Vor Jahren wuselte Tanner noch im engeren Kreis der Kapelle Russian Doctors. Der Schnaps floss in Bergen. Es wurde gesungen und mit Fäusten auf Bierbänke geklopft. Irgendwann wurde es ihm jedoch zuviel des Guten. Die Russian Doctors jedoch machten weiter. Bis Tanner - während er eigentlich mit den Westbesuch-Orga-Leuten über die Zukunft sprach - im Hinter- und Untergrund vertraute Töne vernahm. Bröker zurrte seine Schnellgitarre um den Baum und Makarios ölte seine Stimme. Tanner schnappte sich den Bröker zum Plausch.

Hallo Frank Bröker – da treffe ich Dich hier, während Du kurz davor bist mit Makarios die Bühne zu entern. Als Russian Doctors feiert ihr gerade die Record Release der Live-CD. Für die, die frisch nach Leipzig kamen und das Hauptwerk der Doctoren noch nicht kennen: was macht ihr Beiden da eigentlich?

Wir interpretieren die Texte des russischen Dichters S.W. Pratajev, der 1961 im Mittleren Ural starb und bis heute als der bekannteste aller unbekannten Landdichter gilt. Das machen wir mit den Russian Doctors jetzt schon ein volles Dutzend Jahre und steuern aufs 350te Konzert zu. Kein geschichtsträchtig vom Makarios durchmoderierter Pratajev-Abend dauert weniger als zwei Stunden und es geht recht rasant zur Sache. Den Titel “Olympiasieger im Schnellgitarrenspielen”, den ich seit einiger Zeit führe, muss man sich erst mal verdienen.

Du bist aber auch als der Experte in Sachen Eishockey deutschlandweit bekannt, hast Bücher dazu geschrieben, sogar mehrere. Was macht Dich heiß beim Eishockey?

Ich komme ja eigentlich vom Fußball, aber dort war es mir irgendwann einfach zu langweilig. Immer diese Unentschieden am Schluss, diese Phasen, in denen über Minuten nichts passiert, in der Bundesliga ein FC Bayern München, der alles dominiert; über die groteske Szene in Leipzig ganz zu schweigen. Beim Eishockey fühle ich mich einfach wohler, da geht’s schneller, härter, körperbetonter zur Sache und man braucht in den Pausen viele Heißgetränke, um wieder runterzukommen. Die Fans sind absolut friedlich; wir singen gegeneinander und feiern am Ende miteinander.

Ich weiß nicht, ob das in einem Fußballspiel wie Chemie gegen Lok oder Rasenball gegen den Rest der Welt überhaupt möglich ist? Eishockey macht süchtig – wer einmal hingeht, will immer wieder hin. Und in Leipzig-Taucha steht das familienfreundliche Zelt unserer Icefighters mit den besten Fans der Liga drin. Ein wahrer Hexenkessel.

Auf Wikipedia kann mensch erfahren, dass Du in einer psychiatrischen Klinik arbeitest. Was machst’n Du da genau, Frank?

Um etwas auszuholen: Ich habe nach Abschluss einer Verlegenheitsausbildung (“Junge, mach ne Krankenpflegeausbildung, rumlungern nach dem Abi geht gar nicht”, O-Ton der Eltern) ein Studium gesucht, in dem das Fach Mathematik nur am Rande vorkommt. Da fiel mir die Sozialarbeit vor die Füße. Und nach etlichen Stationen bin ich 2003 als Soziotherapeut in ein großes Leipziger Klinikum eingestiegen.

Ich arbeite dort mit psychisch erkrankten Menschen Hilfepläne aus und versuche deren Leben Schritt für Schritt wieder einigermaßen auf die Beine zu stellen. Das ist nicht immer leicht – aber wenn man die Dankeskartenwand in meinem Büro sieht, scheint mir das recht gut zu gelingen.

Wie sieht’s denn derzeit bei Goldeck aus? Das letzte Album ist auch schon drei Jahre alt. Mir hat das damals sehr gefallen. Lass ab!

Da unser Bassist Shiva zuletzt u.a. mit Lizard Pool durchgestartet ist, blieb Goldeck livemäßig, bis auf ein paar Konzerte in Dresden und Prag, ein wenig auf der Strecke. Ein reines Goldeck-Album ist gerade auch nicht geplant. Aber da wir immer für eine Überraschung gut sind und mit Jeans, dem Trommler und Strippenzieher der Fliehenden Stürme, einen fantastischen Zuwachs im engeren Freundeskreis verzeichnen können, kocht da schon was im Plattenofen, was zumindest musikalisch in die Goldeck-Richtung spielt.

Und woran bosselst Du gerade? Kann sich das Fanvolk schon mal auf etwas Schönes freuen? Weißt ja, positive Nachrichten sind gefragt.

Wenn mein Doctors-Sänger Makarios mit DIE ART im Spätherbst zum 30-jährigen Bandjubiläum aufbricht, sitze ich mit Jeans im Tonstudio und vollende den Klangteppich für das, was da gerade im Plattenofen kocht. In Sachen Russian Doctors haben wir ja gerade erst unsere Doppel-Live-CD draußen und der Eishockeypoet in mir hat am 1. Dezember die nächste Manuskriptabgabe vor der Brust. Das Buch erscheint im Frühjahr 2016, dann folgt – wie sollte es anders sein – bestimmt das nächste.

Und, gar nicht mehr lange hin: Im Oktober, am 17.10., stellen wir einen Pratajev-Bildband im Plagwitzer Club “Noch Besser Leben” vor. Da dürfen die Russian Doctors live an der Schnapsbar natürlich nicht fehlen.

Danke, Frank, für Deine Antworten.

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