Das Jahr 2017 fängt mit einer Schließung an. Und auch noch das beste Stück wird’s treffen: das Kaffeemuseum oder – im offiziellen Titel – die „Ständige Ausstellung im Museum zum Arabischen Coffe Baum“ in der Großen Fleischergasse. Pilgerort für alle Besucher, die wirklich wissen wollen, wie es um das Land der Kaffeesachsen bestellt ist. Und nun ist der Pilgerort einen Monat lang geschlossen. Aus gutem Grund.

Denn die Ausstellung wurde in den vergangenen Monaten inhaltlich überarbeitet, teilt das Stadtgeschichtliche Museum mit, zu dessen Imperium auch dieses kleine Museum gehört, das 1999 eingerichtet wurde. Ein echtes Unikum, das vor allem von der Liebe zur Leipziger Kaffeekultur erzählt, die die damaligen Mitarbeiterinnen des Museums pflegten. Und zeigen wollten. Denn Kaffee in Sachsen, das sind nicht nur Blümchenkaffee und jene kampfunlustigen sächsischen Soldaten, die dem preußischen König nicht ohne Kaffee als Kanonenfutter dienen wollten.

Das Museum ist ja nicht ohne Grund genau in diesem – 1556 erstmals erwähnten – Haus eingerichtet worden. Womit es eines der ältesten in Leipzig erhaltenen Häuser ist. Und es ist eines der ältesten Kaffeehäuser Europas. Wenn nicht alle Nachrichten trügen, das nach dem „Café Procope“ in Paris zweitälteste, das heute noch in Betrieb ist. Das „Procope“ kann auf einen Kaffee-Start im Jahr 1686 verweisen. Ein Italiener war es, der den Kaffee nach Paris brachte in diesem Fall. Es war sowieso die Zeit des Siegeszuges der arabischen Kaffeebohne, die damals auch nach Leipzig kam. Um 1680 ist der fröhliche Kaffeegenuss für Leipzig belegt. 1697 warnte sogar der Rektor die Leipziger Studenten vor dem Besuch der Kaffeestuben – weniger wegen des Kaffees, als wegen der Weibspersonen, die man dort antreffen könnte. Was eher ein Misstrauensbeweis gegen die klugen Frauen von Leipzig war, denn sie waren nicht unbedingt der leichtfertige Umgang, den der Rektor unterstellte. Dafür gab es streng geregelte Orte.

Aber wenn  Frauen zum Kaffeetrinken in so eine Kaffeestube gingen, dann sah das doch verflixt nach unbotmäßigem Umgang aus. Kamen die klugen Frauenzimmer da nicht auf Gedanken? Und die Studenten?

Nicht auszudenken.

Die Kaffeestuben gehörten also schon längst zur Leipziger Kultur, als Adam Heinrich Schütze 1711 für dieses Haus die Berechtigung zum Kaffeeausschank erwarb. Das war also auch reglementiert. Was einen so beim Lesen daran erinnert, dass Kaffee in der ganz frühen Leipziger Zeit im Straßenverkauf angeboten wurde. Alles begann mit Coffee-to-go, worüber übrigens Maike Günther im zweiten Band der Leipziger Stadtgeschichte (1539 – 1815) erzählt.

Und schon damals wollte der Leipziger seinen Kaffee nicht im Laufen trinken, sondern lieber in Gesellschaft am Tisch – bei Musik zum Beispiel, worüber später das Zimmermannsche Kaffeehaus in der Katharinenstraße berühmt wurde, wo Johann Sebastian Bach seine Lust als Kapellmeister auslebte. Oder bei anregender Lektüre. Was die Obrigkeit schon immer mit kritischer Skepsis beobachtete. Manchmal schienen die Zeitungen gefährlicher als die Frauenzimmer.

Und so ganz nebenbei nähert sich 2017 auch ein schönes Jubiläum: 1717 verkaufte Schütze das Haus samt Schankrecht an den berühmtesten Chocolatier der Stadt: an seinen Schwiegersohn Johann Lehmann. Der hatte bis dahin im Schlaafschen Haus am Markt Schokolade heißgemacht und unter anderem August den Starken mit heißer Schokolade verwöhnt.

Aber irgendwie nahm er sich zu viel vor, denn er ließ das alte Haus in der Fleischergasse im neumodischen Barockstil umbauen. Was dann wohl doch zu viel war. Die Neueröffnung 1719 erlebte er nicht mehr. Das gab dann erst mal Geschichten. Denn das Volk hat Phantasie, gerade wenn es lästern kann. Die Regie im neuen Haus übernahm nämlich seine junge Witwe Johanna Elisabeth. Und 1720 kam auch noch das neu geschaffene Hauszeichen aus Dresden an, geschaffen vom Permoser-Schüler Johann Benjamin Thomae. Zumindest vermutet man das heute. Damals vermutete das lästernde Volk, es sei ein Geschenk des lüsternen Königs von Polen an die junge Kaffeehauswirtin. Die Legende hält sich bis heute und die Leute fangen an zu tuscheln, wenn Leipzigs Stadtführer das vorm Coffe Baum erzählen. Mit Verweis auf dieses nun wirklich eindrucksvolle und teilvergoldete Hauszeichen, das einen kaffeetrinkenden Türken zeigt. Das ist das, was heute eine langweilige Hausnummer ist an unseren Häusern. Damals hatte jedes Haus ein Hauszeichen, ein sprechendes wie Goldener Bär oder Weiße Taube oder Goldener Apfel, Grüne Tanne oder Schwarzes Rad. Gab es alles damals. Und wer die Plastik anschaut, sieht: neben dem fröhlichen Türken ist ein arabischer Kaffeebaum zu sehen. Unübersehbar. Das ist ein Hauszeichen und eigentlich nur in einer Beziehung ein Liebesbeweis: der des verstorbenen Johann Lehmann an seine Frau. Vielleicht auch an den Kaffee selbst, der die Herzen der Leipziger erfreute.

Weshalb es später auch die schöne Kaffeekantate von Johann Sebastian Bach gab. Wohl drüben bei der Konkurrenz erstaufgeführt.

Später gab es noch einige berühmte Kaffeehäuser in Leipzig, die ihrerseits zur kulturellen Legende wurden – so wie das Café Francais am Augustusplatz, das Café Corso oder das Café Merkur. Da schweifen wir jetzt mal nicht ab. Wer sucht, findet noch heute Kaffeekultur der schönsten Art in Leipzig.

Im kleinen Museum im Coffe Baum wollten die Erfinderinnen dieser besonderen Dauerausstellung natürlich die ganze reiche und komplexe Leipziger (und sächsische) Kaffeegeschichte zeigen. Samt unverwechselbaren Ausstellungsstücken aus dem reichhaltigen Fundus. Wer mag, kann erst oben im Museum neugierig sein und dann unten in den Schankräumen, die nach der einfühlsamen Restaurierung von 1995 bis 1997 wieder an jene Zeiten erinnern, als Leipziger Kulturgrößen hier ihre Gläser und Tassen schwangen, Leute wie Robert Schumann zum Beispiel.

Und was wird nun aus dem Museum?

Einige Präsentationen wie die Orientalische Kaffeeküche und das Arabische Café werden unverändert in den Ausstellungsablauf übernommen, verspricht die Museumsleitung. Über die klassischen Inhalte wie sächsische Kaffeekultur und Leipziger Kaffeehausgeschichte hinaus wird die Geschichte der braunen Bohne vom wesentlichen Handelsgut der Kolonialzeit über ihren Status als brisante Mangelware in der DDR bis zum fair gehandelten Produkt der heutigen Zeit auch in der neuen Ausstellung präsentiert. Zahlreiche neue Exponate sowie Film- und Tondokumente werden die Ausstellung bereichern.

Geplant ist die Umsetzung dieses Neuaufbaus im Januar. Aus diesem Grund wird das Museum vom 2. bis zum 30. Januar geschlossen.

Aber dann können sich Kaffeefreunde schon mal drauf einrichten, geht es wieder los: Die Wiedereröffnung am 31. Januar sollte man sich bereits jetzt vormerken.

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