Ab Mittwoch, 18. Mai, kann man im Institut für Kunstpädagogik der Uni Leipzig in einer Ausstellung sehen, wie Plakate in Leipzig mal wirkten - als es noch Plakate gab und nicht bloß seriell überzüchtete Magermodels in billigen Modekampagnen. Frank Neubauer ist so ein Künstler aus Zeiten, als künstlerisch gestaltete Plakate an Leipziger Litfaßsäulen noch normal waren.

Und das Institut für Kunstpädagogik im Geschwister-Scholl-Haus in der Ritterstraße 8 – 10 zeigt, was der 1941 in Hirschberg im Riesengebirge geborene Grafiker so alles entworfen hat in der Zeit von 1972 bis 1997: 50 Plakate stehen beispielhaft für diese 25 Jahre. Und natürlich ist die Ausstellung auch ein Fest: eine Würdigung zum 75. Geburtstag des Künstlers, der vor seinem Studium der angewandten Grafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig auch mal Lehrer studiert hat. Was er nicht einfach an den Nagel gehängt hat, sondern dann ganz praktisch umgesetzt hat als Lehrer am Institut für Kunstpädagogik der Uni Leipzig – und zwar die ganze Palette von Malerei über Grafik, Gebrauchsgrafik, Schriftgestaltung, Typografik bis zur Fotografik. Da sind viele Jahrgänge angehender Kunstlehrer durch seine Werkstatt gegangen.

Die Ausstellung ist also ein Heimspiel für den Mann, der seit 1987 auch richtiger Professor für Gebrauchsgrafik, ab 1992 Professor für Kunstpädagogik mit Schwerpunkt Theorie und Praxis des Designs war. Bis 2006 hat er den jungen Leuten was beigebracht, freiberuflich aber immer auch Plakate zu diversen kulturellen Anlässen gestaltet. Ob das nun eine historische Kameraausstellung war, ein Luther-Jubiläum, eine Ausstellung zur Politischen Grafik (gibt es die überhaupt noch?), Ausstellungen von Künstlerkollegen oder Werbung für Leipziger Museen wie das Antikenmuseum oder das Ägyptische Museum.

Kein Plakat gleicht dem anderen, jedes probiert neue Varianten des modernen Designs aus, wird zum Hingucker und zum grafischen Erlebnis. Eben das, was Plakate eigentlich sein müssten. Es ist ja nicht so, dass diese Kunstform seit dem 19. Jahrhundert nicht echte Revolutionen erlebt hätte und längst auch professionelle Fundierungen bekommen hätte.

Heute hat sich diese grafische Professionalität in Nischen zurückgezogen. Auf den Straßen sieht man sie kaum noch. Da überwiegen die Dauerwerbesendungen oder aufgemotzten „Eyecatcher“, die eine Prägnanz der Botschaft meist völlig vermissen lassen. Bei manchen Plakatwundern der Gegenwart braucht man schon eine Lupe, um herauszufinden, worum es geht.

Was für Neubauers Arbeitsweise typisch ist, versucht Rainer Behrens auf den Punkt zu bringen, den die Leipziger noch als Kustos und langjährigen Leiter der Galerie im Krochhaus kennen. Im Ausstellungskatalog macht er einen regelrechten Ausflug in die Geschichte der Plakatkunst. Das tut er zu Recht, sonst wird’s ja wieder vergessen. Und bei Neubauer gehört das historische Zitat zum Handwerkszeug. „Zu den gestalterischen Mitteln Frank Neubauers gehören typografische Schöpfungen unter Verwendung historischer und zeitgenössischer Druckschriften …“, erzählt Behrens. Und listet dann auf. Schrift wird bei Neubauer – und da knüpft er eigentlich an die moderne Plakatgestaltung der 1920er Jahre an – zum Bild.

Aber auch wenn einen solche Plakate manchmal im Stadtraum begleiteten (heute werden sie ja schon am nächsten Tag wieder wild überklebt), verschwinden sie irgendwann wieder. Aus dem Auge, aus dem Sinn. Eine – zumindest im öffentlichen Raum – vergängliche Kunstform

Eigentlich gibt es da auch für Frank Neubauers Schaffenszeit längst etwas festzuhalten und zu erforschen. Denn gerade weil die Institutionen des Landes und der Stadt nicht in irgendeinem rundgelutschten Designstudio anrufen konnten, um sich ein neues Plakatmotiv für teuer Geld zu bestellen, landeten die Plakataufträge bis in die frühen 1990er Jahre dort, wo sie eigentlich bei einigem Anspruch landen sollten: bei Künstlern, die ihr Handwerk wirklich gelernt hatten. Deswegen spricht Behrens auch von „visueller Kommunikation“. Das Plakat regt an, sich mit dem Beworbenen geistig zu beschäftigen. Es signalisiert eben nicht nur „Jetzt kaufen! Billig, billig!“, sondern: „Das könnte Sie wirklich interessieren, nehmen Sie sich die Zeit.“

Eröffnet wird die Ausstellung „Frank Neubauer. Plakate zu Kunstereignissen 1972 – 97“ am Mittwoch, 18. Mai, um 18 Uhr im Institut für Kunstpädagogik. Zur Einführung spricht Rainer Behrens. Gezeigt wird die Ausstellung an diesem Ort dann bis zum 14. Oktober.

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