Paul Klee (1879–1940) zählt weltweit zu den bedeutendsten Vertretern der Klassischen Moderne. Aber, so betont Schmidt, als er die Klee-Ausstellung in Leipzig für den März ankündigt, der Bursche war auch ein knallharter Geschäftsmann in eigener Sache. Minutiös verwaltete er seine eigenen Arbeiten. Und um Händlern und Sammlern eine Richtschnur zu geben, habe er seine Bilder in verschiedene Klassen gruppiert. Und eine Klasse sollte auf keinen Fall verkauft werden: die Sonderklasse.

“Über 300 seines 9.000 Werke umfassenden OEuvres, die aus der gesamten künstlerischen Schaffensphase von 1901 bis 1940 stammen, hat Klee durch die Bezeichnung ‘Sonderklasse’ beziehungsweise äquivalente Bestimmungen für eine Schau- und Nachlass-Sammlung zusammengestellt. Sie erhielten dadurch den Status des Unverkäuflichen und wurden so bewusst dem Kunstmarkt entzogen”, erläutert das Museum in seiner Ankündigung den Status dessen, was da vom 1. März bis zum 25. Mai in Leipzig zu sehen sein wird und wahrscheinlich auch Scharen von Klee-Liebhabern nach Leipzig locken wird.

Denn mit diesen 300 zurückbehaltenen Bildern wollte Klee auch zeigen, welche Maßstäbe für ihn galten. Die Klassifizierung hat der 1940 in der Schweiz Verstorbene auch als erste selbst konzipierte „Retrospektive“ verstanden. Ein Traum, den der in den 1920er Jahren Gefragte und Berühmte wohl zu recht träumte: Eine Ausstellung, die sein Werk zeigt, wie er es gezeigt haben wollte, gleich nach seinem Tod.

Paul Klee: Der Künftige, 1933.  Foto: Zentrum Paul Klee, Bern
Paul Klee: Der Künftige, 1933. Foto: Zentrum Paul Klee, Bern

“Aber daran war 1940 in ganz Europa ja bekanntlich nicht zu denken”, sagt Schmidt. Viele der Bilder, die Klee mit den Kürzeln “scl” oder “skl” versehen hatte, musste der verarmte Künstler noch zu Lebzeiten verkaufen, auch aus dem Nachlass gingen noch etliche dieser Bilder zu Markte. “Aber bis auf vier oder fünf sind heute alle Bilder der Sonderklasse weltweit noch nachweisbar”, freut sich Schmidt auf diese Kooperation mit der Schweiz, die nun in Leipzig (quasi als Geschenk zum 1.000-jährigen Jubiläum) erstmals eine Schau dieser Klee-Sonderklasse möglich macht.

Vor allem in den 1930er Jahren nutzte Klee die „Sonderklasse“, um sein bis dahin ausgearbeitetes Werk in neuer Form aufzugreifen und zu revidieren. Dementsprechend gibt es zahlreiche bisher nicht entdeckte Querbezüge zwischen den „Sonderklasse“-Bildern und anderen Arbeiten, die einen völlig neuen Blick auf das Gesamtwerk Paul Klees eröffnen. So macht das Museum schon einmal neugierig auf die Neu- und Wiederentdeckungen in der Ausstellung.

Zu Lebzeiten des Künstlers wurde diese Retrospektive nie realisiert. Nun konnte eine Auswahl dieser Arbeiten erstmals für eine Ausstellung in Bern und Leipzig zusammengetragen werden. Nahezu ein Drittel aller „Sonderklasse“-Werke befindet sich im Zentrum Paul Klee in Bern. In Leipzig werden, neben zentralen Werken aus Bern, prominente Leihgaben aus nationalen wie internationalen öffentlichen und privaten Sammlungen zu sehen sein. Mit mehr als 130 Arbeiten und Dokumenten wird die Leipziger Ausstellung neben diesen selten präsentierten Leihgaben interessante Querbezüge zwischen „Sonderklasse“-Bildern und anderen Werken Klees aufzeigen.

Und als kleiner Leckerbissen für die Bach-Freunde: Zudem wird Paul Klees Begeisterung für Musik und sein Anregungspotential für Komponisten des 20. und 21. Jahrhunderts thematisiert. Im Mittelpunkt steht Klees Bild “Fuge in Rot”, eine Arbeit, die Klee in künstlerischer Referenz auf Johann Sebastian Bachs Musik geschaffen hat. Er war ein bekennender Bach-Verehrer. Nur in Leipzig war er möglicherweise nie, obwohl solche Abstecher von Klees Wirkungsstätten in Weimar und Dessau aus zumindest denkbar wären.

Paul Klee: Polyphon gefasstes Weiß (1930). Foto: Zentrum Paul Klee, Bern
Paul Klee: Polyphon gefasstes Weiß (1930). Foto: Zentrum Paul Klee, Bern

Nur wird es ihn nicht unbedingt als Künstler nach Leipzig gezogen haben, denn Leipzig war auch in den 1920er Jahren eine “extrem kulturkonservative Stadt”, wie Schmidt betont. Oder vielleicht mit der Einschränkung: Das tonangebende Bürgertum, das damals auch die Ankaufpolitik des Bildermuseums bestimmte, war derart kulturkonservativ. Leipzig selbst hatte eine durchaus rege avantgardistische Szene, über die der Kunstkritiker Max Schwimmer durchaus sehr breit und manchmal auch wütend berichtete. Denn den “Jungen Wilden” waren die “Heiligen Hallen” der hohen Kunst schlicht versperrt.

Deswegen wird die Klee-Ausstellung auch ein kleiner Paukenschlag für Leipzig. “Klee absolut”, sagt Schmidt. Und setzt noch einen drauf: “So gab es Klee noch nie zu sehen.”

Hinter der Ausstellung steckt natürlich auch ein großes Stück Forschungsarbeit.

Die Forschungsarbeit erfolgte durch ein Team von Wissenschaftlern unter Leitung von Prof. Wolfgang Kersten von der Universität Zürich, einem der weltweit führenden Klee-Spezialisten. Die Ergebnisse sind in einem umfangreichen, in Leipzig realisierten wissenschaftlichen Katalog zusammengefasst, der erstmals alle „Sonderklasse“-Blätter erfasst und umfassend dokumentiert.

Die Ausstellung ist offizieller Beitrag zum Jubiläum 1.000 Jahre Leipzig.

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