„Social Freezing“ bezeichnet das Einfrieren unbefruchteter Eizellen ohne medizinischen Grund. Die Methode ermöglicht Frauen, die im Augenblick keine Kinder bekommen können, eine höhere Wahrscheinlichkeit auf eine Schwangerschaft jenseits der 35. Der Theaterautor Till Müller-Klug hat sich des bizarren wissenschaftlichen Phänomens angenommen. Am Sonntag feierte sein Stück „Der Minusmensch“ in der Diskothek Premiere.

Till Müller-Klug war dem Leipziger Publikum bisher als Mitglied der Berliner Theatergruppe „Interrobang“ bekannt, die zuletzt in der Residenz nach Franz Kafka die Performance „Der Prozess 2.0 – Ein Schuldlabyrinth“ inszeniert hatte. In seinem Drei-Personen-Stück „Der Minusmensch“ setzt sich der Autor mit Formen postmoderner Familienplanung auseinander.

Sie (Sophie Holtinger) arbeitet als Finanzmanagerin und möchte ein Kind. Nicht jetzt, sondern erst später. Der Arzt (Michael Pempelforth) möge ihr den Wunsch bitte erfüllen. Unterstützt wird der Doktor von seinem Assistenten Dominik (Brian Völkner). Gemeinsam entwickeln die Bankerin und der Mediziner ein visionäres Geschäftsmodell. Interessierte Single-Frauen können sich einen passenden Samenspender aussuchen und – möchten sie das Kind nicht sofort austragen – ihre Eizellen einfrieren lassen, bis ihre Lebenssituation die Erfüllung des Kinderwunsches zulässt.

Till Müller-Klug nimmt in seinem Theatertext scharfzüngig die moderne Medizin aufs Korn. Familien werden systematisch geplant, die menschliche Fortpflanzung hochgradig ökonomisiert. Regisseur Steffen Klewar inszeniert „Der Minusmensch“ (Müller-Klugs Bezeichnung für die ungeborenen Kinder, die durch einen Chor eine Stimme bekommen) als heiteres Salonstück.

Im klinisch weißen Bühnenbild von Ausstatterin Silke Bauer erlebt der Zuschauer einen humorvollen Theaterabend, der die ethischen Fragen der modernen Fortpflanzungsmedizin diskutiert, ohne sich auf eine definitive Antwort festzulegen. Vielmehr fordert der Text den Zuschauer selbst zum Nachdenken über Sinn und Unsinn von Social Freezing, künstlicher Befruchtung, Leihmutterschaft und Futur-Familienaufstellung auf.

Schauspiel Leipzig
Der Minusmensch
von Till Müller-Klug

Nächste Termine: 12. & 29. Oktober, 3. November (jeweils 20 Uhr)

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