Es gibt Geburtstagswünsche, die sind so selbstlos, dass am Ende alle etwas davon haben. Zumindest, wenn sie sich für Kunst interessieren. Und ein bisschen für Kunstgeschichte. Wie jetzt in einer neuen Kabinettausstellung des Museums der bildenden Künste Leipzig (MdbK): "Kleine Werke - Große Namen." Sie ermöglicht einen Blick in die Schätze der einst von Maximilian Speck von Sternburg zusammengetragenen Kunstsammlung.

Das Geburtstagskind, das sich etwas wünschen durfte, war Wolf Dietrich Speck von Sternburg. Der Wahlleipziger, der gerade seinen 80. Geburtstag feiern konnte, wünschte sich 2013, bei den Partyplanungen für sein Jubiläum, von Museumsdirektor Hans-Werner Schmidt eine kleine besondere Ausstellung: eine Kabinettausstellung mit Zeichnungen aus der Sammlung Maximilian Speck von Sternburgs.

Das durfte er aus freiem Herzen, denn immerhin hat er 1998 dafür gesorgt, dass die Sternburgsche Kunstsammlung als Stiftung im Museum der bildenden Künste und damit auch Leipzig erhalten blieb.

Und diese Sammlung ist etwas besonderes: eine der wenigen erhaltenen Kunstsammlungen aus der Goethe-Zeit. Wobei Goethe-Zeit bei einem Mann wie Maximilian Speck von Sternburg nicht nur so dahingesagt ist: Der junge Kaufmann stand mit dem Weimarer Dichterfürsten auch im Kontakt, ein Briefwechsel ist überliefert. Und beide teilten das Ideal der klassischen Kunst, die Liebe zur Antike und zur Renaissance. Und Speck, der 1825 zum Ritter und 1828 zum Freiherrn von Sternburg erhoben wurde, sammelte schon früh. Leipzig, so stellt Marcus Andrew Hurtig, der Kurator der kleinen Ausstellung. fest, war im frühen 19. Jahrhundert einer der wichtigsten Kunsthandelsplätze Europas. Vieles von dem, was Speck von Sternburg für das Schloss in Lützschena und das Stadthaus (Speck’s Hof) sammelte, konnte er direkt in Leipzig kaufen. Manchmal natürlich in dem guten Glauben, tatsächlich weltberühmte Meister wie Rembrandt einzukaufen.

Jean Honoré Fragonard: Landschaft mit verfallener Hütte. Foto: Museum der bildenden Künste Leipzig
Jean Honoré Fragonard: Landschaft mit verfallener Hütte. Foto: Museum der bildenden Künste Leipzig

Das stimmte zwar nicht immer. Kunsthändler machten damals mit dem Wunsch des jungen, bildungshungrigen Bürgertums gute Geschäfte. Und erst moderne Forscher konnten aufdröseln, aus welcher Werkstatt die Arbeiten tatsächlich kamen. Aber da ging es Speck von Sternburg nicht anders als jenen Sammlern, aus deren Sammlungen er viele Stücke kaufte – etwa der von Gottfried Winckler, aus dessen Sammlung er 1815 viele Stücke erwarb, die dann zum Grundstück seiner eigenen Sammlung wurden.

Wie die Speck’sche Sammlung dann ins Bildermuseum kam, das ist eine eigene Geschichte, bei der Wolf Dietrich Speck von Sternburg, direkter Erbe in 6. Generation, geradezu ins Plaudern kommen kann. Denn eine Bedingung des ursprünglichen Gründers der Sammlung im Testament war auch, dass seine Sammlung geschlossen an den Erben überging. Und wenn es mal keinen Erben mit dem Namen Speck von Sternburg mehr geben sollte, wäre Leipzig die letzte Adresse der Sammlung gewesen.

Das sah in Leipzig auch ein paar Jahrzehnte so aus, denn 1945 wurden die Kunstwerke vom damaligen Direktor des Museums der bildenden Künste aus dem Schloss in Lützschena geborgen und in den Depots des Museums erst einmal in Sicherheit gebracht. Das verhinderte auch ihre Deportation nach Moskau, wie es damals vielen Kunstwerken aus Dresden geschah. Erst 1951 wurden erstmals wieder Bilder aus der Sammlung offiziell gezeigt und bis 1996 war nicht so ganz klar, wer nun wirklich der Besitzer der Kunstwerke war, bis die Familie Speck von Sternburg per Gesetz wieder in ihre Rechte eingesetzt wurde.

“Aber für mich war immer klar, dass die Bilder in Leipzig bleiben”, sagt Wolf Dietrich Speck von Sternburg. Das sorgte nicht nur dafür, dass die Sammlung innerhalb der “Maximilian Speck von Sternburg Stiftung” dauerhaft im Bildermuseum blieb – immerhin 202 Gemälde, 127 Zeichnungen und 192 Druckgrafiken. Es sorgte auch für eine langjährige Partnerschaft des Museums mit Wolf Dietrich Speck von Sternburg, der auch schon mal als Botschafter für “sein” Leipziger Bildermuseum unterwegs ist.

Nicolaus Knüpfer: Salomos Götzendienst. Foto: Museum der bildenden Künste Leipzig
Nicolaus Knüpfer: Salomos Götzendienst. Foto: Museum der bildenden Künste Leipzig

Die kleine Kabinettausstellung macht jetzt für Kunstinteressierte erlebbar, wie gebildete Bürger zur Goethe-Zeit ihre Sammlungen zusammenstellten, wie sie versuchten, ihre Sammlung mit großen Namen zu bereichern (auch wenn viele dieser Blätter heute nachweislich nicht von den einst gefeierten Genies stammen, sondern eher aus ihrer Werkstatt oder einer verwandten Schule). Was auf den ersten Blick nicht auffällt. Denn die berühmten Maler der Renaissance, die im ersten Raum vertreten sind, machten natürlich Schule. Sie brachten neue Sichtweisen, Mal- und Zeichenweisen in die Kunst ein. Und andere Künstler versuchten das nicht nachzuahmen, weil sie damit selbst reich und berühmt werden konnten, sondern weil sie die Neuerungen in der Kunst unbedingt aufnehmen wollten. So entstanden Kunstepochen und Künstlerschulen. Und die Käufer verlangten natürlich kein Echtheitszertifikat. Wenn im Versteigerungskatalog “Da Vinci” stand, dann war’s eben ein da Vinci. Das Bild bekam seinen Platz an der Wand, die Gäste staunten und der Hausherr war stolz. Und dieser Hausherr war es in besonderem Maße, denn er war ja auch noch Mitgründer des Leipziger Kunstvereins, dem er selbst natürlich auch wieder Bilder schenkte, die später – 1858 (zwei Jahre nach dem Tod Specks von Sternburg) – zum Grundbestand des nagelneuen Bildermuseums auf dem Augustusplatz wurden.

Nicht alle Bilder aus der Sternburgschen Sammlung sind also erst 1945 oder 1998 ins Haus gekommen. 1998 entstand dann auch – zusammen mit der Gründung der Stiftung – ein dicker Katalog zu allen Stücken der Sammlung, in dem dann auch die wahrscheinlich richtige Herkunft vieler Bilder ermittelt wurde.

In der Kabinettausstellung sieht man auch das: Neben den Etikettierungen aus der alten Sternburgschen Sammlung sind auch die heutigen, von Kunstwissenschaftlern ermittelten Herkunftsangaben zu den Bildern zu lesen. Das sieht dann manchmal wie eine kleine Degradierung aus, wenn aus einem Rembrandt eine Grafik “nur noch” aus dem Umkreis des berühmten Holländers wird. Aber gerade diese Bilder zeigen auch, welche Wirkung Rembrandt in seiner Zeit entfaltete. Das vergisst die moderne Erzählung vom Kunstgenie oft, wie sehr Kunst auch davon lebt, dass einer seine Schüler und Zeitgenossen dazu bringt, aus lauter Begeisterung seinen Stil nachzuahmen.

Das niederländische Kapitel der Sammlung ist im dritten Ausstellungsraum zu sehen, während der mittlere Raum den großformatigen Zeitgenossen Maximilian Specks von Sternburg gewidmet ist, der über die in Leipzig existierende Kunstakademie natürlich auch beste Kontakte zu den heimischen Zeichnern hatte, die oft direkt aus der Schule Adam Friedrich Oesers kamen, bei dem auch Goethe Zeichenunterricht hatte. Womit sich der Kreis schließt. Denn in den hier gezeigten Bildern wird auch der große Traum der Klassik vom faszinierenden, antiken Süden sichtbar, in dichter Nachbarschaft zur gleich darauf folgenden romantischen Malerei. Malerei auch deshalb betont, weil die Zeichner ganz so arbeiteten, dass ihre Zeichnungen die volle Wirkung eines Gemäldes entfalten konnte.

Die Kabinettausstellung “Kleine Werke – Große Namen. Zeichnungen aus der Sammlung Maximilian Speck von Sternburg” ist im Museum der bildenden Künste vom 19. Februar bis zum 17. Mai zu sehen. Und wer dadurch erst richtig neugierig geworden ist, wie eine bürgerliche Kunstsammlung der Goethe-Zeit tatsächlich aussah, der kann auch einen Katalog dazu kaufen.

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