Als Natascha Kampusch am 23. August 2006 ihrem Entführer entkommen konnte, bewegte ihr Schicksal die ganze Welt. Die Österreicherin war 1998 im Alter von 10 Jahren von dem damals 34-jährigen Wolfgang Priklopil verschleppt und in einem Verließ gefangen gehalten worden. Jetzt hat sich das Kino dem spektakulären Kriminalfall angenommen.

Regisseurin Sherry Hormann fasst das sensible Thema mit Samthandschuhen an. Natascha Kampusch wünschte es so. Das Drehbuch wurde von Filmlegende Bernd Eichinger begonnen und nach dessen plötzlichen Tod von Ruth Toma beendet. Im Fokus steht Kampuschs Nervenkrieg mit dem Entführer Priklopil (Thure Lindhardt).

3096 Tage verbrachte die Wienerin, gespielt von den Britinnen Antonia Campbell-Hughes (Teenager) und Amelia Pidgeon (Kind), in dessen Kellerverließ. Mosaikartig reiht der Film Stationen der Entführung aneinander. Nataschas Verschleppung auf dem Schulweg, die ersten Tage der Gefangenschaft, die erste Vergewaltigung, der Skiurlaub mit dem Kidnapper und schließlich die Flucht. Hormann porträtiert Kampusch als mutige, verbissene junge Frau mit beeindruckender Leidensfähigkeit und gigantischem Überlebenswillen.
Jahrelang harrt sie in der abgedunkelten Wohnung ihres Peinigers aus, kocht für ihn, putzt für ihn, befriedigt unter Zwang seine sexuellen Bedürfnisse. Priklopil erscheint dem Zuschauer als klassischer Taugenichts. Der Nachrichtentechniker ist schüchtern, bei Frauen erfolglos und leidet unter seiner autokratischen Mutter. Getrieben von einem patriarchalischen Weltbild erklärt er Natascha zu einem Besitz, seiner Dienerin, seiner Haussklavin.

Knapp zwei Stunden dauert das packende Psycho-Duell, das unter die Haut geht. “3096 Tage” ist entgegen aller Befürchtungen kein platter Suspense, sondern ein Film mit Niveau. Die drei Hauptdarsteller vollbringen das Meisterstück, den Zuschauer mit auf eine Reise in die dunkelsten Ecken der menschlichen Seele zu entführen. Die Motive Priklopils für die Entführung fallen dabei leider ein wenig unter dem Tisch. Der Skandal um die gescheiterte Suche nach Kampusch wird gar nicht erst angeschnitten. Diese schwerlastigen Themen überlässt Hormann Journalisten und Dokumentarfilmern. Bei ihr dürfen die Zuschauer stattdessen mit Natascha durch die Hölle gehen. Ein ergreifendes Erlebnis. Nach der Vorstellung kann man gar nicht schnell genug ins Freie kommen, um nach oben zu schauen. Den Himmel bekam Kampusch in den 3096 Tagen ihrer Entführung viel zu selten zu Gesicht.

D 2013, R: Sherry Hormann, D: Antonia Campbell-Hughes, Thure Lindhardt, Trine Dyrholm, 109 min, FSK 16.

Filmstart ist der 28. Februar, zu sehen im Cineplex, CineStar, Regina Palast und UCI Nova Eventis.

Die Seite zum Film:
www.3096tage.de

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