Begonnen hat alles mit einem großen Enthusiasmus, einem Baulöwen und einem Ende. Denn am Anfang der Geschichte vom theater.FACT stand das Ende des „Poetischen Theaters“ im Beyerhaus – in der Wendezeit eine Legende und einer der Hotspots dessen, was Leipzig zum Brodeln brachte. Mit Theatermachern, die das Brodeln nicht sein lassen wollten und nach einem neuen Ort suchten, wo das Verrückte möglich war.

Den fanden sie in einem unsanierten Kellergewölbe von Barthels Hof. Den Kulturort hatte zuvor ein gewisser Jürgen Schneider, Baulöwe von Beruf, zusagen müssen, um den kompletten alten Handelshof sanieren zu dürfen. Was er bekanntlich nicht vollenden konnte. Aber die Zusage war festgeschrieben. Mit einer großen Unterstützung vieler hilfreicher Leipziger konnte eine kleine Gruppe von zwölf Schauspielern um Ev Schreiber aus dem „Poetischen Theater“ hier eine neue, unverwechselbare Spielstätte schaffen. Klein, aber fein. Und selten Gesprächsstoff für die hohe Politik, wenn es um den ganzen Verschiebebahnhof von Spielstätten, Investitionen und Fördergeldern ging.

Was Ev Schreiber und ihre Enthusiasten eigentlich auch nie wollten. Sie wollten spielen und lieber mit klug inszenierten Stücken für Aufmerksamkeit sorgen.

Was solange gut geht, wie der Enthusiasmus über die Mühen der Ebene trägt. 20 Jahre in diesem Fall. Das ist eine sehr lange Zeit.

„Nach zwanzig Jahren geht eine Zeit zu Ende, die voller Gegensätze das Theaterleben bestimmt hat – Glück und Trauer, Abschied und Neubeginn, Erfolg und Misserfolg“, schreibt das kleine Theater zum Abschied auf seiner Homepage. „Und doch, wenn man den Blick zurückwendet, war es schön und ein wenig Herzblut tropft in die Notwendigkeit, dass es Dinge gibt, die man beenden muss.“

Aber warum?

Machen denn Enthusiasten nicht einfach immer weiter, solange die Kraft reicht?

Irgendwann merkt man auch als Enthusiast, dass es nicht mehr reicht. Oder dass es so eigentlich nicht weitergeht. Dass die Bescheidenheit auch eine Kehrseite hat.

„Aber 20 Jahre sind auch mit zähem Ringen verbunden, das Haus zu halten, Gelder zu akquirieren, neue Stücke zu finden. Der Kampf im Bassin der Kulturschaffenden wurde härter und fast ein wenig egomanischer. Nach 20 Jahren sagen wir ganz aufrecht – ohne große Wehmut – es ist besser ganz zu gehen, als in Fetzen gerissen zu überleben“, zieht Ev Schreiber jetzt das Resümee. Irgendwann gibt es einfach zu viele, die sich um zu wenig Geld im Kulturetat bewerben. Dann bleiben ein paar Peanuts übrig, 10.000 Euro im Jahr. Das ist auf Dauer zu wenig, um jeden Morgen unbekümmert aufzustehen und das nächste Stück in Angriff zu nehmen.

Dabei hat das Theaterchen über die Jahre Großes geleistet.

„20 Jahre haben wir an diesem Ort ca. 140 Inszenierungen geschaffen und mit 14 Uraufführungen Theatergeschichte geschrieben“, erzählt Ev Schreiber. „Wir haben über 240.000 Zuschauer erreicht, mit diesen diskutiert, um immer auch die Qualität unseres Theaters weiterentwickeln zu können. 100 Schauspieler, Techniker und Regisseure haben ab 1996 bei uns gearbeitet, neue Ideen eingebracht, nach neuen Formen gesucht und Erfolge errungen. Viele unserer Kollegen arbeiten jetzt an großen Häusern und es erfüllt uns mit Stolz, ihnen bei ihren ersten Schritten eine Heimat gegeben zu haben.“

Aber all die Zeit war eben auch „viel Selbstausbeutung“ dabei. Nach 20 Jahren darf sich nicht nur die Intendantin fragen, ob man diese Zerreißprobe noch lange aushält. Vor zwei Jahren klang sie im Interview noch sehr zuversichtlich, da sprach sie noch von einem „dialektischen Verhältnis zwischen Lachen und Weinen“. Aber irgendwann ist auch das genug. Lachen und Weinen soll’s auf der Bühne geben, aber nicht hinten in den Kulissen, wo man gute Arbeit machen möchte.

Zuletzt gab’s „Schneewittchen“ als Weihnachtsmärchen im theater.FACT. In einer eigenen Bearbeitung für das Theaterchen. „Und hier fängt unser Märchen über Neid und Missgunst eines Königshofes an“, geht es los.

Dann gab’s noch ein Silvesterprogramm. Und dann hört es auf.

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