Erst Düsseldorf, jetzt Leipzig. Comedian Thomas Hermanns, bekannt aus dem „Quatsch Comedy Club“ hat seinen Musical-Hit „Kein Pardon“, frei nach der gleichnamigen Komödie mit Hape Kerkeling, erfolgreich auf der MuKo-Bühne inszeniert. Die bissige TV-Satire bietet den Zuschauern mit viel Wortwitz, präziser Situationskomik und eingängigen Songs erstklassige Abendunterhaltung.

Ruhrpott, Anfang der Neunziger: Peter Schlönzke (Benjamin Sommerfeld) hat bislang nicht viel aus seinem Leben gemacht. Der Job im Schnittchenladen von Mutter Hilde (Iris Schumacher) deprimiert den Mittzwanziger. Wäre er doch nur so wie sein großes Idol. TV-Moderator Heinz Wäscher (Cusch Jung) beglückt mit seiner Samstagabend-Show „Witzischkeit kennt keine Grenzen“ ein Millionenpublikum. Nachdem ihn seine Mutter überraschend für einen Talentwettbewerb angemeldet hat, gerät der Schnittchenlieferant völlig unerwartet in die Mühlen des TV-Betriebs.

Als er hinter den Kulissen das wahre Gesicht Wäschers kennenlernt, platzt ihm während der Live-Übertragung der Kragen. Ob ihm seine neue Freundin, die Tontechnikerin Ulla (Julia Waldmayer), aus dem Schlamassel befreien kann?

„Kein Pardon“ lief 1993 in den Kinos an. Von eingefleischten Kerkeling-Fans zum Kult erkoren, erntete die Komödie überwiegend negative Kritiken. Dennoch entschloss sich Thomas Hermanns gemeinsam mit dem Komponisten Achim Hagemann, den Stoff als Musical zu verarbeiten. Die Produktion war von November 2011 bis Ende 2012 im Düsseldorfer Capitol-Theater zu sehen. Als Heinz Wäscher waren unter anderem Dirk Bach, Thomas Hermanns, Achim Mentzel und Roberto Blanco zu sehen.

Cusch Jung spielt Heinz Wäscher. Foto: Tom Schulze
Cusch Jung spielt Heinz Wäscher. Foto: Tom Schulze

In Leipzig wird der alternde TV-Star von Cusch Jung verkörpert. Eine kluge Wahl. Denn der MuKo-Chefregisseur, der regelmäßig auch auf der Bühne zu sehen ist, interpretiert die Figur als einen tragischen Helden, der im Laufe des Abends innerlich zerbricht. Im Rampenlicht fühlt Wäscher sich wohl, gehen die Scheinwerfer aus, mimt er den klischeebeladenen Promi, der von seinen Produzenten (Sabine Töpfer, Andreas Rainer, Michael Raschle – alle drei herausragend!) ehrfurchtsvoll mit Samthandschuhen angefasst wird. Ein Stück TV-Alltag.

Ohne die großen Zampanos wie Thomas Gottschalk, Stefan Raab, Frank Elstner usw., die Jung blendend karikiert, läuft der Laden schließlich nicht. Deshalb ist Jungs Hans Wäscher selbstredend ein Profi und – noch selbstredender – unersetzlich. Schließlich sei er nur einmal im Leben krank gewesen. 39 Grad Fieber. Noch Fragen?

Hauptdarsteller Benjamin Sommerfeld erweist sich als nicht minder gute Wahl. Der junge Musicalsänger spielt seine Partie pointiert, gefällt obendrein mit seiner warmen Tenorstimme. Sommerfelds Interpretation des Biene-Maja-Titelsongs („ein Lied von Karel Gott“) sorgt erst für (beabsichtigtes) Gelächter, schließlich für tosenden Szenenapplaus. Julia Waldmayer gefällt als aufmüpfiger Sidekick. Nora Lentner darf als Käffchen-Karin durch die Szenen wuseln.

Ruhrpottcharme daheim bei Schlönzkes (v.l. Iris Schumacher, Hans-Georg Pachmann, Anne-Kathrin Fischer, Benjamin Sommerfeld). Foto: Tom Schulze
Ruhrpottcharme daheim bei Schlönzkes (v.l. Iris Schumacher, Hans-Georg Pachmann, Anne-Kathrin Fischer, Benjamin Sommerfeld). Foto: Tom Schulze

Die Bühne ist ein großer Fernseher. Bühnenbildner Hans Kudlich rahmt den Guckkasten mit einem Portal ein, das an ein altbackenes TV-Gerät mit Röhre und Knöpfen erinnert. So eines, wie es die Schlönzkes in ihrem plüschigen Wohnzimmer stehen haben. Textlich setzt Hermanns auch im Osten auf den Ruhrpottcharme der Filmvorlage. Die Anspielungen auf die rauen Sitten der TV-Landschaft lehnen sich ebenfalls vorrangig an die der westdeutschen Branche an.

Darüber hinaus belässt das Regieteam den Stoff in seiner Zeit. Der Zuschauer wird an die Zeiten von Fernsehballett und Talkshows erinnert. Das Multimediazeitalter hatte noch nicht begonnen, der Kampf um Quoten und Marktanteile nahm gerade an Fahrt auf. Ein zeitgenössischer Zugriff wäre an dieser Stelle wünschenswert gewesen, doch der Abend funktioniert auch so wunderbar.

Die Gags sind vielfach zwar altbacken und leicht durchschaubar, zünden aber dennoch durch die Bank weg. Musikalisch konnte Hermanns in Leipzig ohnehin aus dem Vollen schöpfen. Musste das Team in Düsseldorf mit einer kleinen Band auskommen, sitzt in Leipzig das MuKo-Orchester im Graben, um die eigens angefertigte Orchesterfassung zu spielen.

Am Pult hat Stefan Klingele die schmissigen Songs, ein heiterer Mix aus Schlagern, Jazz und Rock ‘n‘ Roll, jederzeit im Griff. Natalie Holtoms intelligente Choreografien und Mario Reichlins schrill-bunte Kostüme runden das gelungene Gesamtpaket ab.

Kein Pardon
Musical von Thomas Hermanns und Achim Hagemann

Musikalische Komödie
Nächste Termine: 19.05., 20.05., 21.05.

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