Was hat der 24. Februar eigentlich mit dem Büchermachen zu tun? Eigentlich nicht viel, außer dass es noch knapp drei Wochen bis zur Leipziger Buchmesse sind, die für Verlage, die wirklich das Lesepublikum ansprechen wollen, immer mehr zur Nr. 1 in Deutschland wird. Für Verlage aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein Muss. Ein Heimspiel mit Bringepflicht. Und der Börsenverein lädt vorher immer ein zur Schnupperstunde.

Dann kommen von den etwas über 100 Verlagen, die Mitglied im Börsenverein Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind, gut ein Drittel auf Stippvisite nach Leipzig ins Haus des Buches und stellen vor, was neu im Programm ist. Eine PR-Aktion in eigener Sache, die aber wichtig ist. Denn wer die Buchhandlungen in der Region besucht, bekommt zwar da und dort mit, was an Regionalliteratur erscheint. Vom Rest aber nichts. Das geht einfach unter in der Flut der Bücher, die schon die großen Buchkonzerne jedes Jahr produzieren.

Das Phänomen kennen die meist kleinen Verlage aus der Region – etliche haben sich Nischen gesucht, wo sie die unangefochtenen Könige sind. Mit Reiseführern, regionalen Kochbüchern, Kulturbildbänden, lokalen Berühmtheiten oder – mittlerweile in Ost wie West beliebt: Regionalkrimis. Damit wartet in Thrüngen der Suttonverlag genauso erfolgreich auf wie in Sachsen-Anhalt der dr. ziethen Verlag oder in Leipzig der fhl Verlag, der nun selbst auf Expansionskurs gegangen ist und temporeiche Thriller aus Frankfurt am Main im Programm hat.

Erfolgreich. Der Thriller – in seinen eher auf Spannung getrimmten Varianten – setzt sich als neues beliebtes Genre durch. Vielleicht auch, weil der Thriller jene Phänomene, die den vielen verzweifelten Ermittlern in den Krimis Kopfschmerzen bereiten, noch klarer und dichter beschreiben kann. Der im November erschienene “Tod eines Revisors” von Olaf Jahnke hat sich binnen weniger Wochen verkauft. “Da haben wir jetzt schon die zweite Auflage vorgelegt”, freut sich Verlagschef André Mannchen. Und er ist sich ziemlich sicher, dass “Im Feuer” von Lirot & Schlueter es ebenfalls schaffen wird. Seit Dienstag ist das Buch im Handel. Zur Buchmesse sind beide Autoren in Leipzig.

Natürlich leben Bücher auch davon, dass sie nicht in jede Schublade passen. Das hilft zwar den anspruchslosen Lesern, die sich nicht groß damit beschäftigen, ob der Stoff nun stimmig ist oder gar irgendetwas mit unserer Wirklichkeit zu tun hat. Aber noch immer – auch in Zeiten von E-Book & Co. – sorgen Bücher für Debatten, greifen sie (oft stringenter als Zeitungen und andere Medien) ein gesellschaftliches Problem auf, spitzen es zu und zeigen die Zusammenhänge, die im Tagesgeschäft nicht sichtbar sind.

Manchmal liegt ein Buch dann ein Weilchen und ist nach zwei Jahren auf einmal topaktuell. Wie Frank Fabians “Die Kunst des Friedens”, das der Wirtschafts-Verlag Suhl 2013 vorlegte und das Ernst Haberland am Dienstagmorgen hochhalten konnte wie eine Neuentdeckung, die sich lohnt, endlich zu machen. Über die “Kunst des Krieges” haben schon hunderte Autoren geschrieben. Derer rühmen sich tausende Feldherren und Politiker. Aber die Künstler des Friedens werden dabei meist wie Zaungäste behandelt, als sei die Kunst des Friedens weniger schwer, brauche weniger Professionalität und Genialität.

Der Blick nach Syrien oder in die Ukraine zeigt: Das Gegenteil ist der Fall. Der Gegenwart mangelt es eindeutig an Könnern des Friedens.

Der Araki Verlag aus Leipzig hat mit Lyrikbänden Erfolg: Georg Dehn liest zur Probe gleich mal ein paar Gedichte vor. Foto: Ralf Julke
Der Araki Verlag aus Leipzig hat mit Lyrikbänden Erfolg: Georg Dehn liest zur Probe gleich mal ein paar Gedichte vor. Foto: Ralf Julke

Oder wie ist das mit den sächsischen Verhältnissen, die nun seit Dezember auch die Straßen in Dresden zum Brodeln bringen? Das, so kündigt Peggy Salomo vom Dresdner Buchverlag an, thematisiert der Dresdner Psychologe Francis Mohr in seinem Krimi, den er zur Buchmesse vorlegt: “Februar”. Ein Monat, der ja nicht ohne ist in Dresden.

Zeitgeschichte greift auch der Leipziger Araki Verlag auf, der zur Buchmesse so ungefähr das 250. Buch zur Friedlichen Revolution vorlegt. “Das erste in Chronik-Form”, wie Georg Dehn erklärt. Langer Titel, dickes Werk, am Ende wohl über 1.300 Seiten. Autor: der Leipziger Bürgerrechtler Thomas Rudolph: “Weg in den Aufstand. Chronik zu Opposition und Widerstand in der DDR vom August 1987 bis zum Dezember 1989 – Band 1: Die Friedliche Revolution aus der Sicht der Sprecher des Herbstes 1989”.

Einen kleinen Streit nimmt das Buch auf, so Dehn: Die Frage, wann denn nun die Friedliche Revolution begann. Am 9. Oktober? Oder am 4. September 1989, als zum ersten Mal 1.500 Menschen auf dem Nikolaikirchhof eine Demonstration versuchten? – “1987”, sagt Dehn. In dem Jahr, als sich die Bürgerrechtsgruppen in der DDR begannen zu vernetzen.

Und als Gegenstück dazu erscheint im Mitteldeutschen Verlag Alexander Kobylinskis “Der verratene Verräter. Wolfgang Schnur”.

Also wieder Lesefutter für Leute, die gern genau wissen wollen, wie Geschichte ablief. Und gleichzeitig noch ein wichtiger Nachläufer des Jubiläumsjahres 2014. Dagegen der 25. Jahrestag der Wiedervereinigung interessiert die meisten Verlage aus Mitteldeutschland im Frühjahr 2015 erst einmal überhaupt nicht. Einzige Ausnahme in der Runde am Dienstag: der Leipziger Open House Verlag, der mit Nicola Nürnberger ja sowieso schon eine Autorin im Haus hat, die sich mit dem Thema intensiv beschäftigt (“Westschrippe”). Sie legt nun zur Buchmesse ihren Roman “Berlin wird Festland” vor:

Und wie ist das mit den anderen Jubiläen? Verlage lieben doch Jubiläen.

Der 500. Geburtstag von Lucas Cranach d.J. taucht in mehreren Verlagsprogrammen auf – so im Rhino Verlag aus Ilmenau und in der Evangelischen Verlagsbuchhandlung aus Leipzig.

Und dann ist da ja noch dieses 1.000-jährige Jubiläum in Leipzig, über das sich auch Verleger gern ein bisschen lustig machen. Aber schon jetzt haben sie eifrig Quartette und Memo-Spiele vorgelegt (Mitteldeutscher Verlag und E.A. Seemann). Im Seemann Verlag liegt Sebastian Ringels “Die ganze Welt im Kleinen” vor, der Eudora Verlag hat ein Buch zu “Leipzig und das liebe Geld” in Vorbereitung, der Sax Verlag legt einen limitierten Schuber zu 1.000 Jahren Buchgeschichte vor …

Man vergisst es ja beinah: Aber es ist tatsächlich ein Buch, das am Beginn der belegbaren Leipziger Stadtgeschichte steht: die Chronik des Thietmar von Merseburg (die der Mitteldeutsche Verlag vor einiger Zeit mal wieder aufgelegt hat). Buchstadt von Anfang an. Das hat schon was.

Der Buchverlag für die Frau steckt das Thema einfach mal in seine Mini-Reihe und hat sich einen bekannten Burschen als Autor dafür besorgt: Gunter Böhnke, “Mein Leipzig. Geliebtes Weltdorf”.

Und wie jedes Jahr war natürlich das Meiste, was die mitteldeutschen Verlage zur Buchmesse vor haben, am 24. Februar noch in der Druckerei. So auch das gigantische Vorhaben des Lehmstedt Verlages “Panorama des Leipziger Rings” und Arnold Bartetzkys “Die gerettete Stadt”. Gleich mal vergessen hat Mark Lehmstedt bei seiner Kurzvorstellung, dass er auch schon zwei große Bildbände zur “Musikstadt Leipzig in Bildern” vorliegen hat. Der dritte ist in Vorbereitung.

Wer also emsig eine echte Leipzig-Bibliothek zusammensammelt, der bekommt in diesem Jahr auf jeden Fall neuen Nachschub.

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