Ungeheuerliches in Hollywood: Sony Pictures hat beschlossen, die Nordkorea-Komödie "The Interview" wegen Terror-Drohungen nicht wie geplant ab dem 25. Dezember in die US-Kinos zu bringen. Die für Donnerstag geplante Premiere wurde kurzerhand abgesagt. Der neueste Coup von Seth Rogen ("Das ist das Ende") handelt von einem fiktionalen Attentat auf Nordkoreas Diktator Kim Jong Un. In Deutschland soll der bissige Polit-Klamauk eigentlich ab dem 5. Februar zu sehen sein. Ob der Streifen hierzulande in die Kinos kommt, ist derzeit ungewiss.

Man braucht Seth Rogen und James Franco nicht mögen. Doch sollten die Nachrichten, die am Mittwoch-Abend jenseits des Atlantiks publik werden, nicht Bestandteil einer ausgeklügelten PR-Kampagne sein, muss man sich mit den US-Comedians solidarisieren. Denn eine Zensur in Form von anonymen Terror-Drohungen darf es in demokratischen Ländern nicht geben.

Ende November hatten Unbekannte Zugang zum Computer-System von Sony Pictures erlangt. Die Hacker stahlen E-Mails und Daten. Betroffen war offenbar auch der Presseverteiler der deutschen Niederlassung des Weltkonzerns. Wenige Wochen später sprachen Unbekannte Drohungen gegen die Kinos aus, die “The Interview” zeigen würden.

Daraufhin sagte Sony die Premiere ab. Mehrere Kinoketten nahmen die Komödie aus dem Programm. Der Verleih entschied sich als Konsequenz, den Filmstart komplett zu canceln. Alternative Vertriebswege stehen für das Unternehmen gegenwärtig anscheinend auch nicht zur Debatte. Der Cyber-Angriff beschäftigt inzwischen das FBI. Die US-Bundespolizei vermutet laut einem Bericht der “Washington Post”, die Verantwortlichen hätten im Auftrag von Nordkorea gehandelt. Allerdings gehen die erlangten (und teils im Netz verbreiteten) Informationen weit über diese Produktion hinaus. Geleakt wurden mittlerweile Telefondaten von Weltstars, vertrauliche, aber unverschlüsselte Mails, das Drehbuch des neuen James Bond …
In einem Leipziger Kino war “The Interview” bereits am Mittwoch zu sehen. Allerdings anlässlich einer geschlossenen Veranstaltung für Filmjournalisten. Im Mittelpunkt der Handlung stehen Moderator Dave Skylark (James Franco) und Produzent Aaron Rapaport (Seth Rogen) – die Schöpfer des erfolgreichen Promi-Talks “Skylark Tonight”. Als sie erfahren, dass Kim Jong Un (Randall Park) ein Fan der Show ist, wollen sie mit dem Diktator ein exklusives Interview führen. Tatsächlich lädt die nordkoreanische Propaganda-Maschinerie die beiden TV-Macher in das für Amerikaner verschlossene Land ein. Für die CIA die Gelegenheit, den Machthaber unauffällig zu töten. Der aufgeblasene, aber naive Talkmaster soll den Anschlag ausführen.

Der Film wirft ein fiktionales Bild hinter die Schaltzentralen der nordkoreanischen Diktator. Das Regie-Duo Seth Rogen/Evan Goldberg dekonstruiert mit zahllosen Schenkelklopfern den nordkoreanischen Personenkult. Kim Jong Un wird von Randall Park nicht als Gott-Mensch, sondern als Mensch dargestellt. Als ein Nobody, der Kraft Geburt in seine Machtposition gelangt ist, aber amerikanisches Fernsehen liebt, Basketball spielt, Margaritas schlürft, Nobelkarossen sammelt und auf Katy Perry steht. Daneben spricht der Film die Wahrheiten aus, die alle Welt weiß, bloß die meisten Nordkoreaner nicht. Etwa, dass Kim ein Atomprogramm betreibt, während seine Untertanen an Hunger leiden. Oder dass der Staat Oppositionelle in Konzentrationslager steckt.

Die Macher sparen nicht an Wort- und Spielwitz. Während das actiongeladene Finale in der westlichen Hemisphäre vor allem die Lachmuskeln der Zuschauer strapaziert, sollen Kim Jong Un und seine Getreuen die (inszenierte) Selbstentblößung des Diktators als größtmöglichste Provokation empfinden. Aber: Kunst darf provozieren. Kunst darf zum Nachdenken anregen. Deshalb sollte dieser Film auf jeden Fall öffentlich vorgeführt werden. Denn vor einer Diktatur in einem fernen Land einzuknicken, die in der internationalen Staatengemeinschaft allenfalls die Chinesen ernst nehmen, würde in diesem Fall eine Einschränkung elementarer Grundrechte – der Kunst- und der Meinungsfreiheit – bedeuten.

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