Na, das ist doch was: Ein Stück Berliner Theatertreffen 2014, ein Gastspiel der Berliner Volksbühne in Leipzig. Herbert Fritschs „Ohne Titel Nr. 1“. Eine Oper ist versprochen, oder das was man nun dafür hält. „Viel Glück“ wünscht der Mann im Foyer, der erklärt, dass es in der Volksbühne nie Programmhefte gäbe und einen Zettel herüberreicht. Da stehen dann doch die 14 Namen der Mitwirkenden drauf und es ist von Regisseur Herbert Fritsch ausführlich die Rede, von einer kollektiven Stückentwicklung ist nichts geschrieben.

Und hochtrabend steht da noch das Musik „abstrakt“ sei, „Sprache kein Medium mehr“ sei im „ungegenständlichen Theater“. Und dann, man wagte es kaum zu hoffen, stehen doch agierende Menschen auf der Bühne!

Sofa aus Bretterplanken

14 Akteure strömen durch den Zuschauerraum in den Orchestergraben vor der Bühne mit allerhand Instrumentarium, inklusive eines Holz-Instruments an dem man lautstark kurbeln, sägen und anderen Krach machen kann.

Als der Klavierhocker nicht mehr quietscht, aha, hier ist Stummfilmslapstick zum Geräusch-Theater geworden, geht es los. Mit Gitarrenriff und Flötenensemble. Bis auf drei Musiker stürzen dann die anderen hinauf und belagern ein riesengroßes Sofa. Nur scheinbar gemütlich, denn das Sofa ist aus Brettern gezimmert. Wie die Kulisse. Zumindest zeitweise, wenn eine Holzplankenwand auf den großen weißen Horizont projiziert wird.

Körpersprache

Vollplastik-Frisuren, stylisch wie eine Art von Schaufensterpuppen, und streng dreinblickende Gesichter ermahnen uns: Hier wird es lustig! Und so kommt es dann auch. Wer hinfällt kriegt einen Lacher, wenn einer jemandem eins auswischt, sind es schon zwei Lacher. Wer kann, führt vor versammelter Mannschaft etwas vor. Furzen oder Indiehosemachen zum Musikakzent beispielsweise. Aber es wird immerhin „stummfilmlike“ gespielt! Ein Tenor versucht sich in der Pittiplatsch- bzw. Hurvinek-Stimmlage.

Man kann sich in Jargon und Dialekt unterhalten und beschimpfen. Wenn sich einer die Fliege vom Hals reißt sagt er dazu: „Fritsch!“ Eine Ausnahme-Nummer ist die artistisch-bewegliche Zunge einer züngelnden Aktrice. Lachen steckt an, auch wenn es von der Bühne in den Saal kichert. Humor steckt auch in Körpern. Und Körpersprache verrät schon im Alltag ohne Bühne viel zu viel. Die Clowns haben gewonnen! Und darauf noch eine clownesk-verbrämte Laola-Welle der Sofa-Sitzer!

Da erzählt sich einiges über die friedlich scheinende Gruppe. Wie die Frau im gelben Kleid von Zeit zu Zeit von hinten über die Sofalehne geflogen kommt, sie wird nicht rausgeschmissen, sondern ins Spielfeld hinein! (Brüllende Lacher im Saal.)

Eine Couch und DRessur in den Bewegungen. Foto: Thomas Aurin / Schauspiel Leipzig
Eine Couch und DRessur in den Bewegungen. Foto: Thomas Aurin / Schauspiel Leipzig

Hier stecken auch traditionelle Hilfen für Aufwärm-Übungen, so man sie nicht schon drauf hat, wie das Aussprechen des Buchstabens „A“ in einer Reihe von Leuten einer nach dem anderen. Zuletzt gibt’s noch eine Massen-Umkleideszene auf dem Sofa, die bunten Fummel werden gegen uniforme Anzüge und Wäsche im Bretterzaun-Look ausgetauscht. Damit geht die Eine-Stunde-Dreißig-Performance zu Ende.

Ja, es ist eine Oper, in der man sieht, was man hört, und hört, was man sieht. Aber eben auch nur Gruppendynamik im geschlossenen Raum.

Dressur und Perfektion

Ehrliche Anerkennung für alle Darsteller und Musiker, die sich auf diese Dressur eingelassen und trainiert haben. Denn nur perfekt wirkt es wie zufällig. Langer Applaus bei der zweiten Leipziger Gastspiel-Vorstellung, rhythmisch, weil man mit dem Band-Rhythmus einfach mit muss. Und wenn sie alle über die Sofa-Lehne gucken, sieht es aus, wie bei Robert Wilsons Choreographien.

Denn auch anderes wirkt wie eine Parodie auf das menschlich-mechanische Theater Robert Wilsons, die stummfilmhaft geschminkten Gesichter, Bewegungen der Darsteller in Gruppen, Vorführung einzelner Protagonisten.

Doch das Prinzip der modernen Musik-Clowns ist längst an etlichen Orten en-suite auf Bühnen präsent unter dem Namen Blue Man Group. Hatte sich das noch nicht vom Berliner Potsdamer Platz bis zum Luxemburgplatz herumgesprochen? Nun denn, so hat man nun seine eigene Clowns-Truppe. Wie man sich in Berlin gern mal die Stücke von Inszenierung zu Inszenierung durchreicht. Vielleicht will sich ja das Publikum nun mal anders überraschen lassen, von dem, was es kennt ….

Ist’s ein Vorgeschmack auf die vom Berliner Senat ersehnte Event-Kultur nach der Frank-Castorf-Ära? Ist es der Übergang? Der Ausklang? Ein gelungener Vorschlag dürfte es sein, wie man ohne Sprech-Text als Autor Tantiemen einstreichen kann.

... nur perfekt wirkt es wie zufällig ... Foto: Thomas Aurin / Schauspiel Leipzig
… nur perfekt wirkt es wie zufällig … Foto: Thomas Aurin / Schauspiel Leipzig

Auf die Couch!

Unterdessen ist letztens auch auf Leipzigs Opernbühne ein großes Sofa angekommen, auf dem die Gemütlichkeit zu Ende geht, wenn Nibelungen-Siegfried den Drachen Fafner ersticht. Vielleicht machen die Sofas nun die Runde über die Bühnen, wie einst die Blecheimer und die aufgereihten Stühle.

Vor den Theatertreffen sucht eine Jury, was eigentlich für eine, angeblich eine Jury von Theaterfachleuten, was eigentlich für Fachleute, im Lande etwas aus, nach welchen Kriterien eigentlich, und dann gastieren sie alle in Berlin, und da spielen die Berliner jetzt eben mal in Berlin. Da fallen schon mal keine Reise- und Transportkosten an. Vielleicht kommt ja die Blue Man Group Zugucken!

Aus der Berliner Volksbühne gab es Nachrichten zum Intendantenwechsel. Es betrifft nicht nur die Volksbühne, Produktions- und Premieren-Nachrichten interessieren die Medien weniger, wenn es nicht gerade Skandale oder Randale gibt. Als ob Theater nicht heute und täglich stattfinden würde. Und wahrlich eine ganze Menge Leute hingehen.

Gast-Spiele

Theatergastspiele sind in Leipzigs städtischen Häusern selten geworden. So was gehörte mal dazu, zu Messezeiten und den zeitnahen Berliner Festspielen. Bühnen-Austausch sollte es öfter geben. Da gab es auch Theatertreffen mit neuen Stücken und Schauspielstudenten-Aufführungen mehrerer Schulen.

Da man mit dem Zug spätabends von Berlin kaum nach Leipzig kommt, könnte vielleicht die Universität einen Theaterzug nach außerhalb organisieren? Gab es schon mal, aber die Theaterwissenschaftsstudierendenräte könnten es ja mal neu erfinden.

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