Es fehle ihm „das Fleisch an den Knochen“, erklärte der Vorsitzende Richter am Bundesverwaltungsgericht Ingo Kraft metaphorisch. „Allgemeine Befürchtungen reichen nicht.“ Der Bundestagsabgeordnete Diether Dehm (Linke) wollte wissen, ob und inwieweit der Bundesnachrichtendienst (BND) personenbezogene Daten über ihn an die National Security Agency (NSA) weitergeleitet hat. Weil der Geheimdienst die Auskunft verweigerte, hatte nun das Bundesverwaltungsgericht über das Auskunftsverhalten des BND in Leipzig zu entscheiden.

Diether Dehm zählt zu den umstrittensten Figuren innerhalb der Linkspartei. Für Schlagzeilen sorgte der gebürtige Frankfurter und frühere SPD-Anhänger unter anderem durch seine mutmaßliche Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR, verbale Ausfälle gegen Joachim Gauck und sein Auftreten bei den als rechtslastig kritisierten „Mahnwachen für den Frieden“ im Jahr 2014.

Dehms Anwalt, Otto Jäckel, sah das Grundrecht seines Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung als verletzt. Demzufolge müsse die Weitergabe von Daten an ausländische Dienste restriktiv erfolgen und sei selbst bei Fällen wie Terrorverdacht streng reglementiert. Insofern betrachtete der Wiesbadener Jurist ein rechtswidriges Handeln des BND als gegeben und verwies auf die Interessen seines Klienten, der als Musiker auf eine freie, nun aber womöglich gefährdete Einreise in die USA angewiesen sei.

Die Klage sei nicht fundiert genug, da Dehm weder vom BND beobachtet worden sei noch ließen sich irgendwelche beruflichen Nachteile für den 66-Jährigen erkennen, erwiderte der Sitzungsvertreter des Geheimdienstes. Der Name des Hinterbänklers tauche lediglich in einigen gesammelten Zeitungsberichten auf.

Der 6. Senat schlug in eine ähnliche Kerbe und kritisierte die Unklarheit von Dehms eigentlichem Klagegegenstand. Dieser läge in der Frage, ob die beauskunfteten Daten über Dehm Gegenstand eines Austauschs mit der NSA geworden seien, stellte Berichterstatter Carsten Tegethoff klar.

Sichtlich in die Defensive gedrängt, verwies Anwalt Jäckel auf das durch die mutmaßliche Datenübermittlung verletzte Abgeordnetenrecht Dehms und dessen Untragbarkeit in den Augen vieler Wähler, wenn über ihn ein BND-Dossier vorläge. „Welche sichtbaren Nachteile haben sich denn nun für Herrn Dehm ergeben?“, hakte Kraft nach.

„Ich meine, dass Sie da überzogene Anforderungen stellen“, konterte Jäckel. Schließlich reiche schon die Möglichkeit eines Nachteils aus. Der Rechtsanwalt untermauerte dies mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Rechtswidrigkeit der Beobachtung des heutigen thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Generell stelle das Wissen um die gesammelten Daten einen ehrverletzenden und das Ansehen schädigenden Malus für seinen Mandanten dar, sowohl bei der Wählerschaft als auch im Umgang mit Kollegen.

Die spürbare Skepsis auf der Richterbank vermochten diese Argumente allerdings nicht zu entkräften. „Ich werde das Gefühl nicht los, dass der Streitgegenstand nicht ganz passt“, so der Vorsitzende Ingo Kraft.

Wenig überraschend wies der Senat schließlich die Klage Dehms ab. Informationen über Herkunft und Empfänger von personenbezogenen Daten fielen zum Zweck übergeordneter Sicherheitsinteressen nicht in die Auskunftspflicht des BND. Lediglich die Vermeidung konkreter, persönlicher Nachteile könne diese notwendige Geheimhaltung im Einzelfall aufheben – hierfür sah das Gericht im Falle Dehms jedoch keinerlei Anhaltspunkte gegeben.

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