Ein besonderes Buch wird am Donnerstag, 23. August, um 19.00 Uhr im Museum in der "Runden Ecke" vorgestellt: "Todfeinde - Komplizen - Kriegsbrandstifter". Es behandelt den Hitler-Stalin-Pakt und die Folgen. Und die Folgen reichten bis in die Umwälzungen in der DDR. Das "Sputnik-Verbot" 1988 ist dabei eines der skurrilsten Kapitel.

Am 23. August 1939 wurde der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt unterzeichnet. In einem geheimen Zusatzprotokoll wurden die jeweiligen “Interessensphären” festgelegt und unter anderem das polnische Staatsgebiet aufgeteilt. Neun Tage später begann mit dem deutschen Überfall auf Polen die größte Tragödie Europas des 20. Jahrhunderts, der Zweite Weltkrieg. Am 17. September 1939 überfiel die Rote Armee ihrerseits Polen.

Zwei Jahre später, 1941, griff dann Deutschland die Sowjetunion an. Die wahren Hintergründe des Paktes waren in der DDR tabu. Als die sowjetische Zeitschrift “Sputnik” im Oktober 1988 darüber berichtete, ließ Erich Honecker deren Verbreitung verbieten.
Verboten wurde der “Sputnik” Nummer 10/1988. Schon vorher veröffentlichte das Heft in Serie Beiträge zur frühen sowjetischen Geschichte. Doch mit dem Oktober-Titel war für die ängstliche Führungsriege der DDR das Maß erreicht. “Stalin und der Krieg” hieß der Beitrag, der an einen Urmythos der Selbstdarstellung der DDR-Führung rührte. Eine Entstalinisierung hatte es ja nach Stalins Tod 1953 in der DDR nicht gegeben. Stalins Werke verschwanden einfach aus den Buchhandlungen, die Stalin-Denkmale wurden in aller Stille abgebaut, die Porträts des “Großen Führers” verschwanden aus den Büros und die Stalin-Alleen wurden schnellstmöglich umbenannt.

In Leipzig war erst 1950 die einstige Frankfurter Straße (zwischen Waldplatz und Lindenau) in Stalinallee umbenannt worden, 1956 wurde sie zur Friedrich-Ludwig-Jahn-Allee. Das Stalin-Denkmal auf dem Karl-Marx-Platz (heute wieder Augustusplatz) wurde 1955 entfernt.
Im April 2009 erklärte das EU-Parlament den 23. August zum “Europäischen Gedenktag an die Opfer von Stalinismus und Nazismus”, um dem Gedenken an alle totalitären Regime einen Raum zu geben, ohne die Systeme gleichzusetzen oder die Unvergleichbarkeit des Naziterrors zu leugnen.

In seinem Buch “Todfeinde – Komplizen – Kriegsbrandstifter. Der Hitler-Stalin-Pakt und die Folgen” untersucht der Historiker Richard Buchner die Motive der stalinistischen Führungsclique beim Abschluss der insgesamt drei Hitler-Stalin-Pakte 1939 und 1940. Sowohl bekannte als auch erst jetzt in den Geheimarchiven nachweisbare Tatsachen fügen sich dabei zu einem düsteren Bild – Abgründe menschlichen Größenwahns und krimineller Energie beider Seiten eingeschlossen.

Richard Buchner hat im Universitätsverlag schon zwei Bücher veröffentlicht, die sich mit Funktionsweisen und Folgen des stalinistischen Systems beschäftigen: “‘Befreiung’ und Export des Stalinismus. Sowjetische Herrschaft in Deutschland und Ost-Europa, 1945-1953/56, Ausblick bis 1991” sowie “Terror und Ideologie. Zur Eskalation der Gewalt im Leninismus und Stalinismus (1905 bis 1937/1941)”. Beide erschienen 2011.

Buchner, 1940 geboren, promovierte 1977 mit der Arbeit “Die Sowjetunion zwischen Koexistenz und Wettrüsten im Nuklearzeitalter”.

Zur Buchvorstellung in der Runden Ecke am Donnerstag, 23. August, ab 19 Uhr diskutieren Dr. Richard Buchner, Historiker und Autor, und Dr. Klaus-Dieter Müller von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Die Moderation übernimmt Dr. Gerald Diesener vom Leipziger Universitätsverlag.

www.richardbuchner.de

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