Zum Spielzeitfinale gibt’s schwere Kost für das Publikum in der Oper Leipzig. Jan Schmidt-Garre inszeniert Strauss’ „Arabella“ als abgründigen Psychothriller. Star des Abends ist Sopranistin Betsy Horne.

Schmidt-Garre befreit das Liebesmärchen, zu dem Hugo von Hofmannsthal das Libretto beisteuerte, von sämtlichem Kitsch. Kein Schneefall, keine Schlittenfahrt, kein Maskenball. Die Deutung des Film- und Fernsehproduzenten („Furtwänglers Liebe“, „Der atmende Gott“) reduziert sich auf eine messerscharfe Analyse der psychologischen Beziehungen zwischen den Figuren.

Heike Scheeles Bühnenbild besteht aus mehreren beweglichen Raum-Elementen, die zusammengesetzt eine gutbürgerliche Stube ergeben. So frei, wie sich die Zimmer-Fragmente durch den schwarzen Bühnenraum bewegen, so verworren erscheint das Beziehungsgeflecht, das von Hofmannsthal entworfen hat. Um die Existenz ihrer Familie zu retten, soll Arabella (Betsy Horne) sich schnellstmöglich vermählen.

Während die bildhübsche Frau glaubt, sich zwischen den drei Grafen Dominik (Jürgen Kurth), Lamoral (Sejong Chang) und Elemer (Paul McNamara) entscheiden zu müssen, hat ihr Vater, Graf Waldner (Jan-Hendrik Rootering), sich schon entschieden und seinem alten Freund Mandryka einen Brief geschrieben. Dass der Gute längst verstorben ist, war ihm leider entgangen. Doch sein Sohn (Tuomas Pursion) hat sich in Arabellas Bildnis verliebt und hält umgehend um ihre Hand an. Wie der Zufall es möchte, handelt es sich bei Mandryka um jenen geheimnisvollen Fremden, in den Arabella sich auf der Straße verliebt hatte. Ende gut, alles gut? Mitnichten.

Denn Arabellas Schwester Zdenka (Olena Tokar), die Waldner in wirtschaftlicher Not als Jungen ausgibt, heckt eine Intrige mit dem Jägeroffizier Matteo (Markus Francke) aus, der seinerseits in Arabella verliebt ist. Kaum haben sich Arabella und Mandrycka beim Faschingsball in einem Wiener Hotel verlobt, überrascht Matteo die junge Frau auf ihrem Zimmer. Mandrycka bekommt Wind von der Nummer. Das Missverständnis kann natürlich nicht ohne Folgen bleiben. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.

 

„Arabella“ in der Oper Leipzig. Foto: Kirsten Nijhof
Richard Strauss’ „Arabella“ ist in Leipzig als psychologischer Opernkrimi zu sehen. Foto: Kirsten Nijhof

Jan Schmidt-Garre fühlt dem Stoff auf’s Zahnfleisch. Er verlegt die Geschichte aus Wien in eine Black Box. Es braucht den abstrakten Bühnenraum, um auf der Opernbühne den Blick für das Wesentliche zu gewinnen. Der Regisseur erzählt die Geschichte anhand der Beziehungen zwischen ihren Figuren. Selten bekommt man in der Oper eine solch akkurate Sängerführung zu sehen, wie sie Schmidt-Garre hat einstudieren lassen. Jede Bewegung, jede Geste steht in einem unmittelbaren Bezug zu Musik und Text. Aus der Romanze wird so rasch ein Psychokrimi, der im Saal für knisternde Spannung sorgt.

Das ist freilich auch ein Verdienst starker Solisten. Allen voran Betsy Horne, die mit der Arabella-Partie ihr Debüt an der Oper Leipzig gibt. Gewohnt stark auch Olena Tokar. Tuomas Pursio scheint die Kandrycka-Partie wie auf den Leib geschneidert zu sein. Der Tenor vermag in voller Gänze in der Rolle aufzugehen. Insgesamt liefert das breite Ensemble eine rundum gute Leistung ab. Dies gilt auch für Dirigent Ulf Schirmer und das Gewandhausorchester. Strauss-Liebhaber sollten sich die Inszenierung auf keinen Fall entgehen lassen.

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