Ort irgendwann abhanden kam, ist auch noch da. Genauso, wie man es in Are-gelia findet. Und auch den Burgwall aus Hamburg kann man sich vorstellen, denn etliche Historiker gehen ja davon aus, dass das ursprüngliche Leipzig nicht auf dem Sandsporn stand, auf dem dann der Burgward entstand, sondern als Wasserburg in der Niederung. Der alte Straßenname Alte Burg (die heutige Lortzingstraße) weist noch darauf hin. Möglich, dass auch die alten Siedler ihre Burgwälle mit Gley bestrichen. Möglich auch, dass damit tatsächlich der im Winter matschige, im Sommer trockene Boden der Auenniederung gemeint war.

Und es bleibt ein Rest. Das vorangestellte Are-.

Das stellen wir hier einfach mal als Vermutung hin. Weil sie so schön passt. Denn in ganz Deutschland findet man Flüsse und Bäche mit Namen wie Aar, Ahr, Ahre, Ahle, Aare. Einige werden etymologisch abgeleitet vom keltischen Wort für Wasser (Aha), die Mehrzahl von der Wortwurzel Aar, die im indoeuropäischen Sprachraum so viel bedeutet wie “kleiner Fluss” oder “schnellfließendes Wasser” (unten beispielhaft im Wikipedia-Artikel Aar). Womit eigentlich beides beisammen wäre: der kleine Fluss, der hier überquert werden musste, und das in der Winterjahreshälfte glitschige und schwer zu passierende Gelände. So ein richtiger Händlername, der alles sagte: Durch die breite Aue von Elster und Pleiße kam man hier am besten – aber vorzugshalber in der warmen Jahreszeit.

Das sind jetzt vier Indizien, die dafür sprechen, dass Aregelia tatsächlich der Ursprungsname von Leipzig ist. Er hat die Völkerwanderung, die slawische Besiedlung, die Ostexpansion und die Besiedlung mit fränkischen, flämischen und (nieder-)sächsischen Siedlern überlebt, hat sich jedes Mal ein bisschen verwandelt und der Sprache der neuen Hauptbevölkerung angepasst. Das Glitschige, Matschige – die (G)Leye – blieb übrig, bekam noch eine slawische Endung, die dann noch eingedeutscht wurde, als aus -ici ein -zig wurde.

Es sind vier starke Indizien. Stärkere, als sie für die Erklärung, Leipzig komme vom slawischen Lipa, stehen.

Und sie verknüpfen eine archäologisch nachgewiesene Siedlungszeit mit jenem 20. Dezember 1015, als der Meißner Bischof Eido bei seiner Fahrt Richtung Westen im Burgward Libzi gelandet war, möglicherweise in Richtung Westen nicht weiter kam, weil der Weg durch die glitschige Elsteraue wieder mal nicht passierbar war. Und dann starb er in dem Burgward, der knapp 80 Jahre vorher auf dem Sandsporn über dem lehmigen Auenland errichtet worden war.

Um das Jahr 150 hatte Ptolemäus den Namen auf seine Karte von Germania Magna gemalt. Und damit wohl Leipzig tatsächlich urkundlich gemacht.

Feiern wir also, wie es sich gehört: 1.850 Jahre Leipzig. Und einen der Festwagen widmen wir dem ägyptischen Gelehrten Claudius Ptolemäus.

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