Das Thema Wohnraum wird Leipzig noch richtig auf den Fuß fallen. An kaum einer Stelle wird deutlicher, wie sehr der bundesdeutsche Regulierungswahn erst die Hemmnisse produziert, die den Städten die Luft zu Atmen nehmen. Denn es sind vor allem gesetzliche Regularien, die die Baupreise in Deutschland in den letzten Jahren so in die Höhe getrieben haben, dass unter Mietpreisen von 10 Euro je Quadratmeter nicht mehr kostendeckend gebaut werden kann.

Das ist ein Mietniveau, das in westdeutschen Regionen leicht erreicht werden kann. Dort passt es auch noch zum Einkommensniveau. Aber derzeit sorgt dieses Preisniveau gerade dafür, dass nicht nur bei Baugenossenschaften und kommunalen Bauträgern im Osten Ratlosigkeit herrscht. Denn so ein flächendeckendes Mietniveau ist derzeit in keiner ostdeutschen Stadt zu erzielen.

In Leipzig schon gar nicht. Mieten von 5 bis 5,50 Euro werden hier von der Mehrzahl der Einwohner schon als Grenzbelastung empfunden. Viele tausende Menschen, die aus der ganzen Region nach Leipzig ziehen, kommen ja nicht, weil hier Löhne auf Westniveau gezahlt werden, sondern weil hier überhaupt einigermaßen belastbare Vollzeitstellen entstehen. Im ersten Teil haben wir ja die Zugkraft des Arbeitsortes Leipzig für das Bevölkerungswachstum herausgearbeitet.

Im neuen Quartalsbericht wird auch der psychologische Grund dafür erwähnt.

Unter den kleinen Meldungen im Bericht findet sich ein Hinweis auf eine Veröffentlichung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Dort hat man nämlich einmal untersucht, wie sich das Pendeln zum Arbeitsplatz auf Psyche und Gesundheit auswirken. Simples Fazit: „Lange Anfahrten zum Arbeitsplatz sind belastender als häufige Auswärtsübernachtungen und wechselnde Arbeitsorte“.

Da muss man nicht lange nachdenken, um den Grund dafür zu finden, warum die Menschen, die in Leipzig Arbeit gefunden haben, auch versuchen, in Leipzig eine Wohnung zu finden und warum das den Motor der Binnenwanderung in Gang hält. Mit Folgen natürlich. Die erste ist natürlich: freie Wohnungen werden knapp.

Wenn 15.000 bis 16.000 Menschen jedes Jahr zusätzlich in Leipzig wohnen wollen, braucht das logischerweise mindestens 4.500 neue Wohnungen, die jedes Jahr fertig werden müssen. Aber gebaut wird nur, was auch kostendeckend ist – in den vergangenen Jahren waren das zum größten Teil Einfamilienhäuser. Mittlerweile ist zwar der Geschosswohnungsbau wieder etwas in Schwung gekommen, Baulücken in den inneren Stadtquartieren werden geschlossen. Doch wenn es nicht gerade Mietwohnungen für 10 Euro je Quadratmeter sind, sind es meistens neue Seniorenstifte und Seniorenwohnquartiere. Man baut für die Klientel, die sich solche Preise (noch) leisten kann.

Sonst passiert nicht viel. 2014 entstanden zumindest 989 Wohnungen im Geschosswohnungsbau. 2015 verdoppelte sich die Zahl auf 1.892. Aber das ist eben nicht einmal die Hälfte dessen, was jetzt passieren müsste. Die andere Hälfte – und zwar genau die für den sozialverträglichen Wohnungsbau – fehlt. Und das Frühjahr 2016 geht augenscheinlich zu Ende, ohne dass sich die SPD in der sächsischen Staatsregierung durchsetzen kann in der Frage: Gibt es nun Geld für den sozialen Wohnungsbau oder nicht? Innenminister Markus Ulbig (CDU) stellt sich stur. Nicht einmal die 40 Millionen Euro, die der Bund eigentlich dafür bereitstellt, reicht er für diesen Zweck weiter.

Und je länger er zögert, umso tiefer fahren Städte wie Leipzig und Dresden in ein ganz großes Problem hinein. An den Zahlen zu den Baugenehmigungen ist es schon ablesbar. Die hatten in Leipzig in den Jahren 2011 und 2013 jeweils Höhepunkte mit über 1.000. Aber 2015 sind sie wieder auf 902 gesackt, deutliches Zeichen dafür, dass die Bauherren keine Spielräume sehen, jetzt wirklich ein großes Wohnungsbauprogramm für Leipzig anzuschieben.

Zwar wird im ganzen Stadtgebiet gebaut. Darüber berichten Martin U. Steinert und Simone Lange in ihrem Beitrag zu den Hausnummernvergaben in Leipzig. Aber mit 730 (neu) vergebenen Hausnummern im Jahr 2015 lag Leipzig nur auf dem Niveau der Vorjahre. Mit 883 Baufertigstellungen ebenfalls.

Die eigentliche soziale und finanzielle Malaise der Stadt bessert sich nur langsam. Auch wenn das bei den Zahlen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erst einmal positiv aussieht: Von 245.678 im September 2014 wuchs diese Zahl auf 252.936 ein Jahr später.

Das hat bei den Einkommen der Leipziger noch keine Revolution ausgelöst, wie ja die jüngste Bevölkerungsumfrage ergab: von einem Median von 1.207 im Jahr 2014 stieg das auf einen von 1.254. Dabei wuchs das Median-Einkommen der Erwerbstätigen von 1.487 auf 1.533 Euro und liegt damit noch weit entfernt von den vom Statistischen Landesamt ermittelten 2.899 Euro Bruttomonatsverdienst bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten für 2015. Da geht ja bekanntlich eine Menge ab, bevor das Nettoeinkommen draus wird, mit dem man am Ende die Miete bezahlt.

Auch ein paar Einkommenssteuern gehen davon ab. Und die haben 2015 zumindest die Steuereinnahmen der Stadt Leipzig gerettet. Denn die Gewerbesteuereinnahmen sind nach dem Rekordergebnis von 271,4 Millionen Euro im Jahr 2014 wieder auf 242,7 Millionen abgesackt. Das wurde vor allem durch den starken Anstieg bei der anteilmäßig eingegangenen Einkommenssteuer von 129,8 auf 139,9 Millionen Euro ausgeglichen. Die gestiegenen Löhne haben also der Stadt wenigstens geholfen, die Eigeneinnahmen zu stabilisieren.

Aber der Rückgang bei der Gewerbesteuer zeigt, wie schwach auf der Brust die Leipziger Wirtschaft eigentlich noch ist. Es fehlen die großen Unternehmen in der Breite, die auch genug Gewinn einfahren, um Leipzig endlich einmal Spielräume bei den Investitionen zu verschaffen.

Wir haben also eine Stadt, die finanziell immer noch so klamm ist wie zu Beginn des starken Bevölkerungswachstums, die jetzt aber eigentlich ihre Investitionen in Schulen, Kitas, ÖPNV verdoppeln müsste, um die Stadt zukunftsfähig zu machen.

Doch das Geld ist nicht da. Zumindest aber hat Leipzig keine Kassenkredite aufgenommen, freut sich der Finanzbürgermeister.

Also machen wir im nächsten Teil mit den kommunalen Finanzen weiter.

Der Statistische Quartalsbericht I / 2016 ist im Internet unter www.leipzig.de/statistik unter „Veröffentlichungen“ einzusehen. Er ist zudem für 7 Euro (bei Versand zuzüglich Versandkosten) beim Amt  für Statistik und Wahlen erhältlich.

In eigener Sache

Jetzt bis 9. Juni (23:59 Uhr) für 49,50 Euro im Jahr die L-IZ.de & die LEIPZIGER ZEITUNG zusammen abonnieren, Prämien, wie zB. T-Shirts von den „Hooligans Gegen Satzbau“, Schwarwels neues Karikaturenbuch & den Film „Leipzig von oben“ oder den Krimi „Trauma“ aus dem fhl Verlag abstauben. Einige Argumente, um Unterstützer von lokalem Journalismus zu werden, gibt es hier.

Ãœberzeugt? Dann hier lang zu einem Abo …

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

“Innenminister Markus Ulbig (CDU) stellt sich stur. Nicht einmal die 40 Millionen Euro, die der Bund eigentlich dafür bereitstellt, reicht er für diesen Zweck weiter.

Und je länger er zögert, umso tiefer fahren Städte wie Leipzig und Dresden in ein ganz großes Problem hinein.”

Danke liebe CDU, danke für diese bösartige Politik.

Schreiben Sie einen Kommentar