Rätselhafte Gesten, geheimnisvolle Rituale, vernebelt vom Rauch des Mystischen und oft genug beladen mit Verschwörungstheorien von Teufelsanbetung, Klüngel und heimlicher Weltherrschaft aus dem Untergrund – spontane Gedanken beim Stichwort Freimaurer. Doch wie sieht die Realität aus? Eine Briefmarken-Ausstellung Ende April bietet Gelegenheit zur Meinungsbildung und zum persönlichen Austausch abseits aller Klischees.

„Unser Bruder Günther Hentzsch hat sich über 50 Jahre die Mühe gemacht, die Motive zu sammeln und komplex darzustellen. Auch die verschiedenen Länder. Das ist nicht nur Deutschland, es geht nach England, Frankreich, USA, Australien, überall. Das ist wirklich international“, erklärt einer der Mitorganisatoren der mehrfach prämierten Ausstellung, selbst wie auch Initiator Hentzsch Mitglied der 1776 entstandenen Leipziger Freimaurerloge „Balduin zur Linde“. Vom 29. April bis 1. Mai 2016 werden im Hotel „Thüringer Hof“ in der Leipziger Innenstadt zwölf Schautafeln mit etwa 500 Briefmarken über Geschichte und Symbolik der bis heute geheimnisumwitterten Freimaurer informieren. Anlass ist der 90. Geburtstag Hentzschs, der es sich nicht nehmen lässt, zur Eröffnung persönlich anzureisen. „Es ist spannend zu sehen, wie Freimaurerei in vergangenen Generationen gelebt und publiziert wurde. Er hat wirklich eine Ausstellung gesammelt, wo man sagen muss: Respekt, da gehört viel Liebe, viel Zeitgeist dazu.“

Als weltumspannende Bruderschaft sehen sich die Freimaurer ihren Angaben nach den Idealen von Barmherzigkeit, Humanität und Toleranz abseits starrer Dogmen verpflichtet. Organisiert sind die deutschlandweit etwa 15.000 Freimaurer in sogenannten Logen, deren erste am 24. Juni 1717 in London gegründet wurde. Ihre Ursprünge liegen einer heute gängigen Theorie zufolge in der mittelalterlichen Bauhüttenbewegung, in der kleine Kreise ihr Spezialwissen zum Bau riesiger Gotteshäuser bewusst geheim hielten. Mit dem Rückgang der Aufträge übertrug man das Prinzip der „Arbeit am rauen Stein“ sinnbildlich auf die Persönlichkeit des Menschen. Spekuliert wird vielfach über noch viel ältere Vorläufer in Kulten und Riten der Antike und Verbindungen der Freimaurer zum legendären Orden der Tempelritter, was sich allerdings schwer beweisen lässt. Trotz einer zunehmenden Öffnung der Logen für Außenstehende in den letzten Jahren bleibt die Konspiration über die Details bei den Ritualen ein zentrales Merkmal des Bundes, dem auch so bekannte Persönlichkeiten wie Goethe, Lortzing, Mozart, Stresemann, Churchill, Roosevelt und viele andere angehörten. Naturgemäß hat die Geheimhaltung Verschwörungstheorien aller Couleur Tür und Tor geöffnet.

Für den Mitorganisator der kommenden Ausstellung ist klar: „Wir sind offener geworden. Aber man muss den geschützten Raum bewahren, ansonsten verliert man die Grundzüge.“ Denn: „Es gibt gewisse Erlebnisse, die kann man nur im Rahmen seiner Brüder erleben. Das sind ganz persönliche Erlebnisse. Man kann sich über alles unterhalten, ohne dass es nach außen dringt.“ Zu seiner persönlichen Motivation bekennt der Freimaurer:“ Man hat die profanen Alltagsthemen – Aufstehen, Tagespolitik, was macht mein Bankkonto. Aber es fehlt der Anstoß, sich mal mit anderen Themen intensiv zu beschäftigen, mit Gleichgesinnten austauschen. Das ist ja das, was einen am Ende weiterbringt.“

Was erhofft sich die Loge von der Ausstellung? „Wir erhoffen uns, dass man mit dem ein oder anderen tiefer ins Gespräch kommt. Jemanden zu gewinnen, wäre falsch. Aber der Anspruch an uns ist es ja, ein besserer Mensch zu werden, und wenn man damit auch andere begeistern kann, wäre das Ziel schon erreicht. Wir wollen Vorurteile abbauen, ins Gespräch kommen, Menschen offener machen.“

Die Briefmarken-Ausstellung „Freimaurer, Symbole und Logen“ wird am 29. April um 17 Uhr im Hotel „Thüringer Hof“, Burgstraße 19, 04109 Leipzig mit einleitenden Worten von Initiator Günther Hentzsch eröffnet und bis 19 Uhr zu besichtigen sein. Am 30. April und 1. Mai ist sie jeweils von 11:30 bis 16 Uhr zugänglich. Veranstalter ist die Leipziger Freimaurerloge „Balduin zur Linde“. Während der Öffnungszeiten wird stets mindestens ein Logenmitglied für Fragen und Gespräche bereit stehen. Der Eintritt ist frei, Spenden sind jedoch willkommen.

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