Nicht dass uns für diese Serie die Orte ausgegangen wären, aber die Leipziger Buchmesse läuft gerade, Bücher über Schlösser und Burgen gibt’s da bestimmt viele. Buchverlage sind auf ihre Art auch Schätze und Schlösser. Leipzigs Graphisches Viertel ist bis auf das Haus des Buches und einzelne Adressen Vergangenheit.

Ein künftiges Reclam-Museum ist ein Traum aus neuerer Zeit, aber es ist vorstellbar. An F. A. Brockhaus erinnert eine Porträtbüste in einem Innenhof des Brockhaus-Carrees und der Straßenname Großer Brockhaus. Grafische Technik hat ihr Domizil im Museum für Druckkunst in der Nonnenstraße, und dort kann nach wie vor und wie einst gesetzt, gedruckt und gebunden werden.

Eine Fehlstelle in den Straßenfluchten der Querstraße und am Großen Brockhaus beherbergte einst auch den Turm-Verlag. Wie es dort heute aussieht, so etwas bezeichnete der Theaterregisseur Tankred Dorst als „Nicht-Ort“ und belebte solche Nicht-Orte auf Opernbühnen. (Und was da alles los war, nicht wahr! Aber Ort mit Benutzung. Zum Beispiel im Bayreuther „Ring des Nibelungen“.)

Trost und Hoffnung

Traumschlösser und Märchenschlösser gibt es länger als Grimms Märchen oder gar das Schloss Neuschwanstein und seine mutmaßliche Kopie in Disney-Land. Von großen Schlössern träumten die kleinen Leute, von Goldschätzen, Reichtum, Leben in Saus und Braus. Als Mythos überlebte der Traum vom Reichtum von einer Generation zur nächsten. Der Gedanke an die vermeintliche und nur vorgestellte andere Welt war Trost, Hoffnung, Wegbegleiter und Wegweiser bei der Suche. Auf der Suche nach dem Glück nach dem Glück, wie es Wolfgang Krause-Zwieback sagte, der auf seine Weise ein moderner Märchenerzähler ist.

In diesen Mythos, seine Protagonisten, den Gestus und die Diktion des Erzählens hat sich eine Niedlichkeit eingeschlichen, so erzählen wir „Märchen“ statt Märe. Im Sorbischen gibt es den Begriff Mahr und auch Nachtmahr, das Gespenst. Zu diesen Sprachgeschichten und den Traum vom Reichtum passt satirisch die Tatsache, dass die Porträts der märchensammelnden und sprachforschenden Brüder Grimm einst einen deutschen Geldschein zierten.

Eine einstige Bewohnerin des Schlosses Wiederau in der Nähe von Pegau wurde in einem Radio-Interview nach ihren Erinnerungen an die Kindheit im Schloss befragt, nach dem Leben und dem Alltag oder den Festen im beachtlich großen Festsaal unter dem prächtigen Deckengemälde, aber sie schüttelte den Kopf: „Nein, da war gar nichts los. Da wurde auch nicht gegessen. Es war eine kalte Pracht.“

Aus dem Traum vom Märchenschloss ist auch der Vorspann dieser Serie über die unendlichen Geschichten von Schlössern, Burgen und Herrenhäusern gespeist. Und der Text geht nicht los mit „Es war einmal …“.

Protzig stehen sie da, und ein Hauch Romantik umgeistert ihre Zinnen, Tore, Bäume und Parks von Schlössern, Burgen und Herrenhäusern, selbst dann noch, wenn sie längst verlassen sind. Manches Haus zeigt neuen Putz, frische Farbe, ausgebesserte Details an Skulpturen, Fenstern und Fassaden. Glück haben sie gehabt, diese alten Bauten, wenn sich jemand um sie kümmert.
Manche Tore sind verschlossen, Schilder warnen vor wachenden Hunden. Anderswo sind Besucher willkommen und schauen sich um (wie L-IZ.de), staunen oder lassen sogar ihre Fantasie spielen …

Fantasie ist nicht alles. „Man muss wissen, wo’s steht…“, besagt sächsischer Volksmund, und meint „wo man’s findet, wenn man’s braucht.“

Leipzig ist als Buchstadt – und einstige deutsche Hauptstadt des Buchhandels – mit der Tradition solcher Verleger und Verlagsnamen verbunden wie Baedecker, Breitkopf, Brockhaus, Insel, Kiepenheuer, Meyer – nach Spuren des Turm-Verlags Leipzig muss man suchen. Im Stadtgeschichtlichen Museum gibt es keine Bestände, keine älteren Karteikarten.

Im Leipziger Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek werden vier Verlagsprospekte aufbewahrt. In den Verzeichnissen der Branche wurde der Verlag geführt: Der Turm-Verlag wurde am 16. Juli 1907 in Leipzig gegründet. Erstmals wird der Verlag im „Adressbuch des Deutschen Buchhandels“ von 1908 als Turm-Verlag Markert, Scheffer & Co. aufgeführt. Als Inhaber sind Ernst Markert, Johannes Curitz und Dr. Karl Wilh. Gottl. Theod. Scheffer vermerkt.

Schatz aus Uromas Kindertagen: Die Grimmschen Märchen. Foto: Karsten Pietsch
Schatz aus Uromas Kindertagen: Die Grimmschen Märchen. Foto: Karsten Pietsch

In den „Verlagsveränderungen im deutschen Buchhandel 1900-1932“ ist zu erfahren, dass der Turm-Verlag Markert & Co. sich 1917 in Turmverlag Albert Platzek veränderte. Weiterhin ist vermerkt: Verkehr seit 1922 nur direkt. Ein Teil des Verlags ging an Hachmeister & Thal über.

Als Verlagsanschrift ist die Querstraße 14 angegeben. Eine Adresse mitten im sogenannten Graphischen Viertel, einem Stadtgebiet von einigen Dutzend Häuserquartieren östlich des Leipziger Stadtzentrums, hier hatten Verlage, Druckereien, Buchbindereien ihren Sitz. Hier standen die Buchhändlerbörse und das Buchgewerbehaus. Zur Messezeiten präsentierte man sich im Bugra-Messehaus am Gutenbergplatz, an dem die Gutenbergschule nach wie vor die Tradition der Buchgewerbeschule fortsetzt.

Die vier Prospekte, Faltblätter etwa im DIN A 4-Format, tragen keine Jahreszahlen, das Museum datiert sie auf ca. 1910 bis 1913.

Aus der Buchstadt Leipzig in die Welt

„Als praktische Ostergeschenke empfehlen wir die Vaterländischen Schriften von Theodor Rehtwisch – Turm-Verlag Markert & Co., Leipzig.“ lautet eine Werbebotschaft.
In der Buchreihe erschienen u. a. die „Schlachtenbilder der Befreiungskriege“, „Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte – Bilder aus dem Jahre der Freiheit 1813“. Jeder Band kostete eine Mark. „Den Büchern wurden durch den bestens bekannten Schlachtenmaler Theodor Rocholl eine künstlerisch schmuckvolle Ausstattung gegeben“. „Vom großen Schweiger“ ist der Titel eines Bandes mit Bildern aus dem Leben von Helmuth von Moltke. „Von der Etsch bis an den Belt“ umfasst Geschichtsbilder aus den Jahren 1806 und 1809.

Im Turm-Verlag erschienen „30-Pfennig-Bücher in vorzüglicher Ausstattung mit bestem Inhalt“.

„In Verbindung mit dem Verein zur Verbreitung guter volkstümlicher Schriften geben wir heraus: Ulrich Meyers Bücherei. Diese Bändchen bilden eine Sammlung guter Erzählungen für das deutsche Volk und zeichnen sich aus durch sorgfältige Auswahl – Deutliche Drucke – Starkes Papier – Schöne Bilder – Kräftige, widerstandsfähige Kartonagen und sehr mäßige Preise.“ In dieser kam beispielsweise der Titel: „Heim gefunden“, Erzählung aus der norddeutschen Heide von A. von der Elbe heraus. Im Turm-Verlag Leipzig erscheinen auch Friedrich Gerstäckers Schriften „Streif & Jagdzüge“ für 2,50 Mark.

„Jede Nummer 20 Pfennige in farbigem Umschlag“ ist die Offerte für die Sammlung „Von Buch zu Buch Von Blatt zu Blatt“. „Eine billige Hausbücherei, enthaltend Erzählungen, Lebensbilder, Dichtungen und belehrende Bücher älterer und neuerer Schriftsteller, herausgegeben von Theodor Rehtwisch.

Laut Verlag sind das „Die billigsten Bücher der Gegenwart“. Einige Titel sind: „Im Schlackenhof“ von K. O. Beck, Umfang 9 Bogen = 142 Seiten, „Glückliches Unglück“ von Heinrich Schaumberger, die Bände 14/16 heißen „Die Heiterethei“ von Otto Ludwig, als Schul- und Lehrprämie wird besonders empfohlen Band 8/9 „Der Vogt von Sylt“ von Theodor Mügge, das Bändchen 41/42 ist immerhin ein erstaunlich herausragender Titel „Michael Kohlhaas“ von Heinrich von Kleist. Die Botschaft des Verlages: „An Billigkeit und Gediegenheit unübertrefflich!“

Weiter geht’s mit den märchenhaften Brüdern Grimm, Otto Ubbelohde und dem Turm-Verlag Leipzig gleich an dieser Stelle.

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