Bücher haben einen Vorteil gegenüber allem, was Tagesmedien so veröffentlichen: Sie können sich auch Sachthemen kompakt und mit einer Fülle von Informationen widmen. Und natürlich auch kritisch und unabhängig, ganz ohne Rücksicht auf Quote. Es gibt auch zur Buchmesse 2015 wieder eine Reihe solche streitbarer Buchvorstellungen. Ein paar Tipps fürs Rahmenprogramm.

Der Eine Welt e.V., der sich vor allem dem fairen Handel in Leipzig verschrieben hat, packt das Thema Globalisierung gleich mit zwei Buchpräsentationen an.

Zu Lesung und Diskussion kommt die Aktivistin und Autorin Gisela Burckhardt zu “Leipzig liest”. Sie bringt ihr im November erschienenes Buch “Todschick” mit, in dem es um das höchstproblematische Thema der modernen Kleidungsproduktion geht: Edle Labels, billige Mode – unmenschlich produziert. Mode und Moral: teuer bedeutet nicht gleich fair.

Wenn wir Markenmode kaufen, glauben wir, der höhere Preis sei durch eine bessere Qualität gerechtfertigt, auch bei den Produktionsbedingungen. Für Edelmarken sterben keine Textilarbeiterinnen in Bangladesch. Das ist ein verhängnisvoller Irrtum: Teure Modelabels lassen ihre Ware unter ebenso schlechten Bedingungen wie die Billiganbieter fertigen. Gisela Burckhardt hat vor Ort recherchiert und vergleicht die Produktionsbedingungen bei den Lieferanten von Edelmarken wie zum Beispiel Hugo Boss und Tommy Hilfiger mit jenen von Discountern wie H&M und C&A. Sie liefert Beweise dafür, dass es ein fataler Irrglaube ist, zu meinen, ein höherer Preis im Laden zöge automatisch bessere Produktionsbedingungen nach sich.

Ein Kapitel widmet sich außerdem dem sogenannten „Auditbusiness“: Viele Unternehmen bekennen sich zwar inzwischen zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung und haben Zulieferer zu bestimmten Standards verpflichtet, doch was ein Qualitätssiegel für die Unternehmen sein sollte, ist vor allem ein Millionengeschäft für die Prüfgesellschaften, darunter auch dem TÜV.
„”Todschick“” ist ein Buch über die Bekleidungsindustrie nach der „Rana Plaza“-Katastrophe in Bangladesch und über das dunkle Geheimnis edler Modemarken. Anklage und Hoffnung zugleich, denn zwar können wir Konsumenten die Unternehmen zu verantwortlichem Handeln auffordern, aber auch der Staat muss entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Gisela Burckhardt, entwicklungspolitische Expertin und Vorstandsvorsitzende von FEMNET, war viele Jahre im Auslandseinsatz in Nicaragua, Pakistan und Äthiopien, unter anderem für das Entwicklungs-programm der UNO (UNDP) und für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Seit fast 15 Jahren setzt sie sich im Rahmen der Kampagne Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign) für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie weltweit ein.

Gisela Burckhardt “Todschick. Edle Labels, billige Mode –unmenschlich produziert, ISBN: 978-3-453-60322-6

Sie liest am Donnerstag, 12. März, um 19:00 Uhr im Weltladen in der Wiedebachpassage (Bornaische Straße 18). Eintritt frei.

Der Völkermord an den Armeniern

Am Freitag gibt es dann eine Buchlesung mit Krikor Ceyhan zum 100. Gedenktag an den armenischen Völkermord: “Ein Klopfen an der Tür. Der abenteuerliche Weg des Simon C. aus Zara”.

2015 jährt sich zum 100. Mal der Völkermord an den Armeniern. Nicht nur für unseren Autor und seine Familie, für Tausende von Armeniern begann vor hundert Jahren ein unfassbarer Leidensweg in den Wüsten Syriens.

Der erste Weltkrieg tobte in Europa. Verzweifelt kämpfte das Osmanische Reich einen Mehrfrontenkrieg und befand sich in Auflösung. Nachdem die Armenier an der Seite der Russischen Armee gegen die Osmanen kämpften, ordnete die Regierung die ethnische Säuberung des Landes an – alle Armenier sollten aus dem Kernland deportiert werden. Der armenische Bausoldat Simon, der Vater von Kirkor Ceyhan, und seine Familie entgingen diesem Schicksal zunächst, indem sie zum Islam konvertierten.

Eines Tages klopfte es dennoch an der Tür. Man hatte Simon denunziert, weil er flüchtige Armenier bei sich versteckte, und schickte ihn mit seiner Familie auf den Weg nach Deirez-Zor. Für Kirkor wurde dieses Klopfen an der Tür zum Sinnbild für das Leiden der türkischen Armenier.

Kirkor Ceyhan, geboren 1926 in Zara, schreibt in einem Brief an eine befreundete armenisch-türkische Autorin: »Mein Leben ist umrankt von unglaublichen Abenteuern. Hätte ein anderer Adamssohn nur ein einziges davon erlebt, hätte es ihm das Rückgrat gebrochen und er wäre diesem Wahnsinn unrettbar zum Opfer gefallen. Ich aber beschreibe die Ranken als Schmuck.« In diesem Sinne hat er aus den Erzählungen seiner Familie einen halbdokumentarischen Roman geschaffen. Mit Empathie und einer gehörigen Portion Galgenhumor erzählt Kirkor Ceyhan die Abenteuer der Familie auf ihrem Leidensweg.

Er wurde damit zum Vorbild für eine ganze Generation türkisch-armenischer Schriftsteller bei der Verarbeitung der lange verdrängten traumatischen Ereignisse. Kirkor vermeidet nationalistische Zuschreibungen und hält mit seinem Roman ein Plädoyer für individuelle Verantwortung und Moral, gerade auch in Zeiten des Krieges. Der Titel ist seit Dezember im Handel.

“Ein Klopfen an der Tür. Der abenteuerliche Weg des Simon C. aus Zara”, ISBN 978-3-935597-81-4

Die Buchlesung findet am Freitag, 13. März, um 19:00 Uhr im Weltladen an der Thomaskirche (Burgstraße 1-5) statt. Eintritt frei.

Die Jahrhundertgeschichte der Hessels

Am Freitag, 13. März, gibt es in der Tangomanie (Hans-Poeche-Str. 2-4) die Veranstaltung „Die Hessels. Drei Deutsche in Paris“. Beginn ist 19 Uhr. Einer dieser drei Hessels, Stéphane, sorgte vor ein paar Jahren für Furore mit seinem Buch “Empört Euch!”

Bei französischen Häppchen und Wein geht es in szenischer Lesung um das  Leben der drei Hessels, die spätestens durch Truffauts Skandalfilm “Jules et Jim” weltberühmt geworden sind: Der Berliner Schriftsteller Franz Hessel und seine Frau Helen, die sich 1913 in Paris kennenlernten und heirateten. Nach dem Krieg kam es zu einer Wiederbegegnung mit dem gemeinsamen französischen Freund Henri-Pierre Roché bei München und Helen verliebte sich leidenschaftlich in ihn. Um ihm näher zu sein, ging  sie in den zwanziger Jahren zurück nach Paris. Ihren kleinen Sohn Stéphane nahm sie mit, so außergewöhnlich das für die Zeit auch gewesen sein mag.

Helen etablierte sich als Autorin in Paris, sie verfasste Modefeuilletons für deutsche Zeitungen und Zeitschriften und berichtete von der französischen Lebensart. Als ihr wegen des jüdischen Ehemanns Franz die Erlaubnis zu Schreiben entzogen werden sollte, ließ sie sich scheiden – und holte Franz kurz vor dem Novemberpogrom 1938 aus Deutschland nach Paris. Sohn Stéphane kämpfte unterdessen, auch mit Hilfe der Mutter, in der französischen Resistance. Er überlebte wie durch ein Wunder die Inhaftierung in Buchenwald und wurde später für die UNO tätig. Im Alter von 90 Jahren erlangte er durch seine Streitschrift “Empört Euch!” Weltruhm.

Manfred Flügge, Biograf von Stéphane Hessel, Bernhard Echte und Julia Knapp vom Verlag Nimbus stellen die außergewöhnliche Familie und ihre Zeit in der französischen Hauptstadt vor. Es wird gelesen aus der Feuilletonsammlung “Ich schreibe aus Paris. Über die Mode, das Leben und die Liebe” von Helen Hessel, aus Franz Hessels “Pariser Romanze” und der Biografie “Ein glücklicher Rebell” über Stéphane Hessel. Bei einem Glas Wein und Häppchen kann man im Anschluss Fragen zur Familie Hessel stellen.
Es würde uns sehr freuen, Sie zu der Lesung begrüßen zu dürfen!

Der Nimbus Verlag aus Wädenswil in der Schweiz.

www.nimbusbooks.ch

Tatsächlich im Jobcenter thematisiert: Hartz IV

Im Jobcenter Leipzig lesen anlässlich der Buchmesse am 12. März Thomas Pregel und Reinhardt Lochner aus ihren Büchern “Hartz-Novelle” bzw. “Frei Heraus: Für- & Wider-Sprüche”.

Thomas Pregel beschreibt seine “Hartz-Novelle” als eine sarkastische Darstellung unserer schnelllebigen und sensationshungrigen Gesellschaft. Er dokumentiert die Arbeitsmarkterfahrungen seiner Protagonisten, lässt durch Tagebucheinträge tief in den Hartz IV-Alltag der drei Akademiker blicken und hinterfragt schlussendlich den Wert des Menschen.

Reinhard Lochners “Frei Heraus Für- & Wider-Sprüche” macht neugierig: Jeder hat es schon erlebt: Ein wichtiger Gedanke schießt wie der Blitz durch unseren Kopf und lässt Altvertrautes in neuem Licht erscheinen. Eine Sekunde, eine Minute, einen Tag später ist aus dem wichtigen Gedanken ein flüchtiger geworden: verweht, vergessen, verloren. Der Buchstabenjongleur, Wortakrobat, Silbenschnitzer und Satzbildhauer, der Inhalt- und Gedankenmaler, kurz: der Aphoristiker, weiß um die Gefahr. Er packt den Gedanken beim Schopf, er reinigt ihn von Schlacken, er feilt, poliert, lackiert ihn und schreibt ihn auf. Das neue Buch enthält knappe Aussagen, die Widersprüche unserer Zeit aufs Korn nehmen und zur kritischen Auseinandersetzung mit ihnen herausfordern. In 15 Kapiteln finden sich Aussagen zu Themen wie „Von Mensch zu Mensch“, „Das liebe Geld, das böse Geld“, „Krieg und Frieden“  oder „Mein Deutschland lob ich mir“. Sie regen zum Nachdenken, bisweilen auch zum Schmunzeln an.

Lesung Thomas Pregel “Hartz Novelle” am Donnerstag, 12. März, 16 Uhr im Jobcenter Leipzig (Georg-Schumann-Str. 171-175, AXIS-Passage, Aufgang B)

Lesung Reinhard Lochner “Frei Heraus: Für und Wider-Sprüche” am Donnerstag, 12. März,  14:00 Uhr im Jobcenter Leipzig (Berliner Straße 13, 3. Etage, Raum 312/ 314).

Zwei Streitgespräche zu „Akzeptanz in der Medien- und Protestgesellschaft”

“Pegida und Wutbürger – Infrage stellen als Normalzustand?” – Gesellschaftliche Akzeptanz ist eine der großen Fragen unserer Zeit. War Akzeptanz vor Jahrzehnten eine schier endlos scheinende Ressource einer nach Wohlstand strebenden bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft, wird sie heute – 25 Jahre nach der deutschen Vereinigung – zur „Mangelware“. Die Debatten um neue Technologien, große Infrastrukturprojekte und nicht zuletzt um das Phänomen „Pegida“ zeigen, mit welcher Vehemenz Konflikte in unserer Gesellschaft zutage treten können. Verzerrungen zeigen sich in der medialen Repräsentation dieser Konflikte. Mobilisierungsfähige Gruppen nutzen die neuen publizistischen Möglichkeiten, um ihre Positionen zu verbreiten. Die Unzufriedenheit mit der politischen, wirtschaftlichen und publizistischen Elite scheint endlos zu steigen, während die Wahlbeteiligung scheinbar unaufhaltbar sinkt. Um diese gesellschaftlichen Auseinandersetzungen verstehen zu können, müssen zentrale Entwicklungen in den Blick genommen werden.

Insgesamt 36 Autoren, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen,  versammeln die Herausgeber Günter Bentele, Reinhard Bohse, Uwe Hitschfeld und Felix Krebber in dem Buch  „Akzeptanz in der Medien- und Protestgesellschaft“, Springer VS, Ende 2014, 405 Seiten.

Zur Leipziger Buchmesse/Leipzig liest:  Die Rolle des Rechts und die Macht der Medien werden anlässlich der Buchvorstellung in zwei  Streitgesprächen „unter die Lupe“ genommen.

Am Donnerstag, 12. März, 18 Uhr  – Thema “Akzeptanz und Recht “. Mitwirkende Frau Prof. Monika Harms, Generalbundesanwältin a. D., Moderation: Uwe Hitschfeld, Büro für Strategische Beratung (Herausgeber/Autor) und Felix Krebber, Kommunikationswissenschaftler (Herausgeber/Autor).

Am 13. März, 16 Uhr   – Thema “Akzeptanz und Medien”. Mitwirkende: Prof. Dr. phil. Günter Bentele (Herausgeber), Kristin Siegel (Autorin), Hans Hütt (Autor/Journalist, FAZ, taz Krautreporter), Dr. Wilm Herlyn (Autor/Journalist, Chefredakteur dpa bis 2010), Moderation: Reinhard Bohse, Wortgebrauch GmbH (Herausgeber/Autor).

Ort für beide Veranstaltungen ist die Universität Leipzig, Seminargebäude, Seminarraum S 420, Universitätsstraße.

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