LeserclubTahsin M. (45) lebt seit 1999 in Deutschland. In Grimma hat der Türke mit der vielbeschworenen sächsischen Gastfreundschaft und Weltoffenheit nicht nur positive Erfahrungen gemacht. Jahrelang terrorisierte ein Neonazi den Betreiber einer Tanzbar. Weil der Wirt am 25. August 2012 voreilig zum Pfefferspray griff, sitzt er nun selbst auf der Anklagebank.

Die Geschichte hat das Zeug zum großen Drama. Tahsin M. betreibt im Jahr 2012 in der Bahnhofsstraße der sächsischen Kleinstadt “Die Bude”. Eine kleine Tanzbar. Michael P. hatte was dagegen. Der Grimmaer hasst den Zugezogenen wegen seiner türkischen Herkunft. Wiederholt wird Tahsins Bar das Ziel fremdenfeindlicher Angriffe. Beleidigungen, Pöbeleien, Gewaltdelikte. Der polizeibekannte Michael P., den ein Alkoholproblem plagt, ist immer wieder mit von der Partie. “Tahsin M. wurde angegriffen – verbal und körperlich”, berichtet seine Rechtsanwältin Rita Belter.

Am 25. August baute sich der bekennende Rechtsextremist, der ein tätowiertes Hakenkreuz auf der Brust trägt, gegen 23:40 Uhr auf der Straße vor dem Lokal auf. In der “Bude” hatte Michael P. längst Hausverbot. Mit einem Megafon gab der Störenfried eigenes Liedgut zum Besten.

Tahsin M. fühlte sich nicht nur provoziert, sondern befürchtete einen bevorstehenden Angriff auf sein Lokal. Der Barbesitzer stürmte auf die Straße und sprühte seinem Widersacher eine Ladung Pfefferspray mitten ins Gesicht. “Er (Michael P./Anm. Red.) hat ihn übelst beschimpft. Das lässt man nicht auf sich sitzen”, schilderte Augenzeuge Patrick M. (25) den Vorfall.

Doch er gab nicht klein bei. Kaum hatte sich Tahsin M. in die Kneipe zurückgezogen, legte er von vorn los. “Komm runter, du dreckiger Kurde.” Der Gastronom ließ sich nicht lange bitten. Auf der Straße angekommen, schlug ihm Michael P. sein Megafon ins Gesicht. Der Angegriffene erlitt an der Stirn eine blutende Wunde. Die Polizei musste anrücken, um zu schlichten.

Das Amtsgericht Grimma verurteilte Tahsin M. wegen gefährlicher Körperverletzung. Acht Monate auf Bewährung. Objektiv betrachtet, hatte der Angeklagte (noch) keinen Grund für den Pfefferspray-Einsatz. Eine verbale Provokation rechtfertigt in Deutschland keine gewaltsame Notwehr. Der Verurteilte legte gegen das Urteil Berufung ein. Deshalb rollt das Landgericht den Fall seit Dienstag neu auf. Eine Entscheidung wird am 18. Mai erwartet.

Ganz gleich wie das Gericht entscheidet. Für den Migranten endete die Geschichte bereits tragisch. Tahsin M. erkrankte an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Das Lokal in Grimma hat er längst aufgegeben und ist nach Leipzig gezogen. Michael P. ist dagegen weiter auf freiem Fuß. Möglicherweise jedoch nicht mehr lange. Ab Dienstag muss sich der Kleinkriminelle wegen diverser Delikte selbst vor dem Landgericht verantworten. Ihm droht die Einweisung in die geschlossene Psychiatrie.

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