Im März veranstaltete der "Arbeitskreis Nahost" (AKN) eine Veranstaltung an der Universität Leipzig, die nicht ganz alltäglich war: Der Vortrag wurde mit Zwischenrufen und lautem Gelächter immer wieder unterbrochen. Die Störer protestierten damit gegen die ihrer Meinung nach antisemitischen Ausrichtung der Gruppierung. Kurze Zeit später eskalierte die Situation. Die Polizei musste gerufen werden. Der Student_innenRat der Uni Leipzig zog nun Konsequenzen und untersagte dem AKN weitere die Unterstützung.

Laut dem AKN wurde die Veranstaltung am 13. März durch eine Horde von gewalttätigen Rassisten im Hörsaal angegriffen. Störende Antisemitismuskritiker befeuerten indes eine Eskalation, die durch Sympathisanten des Arbeitskreises in einer körperlichen Auseinandersetzung fortgesetzt wurde. Am Ende musste jedenfalls die Polizei gerufen werden, welche Strafanzeigen wegen mehrerer Körperverletzungen aufnahm. Zeit verging, die Presse berichtete, die Polizei ermittelte und der Student_innenRat (StuRa) befasste sich mit dem Thema.

Mit einer sehr ausführlichen Antwort reagierte der StuRa-Geschäftsführer Marcel Wodniock, am Montag auf eine Anfrage von L-IZ.de. Der Jura-Student äußerte sich bezüglich mehrerer Fragen über die Einschätzung der damaligen Situation und deren Folgen für den “Arbeitskreis Nahost.” Stoff gab es genug, denn die Ereignisse wurden durch die Leipziger Studierendenvertretung intensiv diskutiert.

Bereits bei der Raumanmeldung gab es Ungereimtheiten: Die Hochschulgruppe “Die Linke.SDS” meldete für den 12. und 13. März zwei Veranstaltungen an. Vertreter der Studentenorganisation der Linkspartei waren nach eigenen Angaben am Abend selbst jedoch nicht anwesend. Die inhaltliche Ausrichtung der beiden März-Abende stimmte ebenfalls nicht mit der Anmeldung überein, so Wodniock zu L-IZ.de.

Das Thema Israel im Zentrum der Debatte

Am 12. März begann die Veranstaltungsreihe, die sich gegen das Buchmesse Thema „1965 bis 2015. Deutschland – Israel“ richtete. Die Bundestagsabgeordnete Annette Groth (Die Linke) sollte referieren. Antisemitismuskritiker konnten widerstandslos am Anfang das Podium besetzen, woraufhin der AK Nahost den Saal freiwillig räumte. „Kein Streit, keine Gewalt, keine ernsthafte Auseinandersetzung und vor allen Dingen kein Grund zum Eingreifen für uns“, schildert Wodniock die Situation.

Protest einer Gruppe gegen Annette Groth am Freitag, 13. März aus dem Publikum. Foto: Alexander Böhm
Protest einer Gruppe gegen Annette Groth am Freitag, 13. März aus dem Publikum. Foto: Alexander Böhm

Gegen 19:30 Uhr am Folgetag erhielt er eine SMS über eine gewalttätige Auseinandersetzung im Geisteswissenschaftlichen Zentrum. Als der Geschäftsführer dort eintraf, parkten schon mehrere Polizeifahrzeuge vor dem Gebäude. Er und ein weiteres Mitglied des StuRa versuchten daraufhin, Näheres zum Verlauf in Erfahrung zu bringen und befragten selbst Anwesende.

Im Verlauf des Abends sei es von beiden Seiten zu verbalen Aggressionen gekommen. “Daraufhin hätten sich aus dem vorderen Bereich, wo die Veranstalter und Gäste der Veranstaltung saßen, ein paar auf den Weg in den hinteren, von den Störern besetzten Bereich gemacht und wohl auch einen Stuhl zur Untermauerung der Argumente mitgenommen“, beschreibt Wodniock den Beginn der Auseinandersetzung aus Sicht eines Störers. „Im weiteren Verlauf sei es zu tätlichen Übergriffen auf beiden Seiten gekommen.“

Die Gewalt kam von vorn

Die Darstellung bestätigte ein Bekannter von Wodniock, der sich zu keiner der beiden in Konflikt geratenen Seiten zugehörig fühlt. „Die Gewalt sei von vorn, also von Veranstaltersympathisant_innen ausgegangen, wobei sich die Situation verbal hochgeschaukelt hätte. Wer da vor Ort aber wen geschlagen oder getreten hätte, sei unklar und für ihn nicht mehr rekonstruierbar gewesen.“ Den erhobenen Stuhl habe er ebenfalls bemerkt. In der Auseinandersetzung wurde ein anwesender Journalist durch einen AKN-Sympathisanten geschlagen.

StuRa-Geschäftsführer Wodniock nahm weiter Bezug auf ein im Internet aufgetauchtes Video, das den Tritt eines AKN-Sympathisanten nach einer Frau zeigt. „Dieses Video lässt nicht viele Rückschlüsse auf die Gegebenheiten im Kontext zu“, problematisiert er den nicht zu sehenden Beginn der Eskalation. „Fakt ist aber, es hat einen solchen Tritt gegeben und ist ein Indiz dafür, welche Situation vor Ort herrschte.“ Der AK Nahost hatte im Nachgang diese Handlung als Selbstverteidigung interpretiert und von angeblichen Manipulationen des Materials gesprochen.

AK Nahost Sympathisanten vertreiben Antisemitismusgegner aus dem Saal. Foto: Alexander Böhm
AK Nahost Sympathisanten vertreiben Antisemitismusgegner aus dem Saal. Foto: Alexander Böhm

Konsequenzen nach der StuRa-Sitzung

In der öffentlichen Sitzung des StuRa am 14. April räumten einzelne SDS-Mitglieder Fehler ein. Für die Hochschulgruppe eine unangenehme Situation. Der AK Nahost ist nach Informationen von L-IZ.de aus der Gruppe hervorgegangen. Indes zeigten Vertreter des Arbeitskreises, etwa Sprecherin Katja J. oder die Aktivistin Ika A., keinerlei Einsicht in ihren Redebeiträgen innerhalb der Sitzung. „Es sei nach einhelliger Darstellung einzig die Schuld der Störer gewesen, dass die Situation eskaliert sei“, rekapituliert Wodniock die Haltung des Arbeitskreises. „Die Darstellung deckt sich aber nicht mit den Erkenntnissen, die ich vor Ort gewinnen konnte.“

Was bleibt neben dem Entzug der Legitimation des AK Nahost durch den Student_innenRat? „Wir verurteilen jegliche Form von Gewalt, insbesondere im Rahmen einer inhaltlichen Auseinandersetzung, die argumentativ und nicht mit Fäusten gelöst werden sollte“, so Wodniock zur grundsätzlichen Haltung des StuRa. „Der sogenannte AK Nahost erhält ab sofort keinerlei Unterstützung mehr. Sollte die Linke.SDS in einer Veranstaltung mit dem AK Nahost kooperieren, so ist dieser ebenfalls die Unterstützung zu entziehen.“

Wie eine Veranstaltung zum Nahostkonflikt besser ablaufen kann, zeigte der Start der Reihe „Die Feinde Israels“ des Bündnisses gegen Antisemitismus und Antizionismus Leipzig (BAAL). Felix Bartels referierte über die Grundlagen und Zusammenhänge von Antisemitismus und Antizionismus. Der Vortrag fand am Dienstag in einem überfüllten Hörsaal an der Universität Leipzig statt. Die Veranstalter schalteten bereits im Vorfeld die Polizei ein, um mögliche Störungen unterbinden zu können. Mitglieder und Sympathisanten des AK Nahost waren anwesend und diskutierten mit Teilnehmern der Veranstaltung – dieses Mal ohne Handgreiflichkeiten.

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