Da naht ein Jubiläum, ein rundes und dunkles: 2019 feiert das Gasthaus „Zum Arabischen Coffe Baum“ seinen 300. Geburtstag. Was schon ein Alter ist, das auch unter europäischen Kaffeehäusern Eindruck macht. So lange muss man erst einmal durchhalten. Auch als altes Haus. Was in Leipzig etwas leichter war als anderswo. Kaffee ist hier seit 300 Jahren Kultur. Die Ausstellung dazu ist jetzt generalüberholt.

Am heutigen Dienstag, 31. Januar, um 17 Uhr, wird sie dann von Dr. Volker Rodekamp, Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, und Anne Dietrich, Kuratorin der Ausstellung, feierlich eröffnet.

Sie bringt ein bisschen mehr Gegenwart zur Geltung. Damit es nicht zu gemütlich wird. Denn vom Heißgetränk einer nach Aufklärung und Diskussionsfreiheit lechzenden Gesellschaft hat sich das schwarze Gebräu auch zu einem echten Umweltkiller entwickelt. Nicht Kaffeestrauch und Bohne selbst – aber deren Letztverbraucher haben sich den heimtückischen Bequemlichkeitsangeboten der riesigen Konzerne angedient, die heute den Markt beherrschen und den Kaffee unter mehr als unfairen Bedingungen anbauen und in Europa dann eine To-go-Kultur oder gar Alu-Kapsel-Kultur praktizieren, die mit geistiger Anregung und angeregtem Gespräch nichts mehr zu tun haben.

Zumindest ein Teil der verstörenden Elemente der Gegenwart musste zwangsläufig auch in die Neugestaltung der Ausstellung einfließen.

Glasfenster der Hamburger Kaffeebörse. Foto: Erika Sigmund
Glasfenster der Hamburger Kaffeebörse. Foto: Erika Sigmund

Seit der Eröffnung im Jahr 1999 haben fast 400.000 Besucher die jüngste der Einrichtungen des Stadtgeschichtlichen Museums mit ihren geschichtsträchtigen Exponaten zur Kaffeekultur besichtigt.

Viele haben sich natürlich vor allem für die Geschichte des Kaffeehauses interessiert.

So erfahren Besucher auch künftig, unter welchen Umständen das Ehepaar Lehmann das Kaffeehaus 1719 eröffnet hat und welche Geschichte sich hinter der Portalplastik und dem Namen des Hauses verbirgt. Ergänzend dazu wird die Geschichte des „Coffe Baums“ bis ins 20. Jahrhundert weitergeschrieben. Bedeutende Kaffeewirte sind ebenso präsent wie bekannte Gäste der damaligen Zeit. Welche Rolle das Gebäude über seine Funktion als Kaffeehaus hinaus erfüllte und welchem Wandel es über die Jahrhunderte unterlag, ist ein weiteres Thema.

In den vergangenen Monaten wurde die Ständige Ausstellung aber nicht nur inhaltlich überarbeitet, sondern auch grafisch neu aufbereitet. Die 15 Ausstellungsräume wurden einem veränderten Farbkonzept angepasst und mit neuen Exponaten sowie Film- und Tondokumenten bereichert. Zahlreiche Objekte werden durch LED-Spots publikumswirksam in Szene gesetzt. Auch ein Besucherleitsystem wurde installiert, das den Gästen den Rundgang durch das Museum erleichtert.

Und dann galt es, ein paar neuere Aspekte unterzubringen. So erhielten im Rahmen der sächsischen Kaffeekultur und Leipziger Kaffeehausgeschichte die Themen „Kaffee in der DDR“ und „Leipziger Cafés“ höhere Aufmerksamkeit. Sie werden in den gesellschaftlichen Kontext eingeordnet und facettenreich dargestellt. Denn bis in die jüngere Gegenwart waren Leipziger Cafés eben nicht nur Treffpunkte für den gemütlichen Plausch, sondern Orte für Kultur – und zwar in der Regel alternativer, gesellschaftskritischer Kultur. So, wie die Kaffeehäuser auch immer Treffpunkt der kritischsten Leipziger Köpfe waren – bis in die Gegenwart Orte des gesellschaftlichen Diskurses.

Kaffeewerbung. Copyright: Stadtgeschichtliches Museum
Kaffeewerbung. Copyright: Stadtgeschichtliches Museum

Neu aufgenommen in die Ausstellungskonzeption wurden die Themen „Kaffee als globale Handelsware“ und „Kaffeevermarktung heute“, wobei auch unbequeme Aspekte wie Kinderarbeit und Spekulationshandel nicht ausgespart werden. Unverzichtbar in diesem Zusammenhang ist das Thema fairer Handel mit Kaffee, das an zwei Leipziger Fair-Trade-Initiativen mit den Produkten „Der Leipziger“ und „Café Chavalo“ erläutert wird.

Aber das ordnet sich natürlich ein in den Bogen, den schon allein die Portalplastik mit dem kaffeetrinkenden Türken schlägt. Denn als die ganze Kaffeegenießerei in Leipzig vor über 300 Jahren begann, da war man sich der Herkunft der schwarzen Bohne aus dem (auch ein wenig verklärten) arabischen Raum noch sehr bewusst. Türkentrank nannten ihn auch die Leipziger – und dachten dabei durchaus an türkische Kaffeestuben.

So wird auch die Entdeckung des Kaffees und das Arabische Kaffeehaus samt der Frühgeschichte des Kaffeekonsums erzählt. Dargestellt wird, wie der Kaffee von Äthiopien auf die arabische Halbinsel gelangte, sich dort rasch verbreitete und über italienische Kaufleute auch seinen Weg nach Europa fand. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Bedeutung des arabischen Kaffeehauses als sozialer Ort innerhalb der islamischen Gesellschaft.

Und danach tut sich für Liebhaber der Kaffeekultur der ganze Reigen der Jahre auf, in denen Kaffee irgendwann nicht mehr wegzudenken war aus dem Leben der europäischen Städte, erfährt man etwas zum Rösten wie auch zum Mahlen in früheren Zeiten, sieht Kaffeeutensilien wie Koppchen, Tassen, Sammeltassen und Kaffeeservices. Man sieht die revolutionäre Rolle des Meißner Porzellans für den Kaffeegenuss.

Und dann wurde ein ganzer Themenkomplex neu konzipiert mit vier Ausstellungsräumen, wo sowohl über die Geschichte des europäischen und Leipziger Kaffeehauses als auch über die Funktion dieser Einrichtungen als Orte des Glücksspiels und der Prostitution, aber auch als Orte der Musik und politischer Diskussionen berichtet wird. Richters Caffee Haus gilt als bedeutendes Beispiel eines großen Leipziger Kaffeehauses, in dem sich Verleger und Buchhändler 1825 zum Börsenverein des deutschen Buchhandels zusammenschlossen.

Leipzig galt aber auch mal als frühes Handelszentrum für Kaffee und andere Genussmittel aus Übersee. Der Besucher erfährt, woher der Kaffee importiert und wie er in der Stadt gehandelt wurde. Einer der ersten Kolonialwarenhändler der Stadt war Jean George Riquet, der 1745 das Unternehmen Riquet & Co. gründete und für sein Tee- und Schokoladenangebot bekannt war.

Und dann bleibt da noch das Ersatz-Kaffee-Kapitel DDR, wo vom Schmuggel und Schwarzmarkt nach 1945 berichtet wird, von den in der DDR erhältlichen Kaffeesorten, der Kaffeekrise 1977 und deren Bewältigung. Bis hin dann zur Gegenwart mit ihren ganzen Unarten und den ersten Anfängen eines Fairen Handels.

Eröffnungsveranstaltung im Museum „Zum Arabischen Coffe Baum“ am Dienstag, 31. Januar, 17 Uhr.

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