Jaana Hilgenfeld, Vorsitzende der Deutsch-Finnischen Gesellschaft in Leipzig, über Heavy Metal in Finnland, die ruhigen finnischen Männer und andere Klischees in Deutschland. Jaana Hilgenfeld ist seit 2013 die Vorsitzende der Deutsch-Finnischen Gesellschaft (DFG) in Leipzig. Die 31-jährige Leutzscherin mit finnischen Wurzeln ist eingefleischter Fußballfan, besucht Spiele der BSG, Eintracht Frankfurt und der finnischen Nationalmannschaft, und setzt sich für eine weitere Entwicklung der Georg-Schwarz-Straße ein.

Im Hauptberuf Veranstaltungsbetriebswirtin, bringt die junge Frau im Ehrenamt das nördliche Finnland den Leipzigerinnen und Leipzigern näher. Vera Augspurg hat sich für die L-IZ mit der engagierten jungen Frau getroffen, um nach den Verbindungen zwischen Leipzig und Finnland zu fragen.

Frau Hilgenfeld, Sie sind weitgereist. Sie haben finnische Wurzeln und leben jetzt in Leipzig-Leutzsch, vorher in Berlin, Frankfurt und Köln. Wie wollen Sie in Leipzig das weit entfernte Finnland populär machen?

So viele Menschen haben über Umwege irgendetwas mit Finnland zu tun und wissen das gar nicht. Ihre Lieblingsband? Vielleicht finnisch. Ihr Nachbar mit dem lustigen oder unaussprechbaren Namen? Vielleicht finnisch. Ihr Handy? Könnte finnisch sein – zumindest die älteren Modelle. Betriebssystem? Gummistiefel? Vase und Weingläser? Das Lieblingsbuch der Kinder? Und wo sind die Schwiegereltern noch einmal jeden Sommer hingefahren, die ganz tapferen vielleicht sogar im Winter?

So unterschiedlich die Wege sind, auf denen man zu Finnland kommt, so bunt gemischt ist auch die Deutsch-Finnische Gesellschaft. Die Mitglieder haben finnische Wurzeln, haben in Finnland gearbeitet oder studiert oder haben ein Faible zum Beispiel für die Musik und Filme aus dem hohen Norden. Und unser Verein wächst auch immer weiter – was ja gar nicht selbstverständlich ist für Vereine derzeit. Vom Alter her ist bei uns alles vertreten und gerade das macht die Arbeit ja auch so spannend. Natürlich gibt es dann sehr viele unterschiedliche Interessen, die wir unter einen Hut bringen müssen und vor allem aber auch wollen. Finnland ist mehr als Räikkönen, Nokia und HIM.

Wodka-Verkostung und Aktionen auf der Leipziger Buchmesse, was hätte die Deutsch-Finnische-Gesellschaft (DFG) Leipzig für mich im Angebot?

Ja, die Wodka-Verkostung war sehr lustig. Das sollten wir dringend wiederholen! Wir bieten neben unserem monatlichen Stammtisch (i.d.R. letzter Freitag im Monat, Anm. der Redaktion) auch weitere Veranstaltungen, auf die wir uns jedes Jahr wieder freuen wie unsere Frühjahrswanderung und natürlich Feste wie Mittsommer (Juhannus) oder die Weihnachtsfeier (Pikkujoulu). Aber wir haben auch sonst keine Probleme, unser Jahresprogramm zu füllen. Dieses Jahr steht das literarische Finnland im Fokus. Finnland wird Gastland auf der Frankfurter Buchmesse sein und das ganze Jahr steht unter diesem Stern. Zur Leipziger Buchmesse halfen wir wie immer im Nordischen Forum und steuerten mit einer Lesung zum Programm bei. Im August machen wir bei LeseLust mit. Im Oktober wollen wir gemeinsam nach Frankfurt fahren und den Gastlandauftritt aus nächster Nähe begutachten – wozu sich übrigens alle Interessierten gerne anschließen dürfen! Und am 6. Dezember gibt es einen großen Finnland-Tag in der Stadtbibliothek. Im nächsten Jahr ist Sibelius-Jahr, da wird es dann musikalisch.

Die Leipzigerinnen und Leipziger entdecken also Finnland?

Auch in einer so kulturreichen Stadt wie Leipzig hat Finnland sein Fleckchen verdient – an Ideen mangelt es uns nicht! Die Deutsch-Finnische Gesellschaft ist als Anlaufstelle für alles und alle offen. Generell freuen wir uns auch über jede Zusammenarbeit mit anderen Vereinen und Institutionen. So kann man gemeinsame Themen entdecken, die man sonst vielleicht nie vermutet hätte. Und der Blick über den Tellerrand hat noch niemandem geschadet.
Kultur ist ein gutes Stichwort: Wieso gibt es eigentlich so viele Heavy-Metal-Gruppen in Finnland – die Dichte gerechnet auf EinwohnerInnen ist Europaweit am größten.

Auf jede Popband kommen 24 Metalbands, habe ich mal gelesen. Als erste Erklärung hört man meist: “Na, kein Wunder, da ist es ja auch immer dunkel und kalt.” Das ist sicherlich ein wenig kurz gegriffen, aber die schwarze Seite Finnlands ist natürlich ein Phänomen, das viel zum Finnlandbild beiträgt. Metal ist für viele Fans ein Grund, sich mit Finnland zu beschäftigen oder sich gar an die Sprache zu wagen.

Schwierig zu sagen, wie dieses Phänomen entstand. Auch andere Finnen konnten mir das nicht so richtig beantworten. Vielleicht ist es wirklich diese sagenumwobene Melancholie. Die ist in Finnland kein Grund für einen Psychiater, sondern durchaus gesellschaftsfähig. Und die romantische Seite der Melancholie ist auch typisch für den finnischen Metal, die mystischen Bilder der finnischen Natur und Kultur passen da gut rein. Bestimmt können die ruhigen finnischen Männer hier einfach mal ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Gut, das wäre zu viel der Klischeebestätigung. In Finnland ist es übrigens länger hell als dunkel, es wird nicht mehr getrunken als in Deutschland und es gibt auch Menschen, die alles andere als schüchtern sind.

Welche festen Vorurteile in Finnland gibt es über uns Deutsche? Was fällt Ihnen ein?

Natürlich gibt es in Deutschland gutes Bier. Und auch sonst gelten die üblichen Klischees wie Pünktlichkeit, Effizienz, Bratwurst und ein spezieller Humor. Vor allem aber können die Deutschen nicht richtig saunieren. Aufguss zu festen Zeiten, Männlein und Weiblein zusammen in einer Sauna und jemand, der mit einem Handtuch wedelt? Das geht gar nicht. Und das nennt sich auch noch finnische Sauna! Deutschland und Finnland haben einige historische Berührungspunkte, die das Bild voneinander prägen. Deutschland war und ist für Finnland ein wichtiger Partner in Europa. Es nimmt die Führungsrolle in Europa ein.

Und umgekehrt? Die größten Vorurteile über die Finnen – was fällt da immer?

Ein paar Sachen habe ich ja schon genannt. Neben Dunkelheit, Alkohol, Wald und Seen, schweigsamen Männern und dem schweren Gemüt sollen natürlich auch die Mücken nicht unerwähnt bleiben. Finnland und den Finnen wird häufig etwas “Schräges” nachgesagt. Vom Luftgitarrenwettbewerb über den finnischen Film bis zur Musik. Und hier meine ich nicht den Metal, sondern Bands wie Leningrad Cowboys oder Eläkeläiset. Letztere sind ja auch regelmäßig zu Gast in Leipzig.

Was sind denn Ihre persönlichen Wünsche für Ihr Leben in Leipzig-Leutzsch?

Ich fühle mich in Leutzsch sehr wohl. Vom Villenviertel über Kleingartenvereine bis zur Georg-Schwarz-Straße – die Mischung macht’s. Was ich mir wünsche? Einen schönen Sommer, dass Hundebesitzer die Hinterlassenschaften ihrer Vierbeiner einsammeln, dass die Bürger und Bürgerinnen bei den Planungen zur Georg-Schwarz-Straße miteinbezogen werden, ein schönes Stadtteilfest und eine schöne Meisterschaftsfeier der BSG!

Vielen Dank Jaana Hilgenfeld!

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