Es gibt ein „Theater-Lexikon“ dessen Buchstabe E beginnt mit Eberle, Friedhelm. Das Buch erschien 1977 im Henschelverlag Kunst und Gesellschaft Berlin. Im Lexikon steht: „geboren 1935, Schauspieler, studierte 1955-57 privat in Oberhausen und Basel, erstes Engagement Plauen, Erfurt, seit 1962 Leipzig. Rollen werden genannt, u. a. Tellheim in „Minna von Barnhelm“, die Titelrolle „Hamlet“ 1971, seit 1966 Lehrtätigkeit an der Theaterhochschule Leipzig. Überzeugend in klassischen Heldenrollen...“

Wenn man erst ab Ende der 1970er Jahre Schauspielfan wurde, bildete sich fortan eine ganze Rollenliste mit szenischen Erinnerungen, dabei Friedhelm Eberle im und als „Faust“. In Karl Kaysers Inszenierung mit Gert Gütschow als Mephisto und Friederike Raschke als Helena entfaltete sich ein großes Spiel der Schauspieler, nicht das der technischen Raffinessen und Ablenkungen. Karl Kayser nannte es „Die Improvisation aller Mittel.“ Es gab auf der Bühne nur unumgängliche Zutaten. Eine Kalesche brachte eine Komödiantentruppe auf die Bühne, beim Prolog im Himmel trug man noch bunte Flügelchen und Faust hockte im langen Mantel mit Gelehrtenkappe unter einer Studierzimmerlampe.

Dann wurde abgeräumt. Wort, Geste und Handlung wurden Rausch. Im Laufschritt jagten sich Faust und Mephisto im Kreis umeinander her, bevor schon am Ende des ersten Abends der zweite Teil begann…, „FAUST II“ spielen wir am Ende ohne Kostüme!“, hatte Karl Kayser angekündigt. So standen die Darsteller beinahe in ziviler Alltagskleidung „auf freiem Grund mit freiem Volke“. Leipzig, um vor 35 Jahren. Gütschow und Eberle mit tönenden und dröhnenden aber auch leisen Stimmen. Beider Verdienst war es, dass das Stück noch „Faust“ hieß.

„Othello“ war Friedhelm Eberle dann später. Auch Tschu Jün, Dichter und Staatsmann im alten China vor 2000 Jahren in Volker Brauns Stück „Großer Frieden“, der aber die real-existierende DDR meinte: „In endloser Gegenwart und ohne Zukunft“, war Tschu Jüns letzter Satz, dann „starb er in der Umarmung“.

Zu einer Goethe-Ehrung gab es im Konzertfoyer des Opernhauses ein einmaliges Programm in Familie: „Wilhelm Meisters theatralische Sendung“, gesprochen von Friedhelm Eberle, und die Lieder der Mignon, gesungen von Sigrid Kehl, Friedhelm Eberles Gattin. Goethes Zeile „Nur wer die Sehnsucht kennt weiß was ich leide“ wird ewig mit diesem Moment in Erinnerung bleiben…

In den „Geschichten aus dem Wienerwald“ in Horst Ruprechts Inszenierung spielte Friedhelm Eberle den großen Bogen vom braven Bürger zum Familientyrann, der seine Tochter schlägt, als er sie auf der Bühne eines Nachtlokals entdeckt.

Zwei Rollen folgten aufeinander, in ganz unterschiedlich dramatisch und darstellerisch reizvollen Stücken George Taboris: Schlomo Herzl kümmert sich in „Mein Kampf“ um den jungen Hitler, der in „Frau Merschmeiers Obdachlosenasyl unter ihrer Fleischerei“ strandete.
Danach kam der Theater-Regisseur der „Goldberg-Variationen“, in denen sich die Darstellung der Schöpfungsgeschichte mit dem Rollenspiel der Menschen vermengt, bis der Regisseur nach getaner Schuldigkeit von der Bühne gejagt wird. Dieses Theater auf dem Theater muss der Darsteller mit sich selbst auskämpfen können.

In Samuel Becketts „Das letzte Band“ kramte Friedhelm Eberle in Tonband- und Lebenserinnerungen. Die Bühne war der Keller des Schauspielhauses!

Und nun kommt als nächste Premiere „Der Theatermacher“ von Thomas Bernhard als szenische Lesung am 11. und 13. Oktober 2015 in der Moritzbastei heraus.

Erinnern und Neues planen. Schauspieler Friedhelm Eberle im Gespräch mit der Bühnen- und Kostümbildnerin Marlis Knoblauch. Foto: Karsten Pietsch
Erinnern und Neues planen. Schauspieler Friedhelm Eberle im Gespräch mit der Bühnen- und Kostümbildnerin Marlis Knoblauch. Foto: Karsten Pietsch

„Das wollte ich unbedingt machen”, sagte Friedhelm Eberle, „und nun mache ich es in einer eigenen Variante.“

Er hat sich auch schon mehrfach um den Theatermacher Richard Wagner gekümmert, insbesondere um seine Revolutionärs-Zeit in Dresden, für Stück, Spiel und Musik bot das Kellertheater des Opernhauses den perfekten Ort. Hier hatte Friedhelm Eberle früher schon in Tankred Dorsts „Fernando Krapp hat mir diesen Brief geschrieben“ großes Kammerspiel gezeigt. Zu schade, dass das Kellertheater und seine Nähe von Darstellern und Zuschauern aufgegeben wurde, wo andernorts Spielflächen umgebaut werden, um Distanz zu beseitigen.

Sächsischer Dialekt ist Friedhelm Eberle nicht in die Wiege gelegt worden, aber für die Hörspiel-Zitate aus Briefen Richard Wagners fand er eine Art von feinem Leipziger Gewandhaus-Sächsisch, die den Textautor anstifteten, noch viel mehr Wagner-Zitate ins Hörspiel einzubauen.

Friedhelm Eberle hat eine eigene Spielweise, eine unverwechselbare Stimme und Stimmführung. Wenn er auftritt, zeigt er Wahrnehmung. Als Spieler ist er markant und kantig, kein Poltergeist, kein Leisetreter. Langsam wird er lauter, Schreien ist, wenn überhaupt, nur der Höhepunkt. Einprägsam ist er in seinen leisen und leiser werdenden Sequenzen, zuweilen auf der Klaviatur von stillem Mitgefühl über Ironie bis zu Zynismus.

Bei der „Pension Schöller“, einer kleinen Leipziger Theaterunternehmung, sprach der Schauspielschüler mit dem Sprachfehler natür-n-ich von dem „Schauspie-n-er Friedhe-n-m Eber-n-e“! An der Resonanz ließ sich nicht der Gag messen, sondern die Bekanntheit Eberles!

Vielleicht gibt es ja auch noch einmal eine Familienvorstellung mit Ehefrau Sigrid Kehl und dem Sohn, Opernregisseur Jan-Richard Kehl.

Am Montag wird Friedhelm Eberle im Schauspielhaus gefeiert. Beginn: 19:30 Uhr.
Toi, toi, toi für alle Premieren und Vorstellungen, die noch kommen!

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