Leipzig braucht eigentlich keine Jubiläen. Jedenfalls nicht, wenn es um die touristische Vermarktung geht. Denn der Fest-Kalender der Stadt ist eigentlich voll genug. So voll, dass man die "Löcher" zwischen den Festen eigentlich nicht noch extra vollstopfen muss. Ab Mittwoch, 22. Mai, geht ein Festival praktisch ins Nächste über. Richard Wagner macht den Auftakt.

Der Komponist war lange Zeit das Stiefkind der Leipziger Musikpflege. So gesehen war sein 200. Geburtstag ein wichtiger Sprung des Umstrittenen aus der Reserve in die 1. Liga, wo Bach und die Schumanns schon waren. Es hat ein Umdenken stattgefunden – gerade im Leipziger Opernhaus, das sich unter wechselnden Intendanten jedes Mal aufs Neue schwer tat, Wagner und seinen “Ring” irgendwie im Spielplan zu platzieren. Meist sah es nur wie eine leidige Pflichtübung aus, so nach dem Motto: Leipzig ohne Wagner geht eigentlich. Aber der Mut, den Burschen mit seinem spätromantischen Blick auf die Welt in Leipzig neu zu inszenieren (und nicht auf ewig im langen Schatten der Joachim-Herz-Inszenierung zu versumpfen), fand man einfach nicht. Bis 2013, als man mit “Die Feen” und “Das Liebesverbot” die Wurzeln dieses großen Märchen-Erzählers auch in märchenhafter Weise sichtbar machte.

Die meisten Revolutionäre sind fundamentalistische Romantiker. Ihr ganzes Furioso funktioniert nur, weil sie mit den großen Emoitionen der Fantasy spielen. Was Wagner zeitlebens getan hat. Es gibt sogar Kritiker, die ihm einen gewissen Humor zuschreiben. Aber eines steht fest: So ernst, wie ihn die regierenden Spätromantiker von 1871 bis 1945 nahmen, kann man ihn nicht nehmen. Nicht mal der “Ring” ist eine National-Oper.

Und in Leipzig wurden 2013 nicht nur mit Inszenierungen, sondern auch mit Büchern, Ausstellungen, einer Denkmals-Montage einige alte Vorstellungen über den Möchtegern-Barden korrigiert. Der zürnende Großmeister wurde zum irdischen Märchenerzähler. Oder Fantasy-Erzähler. Auch das kann man denken. Der “Herr der Ringe” hat mit Wagners “Ring” mehr gemeinsam als nur den Ring im Titel.

Und was 2013 ebenfalls gelungen ist: Wagner endlich fest im Leipziger Festival-Kalender zu verankern mit den “Wagner-Festtagen”. Wenn auch erst einmal im Zwei-Jahres-Takt. Wobei es ja nicht bleiben muss. Für die es jetzt genug Stoff gibt. Und da und dort deutet sich auch schon an, dass sie – wie das Bach-Fest – auch die üblichen festen Häuser verlassen.

Los geht es ganz klassisch am Freitag, 22. Mai, an Wagners Geburtstag.

Vom 22. bis 31. Mai feiert die Oper Leipzig den Burschen, den sie “den bedeutendsten deutschen Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts” nennt. Mit zahlreichen Aufführungen aus dem Repertoire, einem szenisch-konzertanten “Tannhäuser”,  veritablen Sängerbesetzungen, dem Gewandhausorchester, u .a. unter der Leitung des Intendanten und Generalmusikdirektors Prof. Ulf Schirmer, will die Oper Leipzig damit den “berühmten Sohn der Stadt” ehren.

Wie man sieht, verfällt man beim Lobpreis dann doch wieder in die Wortwahl des 19. Jahrhunderts, als man eben “großer Sohn einer Stadt” war.

Das Programm der Wagner-Festtage

Den Auftakt für die Feierlichkeiten rund um den  202. Geburtstag des Komponisten macht sein letztes Bühnenwerk “Parzifal” am Freitag, 22. Mai, 17 Uhr. In der Titelpartie wird Daniel Kirch zu hören sein. Der Regisseur Roland Aeschlimann übersetzte Wagners musikalisches Mysterium in ein synästhetisches Klang-Raum-Erlebnis.

Am Samstag, 23. Mai, 19 Uhr folgt Wagners Frühwerk und einzige Komische Oper “Das Liebesverbot”. Die Koproduktion der Oper Leipzig mit den Bayreuther Festspielen (BF Medien) anlässlich des Wagner-Jahres 2013 zeigt Richard Wagner von einer vollkommen anderen Seite. Das pralle Leben des italienischen Karnevals trifft hier auf die moralischen Prinzipien eines deutschen Statthalters. Wagners “Liebesverbot” ist ein Plädoyer für die „freie Sinnlichkeit“ und gegen “puritanische Heuchelei”.

Am Sonntag, 24. Mai, 16 Uhr gibt es die erste Möglichkeit, “Siegfried”, den im April 2015 zur Premiere gekommenen dritten Teil des “Ring des Nibelungen” zu sehen. Die Titelpartie übernimmt Christian Franz, der mit dieser Partie u. a. bei den Bayreuther Festspielen, an der Metropolitan Opera New York und der Hamburgischen Staatsoper zu hören war. Als Brünnhilde begeisterte die Schwedin Elisabet Strid Publikum wie Kritik gleichermaßen.

Am Montag, 25. Mai, 15 Uhr steht mit dem dreiteiligen Ballettabend “Ein Liebestraum” eine Hommage an Wagner auf dem Programm. Musikalische Grundlage für Ballettdirektor und Chefchoreograf Mario Schröder und das Leipziger Ballett sind unter anderem die „Wesendonck-Lieder“ und „Tristan und Isolde“.

Von Donnerstag, 28. Mai, bis Samstag, 30. Mai, werden sich “Das Rheingold”, “Die Walküre” und “Siegfried” in der Regie der britischen Regisseurin und Choreografin Rosamund Gilmore epischen Themen wie der Liebe und dem Hass zwischen alten Göttern und neuen Helden widmen. Zum ersten Mal werden die ersten drei Teile der Tetralogie “Ring des Nibelungen” in Folge zu sehen sein, bevor sich im Jahr 2016 der “Ring” mit der dann vollendeten “Götterdämmerung” schließen wird.

Der Vorabend zum Bühnenfestspiel “Das Rheingold” am Donnerstag, 19:30 Uhr, bündelt die beziehungsreichen Geschicke von Göttern und Menschen, die die darauf folgenden drei Werke bestimmen. Die Fortsetzung  folgt mit „Die Walküre“ am Freitag, 17 Uhr. Der erste Tag des Bühnenfestspiels besticht durch Höhepunkte wie die „Winterstürme“ Siegmunds, die Todesverkündigung Brünnhildes, Wotans Abschied und den Walküren-Ritt. “Siegfried”, die Geschichte des elternlosen Helden Siegfried, der durch seine Furchtlosigkeit den Riesenwurm Fafner tötet, Ring und Tarnkappe erobert und die schlafende Brünnhilde zum Leben erweckt und für sich gewinnt, folgt am Samstag, 17 Uhr. Die musikalische Leitung des Gewandhausorchesters für alle drei Werke übernimmt der Hausherr Prof. Ulf Schirmer.

Am Sonntag, 31. Mai, 17 Uhr gibt es als Abschluss der Feierlichkeiten eine szenisch-konzertante Aufführung von Wagners romantischer Oper “Tannhäuser und Der Sängerkrieg auf der Wartburg”. Einzelne Höhepunkte daraus sind etwa Elisabeths “Hallen-Arie”, der Einzug der Gäste auf der Wartburg, der Pilgerchor, Wolframs “Abendstern” oder die “Rom-Erzählung” des Tannhäuser. In der Titelpartie gibt Daniel Kirch sein Rollendebüt und Christiane Libor wird als Elisabeth zu hören sein.

Zusätzlich findet am Freitag, 29. Mai, 14:30 Uhr im Parkettfoyer des Opernhauses der Musikalische Salon “Souvenir de Wagner” statt. Musikalische Wagner-Bearbeitungen Schütts, Czernys, Faurés und Chabriers und die “Tannhäuser”-Parodie Johann Nestroys werden begleitet und umrahmt von heiter-ironischen Texten zu Richard Wagners Werk, gelesen und gesungen von Martin Petzold.

Karten für alle Aufführungen gibt es an der Kasse im Opernhaus, unter Tel. (0341) 12 61 261 (Mo.-Sa. 10-19 Uhr), per E-Mail: service@oper-leipzig.de.

Und als “Außentermin” gibt es schon am 20. Mai, 20 Uhr in der Schaubühne Lindenfels “Wagalaweia – Wagners Wassermusik” mit dem Mendelssohnorchester und Axel Thielmann als Moderator.

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