Leipzig feiert dieses Jahr seine Ersterwähnung vor 1.000 Jahren. "Die Prinzen" veranstalten anlässlich des Ereignisses eine besondere Konzertserie. Von Donnerstag, 4. Juni, bis Samstag dieser Woche spielt die Leipziger Popband drei Shows mit dem Orchester der Musikalischen Komödie in der Oper. Als musikalischer Ehrengast soll Xavier Naidoo auftreten. Der bekannte Sänger fiel in jüngerer Vergangenheit vermehrt durch Äußerungen auf, die eher in das Lager rechtsesoterischer Legida-Anhänger zu passen scheinen.

In den Neunzigern waren “Die Prinzen” das Schlachtschiff einer jungen, frechen Künstler-Avantgarde, die sich vom Mief der DDR-Kulturpolitik emanzipierte. Hits wie “Gabi und Klaus”, “Du musst ein Schwein sein” oder “Alles nur geklaut” sind heute Evergreens auf poplastigen Ü30-Partys. Mittlerweile sind die Vokalkünstler mit Thomaner-Vergangenheit ein gestrandeter Tanker. Der letzte große Charterfolg liegt über eine Dekade zurück, man geht musikalisch meist getrennte Wege.

24 Jahre nach der Bandgründung möchten es “Die Prinzen” noch einmal wissen. Ende Mai erschien nach sieben Jahren Pause wieder ein Studio-Album mit neuen Songs. Das Konzert am Donnerstag, bei dem neben Naidoo auch Pop-Barde Andreas Bourani eingeladen ist, wird für eine DVD-Produktion aufgezeichnet werden.

Prinzen-Frontmann Sebastian Krumbiegel, selbst Opfer rechter Gewalt geworden, engagiert sich seit vielen Jahren gegen rechtsextreme Bestrebungen. Neben einem Auftritt bei der ersten Gegendemonstration zu Legida am 12. Januar 2015, unterstützt der 48-Jährige die jährlichen Anti-Rechts-Konzerte der Initative “Leipzig.Courage.Zeigen”.

Zuletzt veranstaltete die Initiative am 18. April ein Open-Air auf dem Markt und zeichnete bei dieser Gelegenheit die Initiative NoLegida mit dem „Courage Preis“ aus. Die Veranstalter veröffentlichten zudem im Internet eine Erklärung, in der verschwörungstheoretische Tendenzen innerhalb der Leipziger Friedensbewegung und deren Unvermögen, sich von Neurechten, Querfrontlern und politischen Esoterikern zu distanzieren, kritisiert werden. „Es ist kein Zufall, dass mehrere zentrale Personen der Leipziger Mahnwachen später als Redner und Funktionäre bei Pegida in Dresden und Legida in Leipzig auftraten“, lautete eine Schlussfolgerung. Prinzen-Sänger Krumbiegel unterzeichnete die Stellungnahme, auf der Bühne sang er zum Abschluss des Abends das Lied vom weltoffenen Leipzig.

Sebastian Krumbiegel bei den Legida-Gegenkundgebung am Waldplatz im Januar. Foto: Alexander Böhm
Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel engagiert sich seit vielen Jahren gegen Rechtsextremismus, hier am 12. Januar auf einer Kundgebung gegen Legida am Waldplatz. Foto: Alexander Böhm

Die Oper Leipzig beteiligte sich seit Januar wiederholt an den Protesten gegen Legida. Wenn sich die rechten Aufmärsche auf dem Augustusplatz sammelten, gingen am Opernhaus symbolisch die Lichter aus. Umso merkwürdiger erscheint daher, dass Xavier Naidoo dort am Donnerstag auf der Bühne stehen darf. Warum arbeiten “Prinzen” und Oper dennoch mit Naidoo zusammen. L-IZ.de hat nachgefragt. “Die Oper Leipzig hat im Rahmen der Legida-Kundgebungen auf dem Augustusplatz von Beginn an zu Vielfalt, Toleranz und Offenheit aufgerufen und sich an weiteren Aktionen gegen die Legida-Kundgebungen beteiligt. An dieser Haltung der Oper Leipzig wird sich auch künftig nichts ändern”, verspricht Ulrich Jagels.

Den Schwarzen Peter schiebt der Verwaltungsdirektor zwischen den Zeilen der Band zu.

“Den Prinzen ist es kurzfristig gelungen Xavier Naidoo und Andreas Bourani für einen Gastauftritt im Konzert am 4. Juni zu gewinnen. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit und das gemeinsame Konzert”, so Jagels. Die Band äußerte sich auf Anfrage von L-IZ.de nicht zu dem brisanten Thema. In einem kurzen Statement verwies man auf die rege Probetätigkeit zu den Konzerten. „Wir proben derzeit mehr als sechs Stunden täglich in der Oper. Daher haben wir momentan keine Zeit, Ihre Fragen zu beantworten.“, so Henri Schmidt für Die Prinzen.

Neu kann das Thema für die Band allerdings nicht sein. Der geplante Auftritt Xavier Naidoos sorgt im sozialen Netzwerk “Facebook” seit Tagen auf den Seiten von Opernhaus und Band für reichlich Unmut. „Leipzig und Legida als Realität, und dann darf Xavier Naidoo hier in der Oper antanzen?“, fragte eine Nutzerin. „Zu Legida immer schön die Banner raushängen, dann aber dem neurechten Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker Xavier Naidoo eine Bühne bieten. Mehr Doppelmoral geht nun wirklich nicht“, schrieb ein anderer User.

Die Oper Leipzig beteiligte wiederholt an Protesten gegen Legida. Foto: L-IZ.de
Die Oper Leipzig beteiligte sich wiederholt an Protesten gegen Legida. Foto: L-IZ.de

Naidoo sorgte in den letzten Jahren für diverse politische Skandale. So wird ihm vorgeworfen, antisemitische Klischees zu verbreiten. Im Lied „Raus aus dem Reichstag“ erklärt Naidoo deutsche Politiker zum Feindbild. Bundeskanzlerin Merkel sei korrupt und eng verwoben mit der Bild-Zeitung. In einer Strophe singt er davon, dass der „Baron Totschild“ den Ton angebe und die „Jungs von der Keinherzbank“ Geld „zocken“ würden. Eine Namensähnlichkeit mit der Familie Rothschild ist sicher kein Zufall. Die bekannte jüdische Bankiersfamilie dient immer wieder als Projektionsfläche für zahlreiche antisemitische Verschwörungstheorien.

In einem anderen Song spricht er davon, dass der „Zins und Zinseszins“ ausgedient haben. Ebenfalls ein beliebtes Motiv innerhalb antisemitischer Verschwörungstheorien. Naidoo vermengte seine Empörung immer wieder mit dem Feindbild USA. Deshalb kann rückblickend ein Auftritt im Oktober 2014 in Berlin nicht mehr ganz so überraschend wirken. Als Redner bei einer Kundgebung sogenannter “Reichsbürger”, einer extremen Strömung, die die Existenz der Bundesrepublik abstreitet, sagte der Popstar zu den Terroranschlägen des 11. September 2001: „Wer das als Wahrheit hingenommen hat, was darüber erzählt wurde, der hat einen Schleier vor den Augen.“ Die Zuhörer spendeten Beifall.

„Ich komme aus einer Gegend, wo ich mein ganzes Leben lang die amerikanische Besatzung ganz klar vor Augen hatte“, sprach Naidoo den Anwesenden aus der Seele. Die “Reichsbürger” sprechen von Deutschland als einem besetzten Land, das seine Souveränität noch nicht zurück erlangt hätte. Auch der Sänger wiederholte diese These mehrmals öffentlich. In Mannheim ist die Lokalpolitik mittlerweile nicht mehr sonderlich von dem früheren Aushängeschild der Stadt begeistert. Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) distanzierte sich im Oktober 2014 von Naidoo aufgrund dessen “radikal libertären” und “anti-staatlichen Positionen.”

Naidoos langjähriger Bekannter Thorsten Riehle bestätigte der “Rhein-Neckar-Zeitung”, dass seine Einstellungen nicht sonderlich neu seien. Aufgrund der starken Zuwendung zum christlichen Glauben seien Homosexuelle für Naidoo „abartig“, so Riehle gegenüber der Zeitung. Dabei stellte er seinen Freund als Menschenfreund mit zahlreichen Spinnerattitüden dar, der auf jeden zugehe – eben auch auf Nazis und Reichsbürger.

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