Bald täglich veröffentlichen arbeitnehmernahe Organisationen Studien, die belegen, dass Arbeit auch krank machen kann. Doch viel eindringlicher als diese abstrakten Zahlen stellt "Work Hard Play Hard" mit einem fast schon unglaublichen Blick hinter die Kulissen von Management-Entscheidungen Zusammenhänge dar, die das erwähnte Phänomen glaubhaft werden lassen.

Karen Losmann ist mit ihrem Dokumentarfilm wahrlich ein großer Wurf gelungen. Gerade wenn man weiß, wie schwierig es sein kann, Drehgenehmigungen zu bekommen, um einmal hinter den schönen Schein zu blicken, den die millionenschwer ausgestatteten PR- und Kommunikationsabteilungen so glauben machen wollen. Da werden firmenintern Weiterentwicklungsmaßnahmen angepriesen, der kritische Blick entlarvt aber auch diese als Instrumente zur besseren Ausschöpfung der Arbeitskraft.

Dazu dient auch folgendes Instrument: Personalchefs optimieren ihre Software zur Beurteilung von Mitarbeitern und statt des Gesprächs entscheidet der Blick in die Datenbank, ob einem Angestellten Karrierechancen eingeräumt werden, oder er langsam aufs Abstellgleis geschoben wird. Für die soziale Verantwortung des Arbeitgebers ist offenbar kein Platz mehr in der Welt des neoliberal entfesselten Wettbewerbs. Angedeutet hat das schon Charlie Chaplin im Klassiker “Moderne Zeiten”. Heutzutage wirkt die Entfremdung zwischen Management und einfachen Angestellten noch perfider. Dabei ist das noch eines der harmloseren Szenarien, die Karen Losmann einfängt. Es scheint, als sei sie mit ihrer Kamera für die Manager so sehr Teil des Umfelds geworden, das diese sich recht offen zeigen. Oder sind sie sogar für die sozialen Konsequenzen ihrer Handlungen schon so desensibilisiert, dass sie es nicht für nötig halten, dass zu verbergen, was mit einem intakten Moralkompass als asoziales Verhalten empfunden würde?
Es kann auf jeden Fall kaum hoch genug angerechnet werden, dass es Losmann gelingt, die Zensur der PR-Profis zu umgehen und Ross und Reiter klar zu nennen. Dass sie es dabei nicht nötig hat, in Michael Moore-Manier Menschen an den Pranger zu stellen, sondern ihre nüchterne Beobachtung die bessere Variante ist, zeigt sich am eindruckvollsten, als eine externe Beraterin gegenüber Managern der DHL äußert: “Wenn die Mitarbeiter die Veränderung nicht mittragen, dann muss man auch mal Leidensdruck induzieren.”

Siehe da, die von außen betrachtet üblen Handlungslogiken entlarven sich selbst. Hier könnte also die Antwort liegen, warum Burnout-Phänomene und andere psychische Erkrankungen auf dem Vormarsch sind. Die Empörung, die sich an dieser Stelle spürbar unter den Zuschauern beim Leipziger DOK-Festival breit machte, wird sicher auch andernorts herrschen. Hier an einen Einzelfall zu glauben, dass machen aktuelle Geschehnisse wie der mutmaßliche Missbrauch von Leiharbeitern in Leipzig schwer.
Weil der Film nicht nur inhaltlich auf höchst spannende Weise Themen aufgreift, die jeden betreffen können, sondern auch stimmig gedreht und geschnitten ist, verwundert es nicht, dass sich gleich drei unabhängige Jurys des DOK-Festivals einig waren, dieser Film verdient einen Preis. “Ich bin einfach nur perplex”, waren Losmanns Worte, als sie die dritte Auszeichnung in Empfang nahm.

Vielleicht sollte der Film auch einmal Bestandteil von Führungskräfteschulungen werden, ganz so, wie auch jedes Kommunikationstraining es den Teilnehmern nicht erspart, sich ihre Fehler noch einmal auf Video anzuschauen, um daraus zu lernen.

Den Film zeigt die Cinematheque in der naTo bis Montag. Als Koproduzent strahlt ARTE den Film zu noch nicht bekanntem Termin im Herbst aus.

Die Seite zum Film:
http://www.hupefilm.de/dokumentarfilm/workhard_playhard.php

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