Muss jetzt auch der Leipziger Kinderbuchverlag LeiV den Autorennamen ändern? - Seit 1996 hat er die Bücher eines gewissen Nikolai Bachnow im Programm. Auch in der Gestaltung reihen sie sich ein in eine der erfolgreichsten in der DDR verkauften Kinderbuchserien: Alexanders Wolkows Geschichten um den "Zauberer der Smaragdenstadt".

Dieses Buch sollte ursprünglich mal eine Übersetzung des “Zauberers von Oz” von Lyman Frank Baum ins Russische werden. Aber Wolkow hatte beim Übersetzen so viel Spaß, dass er die Geschichte noch während des Übersetzens umbaute und durch neue Elemente erweiterte. Das Ergebnis war der 1939 in der Sowjetunion erschienene “Zauberer der Smaragdenstadt”. Die bis heute eng mit der Geschichte verbundenen Illustrationen von Leonid Wladimirski kamen erst ab der Neuausgabe 1959 dazu. Auf dieser Ausgabe beruht dann auch die Ausgabe, die in der DDR 1964 erschien. Das Buch gehörte fortan zu den stets vergriffenen Kinderbuchtiteln im DDR-Buchhandel. Ebenso erging es den vier Folgebänden, die Wolkow schrieb und die ebenfalls Wladimirski illustrierte. Die berühmtesten dabei sind “Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten” und “Die sieben unterirdischen Könige”.

Aber der Hunger nach noch mehr “Wolkow” schien auch nach 1990 unersättlich. 1996 tauchte ein neuer Name im Programm auf: Nikolai Bachnow. Der klang ganz so, als hätte Wolkow in Russland einen gelehrigen Schüler gefunden, der nun weitermachte, wo der Meister mit seinem Tod 1977 aufhören musste. “In den Fängen des Seemonsters” heißt so ein Bachnow-Band im Programm des LeiV, “Die Schlange mit den Bernsteinaugen” ein anderer. Acht Bachnow-Bücher sind mittlerweile bei LeiV erschienen. Was schon zu denken gab, war die Tatsache, dass mit Hans-Eberhard Ernst ein deutscher Illustrator zum Zuge kam.

Und siehe da: Herr Bachnow ist kein freundlicher älterer Herr aus St. Petersburg.Die in Godern bei Schwerin heimische “Edition digital” enthüllt jetzt mit der Herausgabe des Kinderbuches “Das gestohlene Tierreich”, dem achten Buch von Nikolai Bachnow, wer wirklich dahinter steckt. Es sind sogar zwei. Denn hinter diesem gemeinsamen Pseudonym verbergen sich der Berliner Schriftsteller Klaus Möckel – Klaus heißt im Russischen Nikolai – und seine 1941 in Moskau geborene Ehefrau Aljonna, deren Mädchenname Bach lautete.

Mit der elektronischen Ausgabe des achten und (vorerst) letzten Kinderbuches über das Zauberland jenseits der Weltumspannenden Berge schließt “Edition digital” zugleich das Gesamtwerk von Klaus Möckel auf E-Book ab. Bereits seit Mitte Juli ist “Das gestohlene Tierreich” über die Homepage www.ddrautoren.de sowie über Amazon und Weltbild zu haben.

Klaus Möckel ist in der DDR-SF genauso wenig ein Unbekannter wie seine Frau Aljonna.

Die Bachnow-Bücher erschienen alle zwischen 1996 und 2003.

Klaus Möckel, der 1934 in Kirchberg in Sachsen geboren wurde, veröffentlichte insgesamt 42 Bücher: spannende Krimis, anspruchsvolle Science-Fiction-Bücher, sehr gut recherchierte historische Romane, einfühlsame Lebensberichte und wunderschöne Kinderbücher, darunter Erfolgstitel wie “Hoffnung für Dan” sowie die literarischen Vorlagen für die Polizeiruf-110-Folgen “Drei Flaschen Tokaier” und “Variante Tramper”. Sein Gesamtwerk umfasst jetzt 38 E-Books mit rund 8.500 Seiten. Hinzu kommen 14 Herausgaben und 19 Übersetzungen aus dem Französischen, Spanischen und Russischen.Aljonna Möckel übersetzte mehr als 50 Bücher aus dem Russischen. Darunter einen Großteil der russischsprachigen SF-Avantgarde wie der Brüder Arkadi und Boris Strugazki.

Die “Edition digital” stellt nun schon in einem recht breiten Spektrum bereit, was aus der DDR-Literatur oder von DDR-Autoren noch lesenswert erscheint. Damit füllt sie eine Lücke, denn manches ist auf dem Buchmarkt nicht mehr verfügbar. Oft haben die älter werdenden Autoren auch in den westdeutschen Verlagen kein neues Zuhause gefunden.

Sicher wird die “Edition digital” über die Verkaufszahlen auch mitbekommen, welche Autoren auch weiterhin gelesen werden.

Seit 2011 widmet sich die Edition verstärkt dem E-Book. Wie Verlagschefin Gisela Pekrul erläutert, bestehe der Vorteil der E-Books vor allem darin, dass man immer ausreichend Lektüre bei sich habe, die Schrift vergrößern und sie sich mit manchen Geräten sogar vorlesen lassen könne. Außerdem seien digitale Bücher oft preiswerter als gedruckte.Insgesamt umfasst das E-Book-Programm 300 Titel (Stand Ende Juni 2013) von 72 DDR-Autoren wie Wolfgang Schreyer, Wolfgang Held und Erik Neutsch sowie dem Sience-Fiction-Autor Carlos Rasch. Auch der Espenhainer SF-Autor Karsten Kruschel und der Leipziger Krimi-Autor Jan Flieger haben hier ihr Plätzchen gefunden. Auch die jüngsten Titel von Steffen Mohr sind dabei, es mischt sich also das in der DDR Gefragte mit neueren Titeln.

Jährlich erscheinen rund 200 E-Books neu, als Nächstes alle Bücher der 1938 im mecklenburgischen Rerik geborenen Lehrerin und Schriftstellerin Elke Nagel, die in der DDR als Elke Willkomm veröffentlichte.

Einen echten russischen Nachfolger von Alexander Wolkow hat der LeiV-Verlag mittlerweile doch noch im Programm: Sergej Suchinow, von dem 2002 “Goodwin der Schreckliche” erschien. Nach Verlagsangaben 1950 in Moskau geboren.

Aber wer weiß …

www.edition-digital.com

Das Gesamtprogramm der “Edition digital”: www.ddrautoren.de

Alexander Wolkow auf Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Melentjewitsch_Wolkow

Klaus Möckel auf Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Klaus_M%C3%B6ckel

www.smaragdenstadt.de

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